Wem die digitale Stunde schlägt

Als Tageszeitungsredakteure haben wir Bilder geliebt, auf denen die Wichtigen der Welt auf die Uhr schauten. Denken Sie an Rücktritte, mitternächtliche EU-Verhandlungen, Ultimaten, Grexit-Sorgen und andere High-Noon-Szenarien: Da fällt selbst dem unbegabtesten Volontär noch eine passable Bildunterschrift ein, wenn nur eine Uhr im Spiel ist.

Dabei schlägt dem gewöhnlichen Chronometer am Handgelenk bald die letzte Stunde, wenn die iWatch im April auf den Markt kommt. Apple-Basher werden naserümpfend auf die zahllosen uhrartigen Gadgets verweisen, die bereits seit Jahren (erfolglos) auf dem Markt sind. Besitzer teurer Schweizer Chronometer werden beteuern, dass ihre Uhr sowohl meisterliches Handwerk als auch Wertanlage ist (es wird interessant sein zu sehen, wie sich die goldene iWatch um mehrere tausend Euro verkauft).

Aber vor allem: Brauchen wir eine Uhr, mit der wir die Liebste / den Liebsten mittels sanfter Vibration oder einem digital verschickten Herzen anstupsen, während wir ohne Unterbruch auf den nächsten Termin und eingehende Nachrichten hingewiesen werden? Die iWatch wird, wie bei anderen digitalen Gadgets zuvor, der eigentliche Test für die Annahme sein, dass in Form und an Stelle der Uhr Platz für einen sinnvollen digitalen Assistenten ist. Es gab MP3-Player vor dem iPod, Musikangebote vor iTunes, Handy-"Multimedia-Computer" (Nokias Lieblingsausdruck) vor dem iPhone, den Tablet PC vor dem iPad, Musikdienste vor iTunes und mobile Zahlensysteme per NFC vor Apple Pay. Aber bevor Apple auf den jeweiligen Markt kam gab es diese Märkte praktisch nicht.

So wird sich in diesem Jahr zeigen, ob die altehrwürdige Armbanduhr reif ist, ihren Platz für eine digitale Uhr aufzugeben, bei der die Zeitanzeige nur noch eine selbstverständliche Nebenfunktion ist, wie auf fast jedem Display. Wie schon bei anderen Gadgets davor haben wir nicht wirklich die Fantasie uns vorzustellen, was sich eine Heerschar talentierter App-Entwickler alles einfallen wird. Eines scheint mir sicher: Nur uns zu ersparen das Handy aus der Tasche zu nehmen reicht nicht als Grund für eine weitere 500-Euro-Investition.

Ein paar Dinge liegen auf der Hand (sorry für das Wortspiel), von Messaging und Kalender und dem üblichen Kram, der uns tagsüber beschäftigt. Sportarmbänder, die unsere Fitnessübungen begleiten sind aufgelegt als Nutzen, und überhaupt eine noch zu entwickelnde Unzahl an Gesundheitsfunktionen von der Puls- und Herzschlagmessung bis zu all den Daten, die wir an der Oberfläche unserer Haut messen können (wahrscheinlich bald auch Zucker). All das ist nur ein bescheidener Anfang, so wie das iPhone 2007 noch keine Ahnung von Millionen Apps hatte, die heute seinen Nutzen immer weiter steigern.

Meine Wette: Wenn es Apple mit seinem digitalen Ökosystem nicht gelingt die iWatch zum Ticken zu bringen, dann ist das Handgelenk für längere Zeit kein besonders guter Ort für eine Übernahme durch „Wearables". Bis auf weiteres übrigens auch nicht unsere Augengläser: Bis zu einer wirklich brauchbaren zweiten Version hat Google seine Glasses als 1500-Dollar-teure Exponate ins Museum digitaler Wunderlichkeiten verbannt. Da lob ich mir den digitalen Armreifen: Der kann immerhin noch die Zeit anzeigen.

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Christoph Cecerle

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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