Wer viel herumkommt, der weiß auch viele Geschichten zu erzählen. Geschichten über Menschen, die man getroffen hat. Unsere Uhren ticken immer schneller, Zeit ist ein wertvolles Gut geworden. Mit Entsetzen schauen viele, und fragen sich keuchend: Ist das noch das Leben, ist das noch der richtige Weg? Unruhig und hastig, einsam und traurig, gierig und neidisch blicken die Gesichter. Das Einfache ist abhanden gekommen, die Einfachheit und die Stille. Wir alle haben aufgehört zu staunen, über die kleinen Wunder des Lebens. Ich habe Menschen getroffen, die ich in meiner Erinnerung als wunderbare Menschen bezeichnen kann. Sie finden sich selbst nicht wunderbar, sie leben einfach ihr Leben. Doch sie sind die wahren Lehrmeister des Lebens, Lehrmeister der Hoffnung und der Zuversicht, dass das Leben nicht nur ein Jammertal ist. Dass es kein Anhäufen von materiellen Dingen ist, um Glück zu finden.
Es gibt viele solcher Geschichten, eine davon möchte ich erzählen. Da ist Matthäus , der hundertjährige Baum. Matthäus war ein Bergbauer in der Obersteiermark. „ Wusstet ihr, das die Bäume sprechen, doch sie sprechen zu Euch, ihr müsst nur zuhören“. Das sagte schon der Dichter Peter Rosegger, und nach diesem Prinzip lebte Matthäus der Bergbauer. 1891, wurde er als elftes Kind einer Bergbauernfamilie geboren. Das Leben war hart im Gebirge, es schenkte nichts. Arbeit, das war das Los, das der Junge kannte. Schule , das war Luxus, seine Schule, das war die Natur und die Arbeit. 1914 kam der Krieg, und er geriet in russische Gefangenschaft. Die Not war groß in dieser Zeit. Rückkehr in die Heimat- Familie- Kinder, und die trügerische Hoffnung auf bessere Zeiten. Aber wieder kam der Krieg, das Kämpfen und Sterben, und abermals kam er in russische Gefangenschaft. Viele Jahre später, die Rückkehr in die Heimat. Bald darauf starb seine Frau, und danach auch sein Sohn. Das Leben schenkt dir manchmal nichts, sagte er . Fast schon hundertjährig, erzählte er mir seine Geschichte. In der Nähe seines Hauses stand ein hundertjähriger Baum, er sprach von ihm, wie von einem Freund. Sein Leben ist tief verbunden mit der Natur, einmal sagte er, sein Geist wird weiterleben in diesem alten Baum. Sein Schicksal machte mich nachdenklich, trotz der vielen Schicksalsschläge, waren auf seinem Gesicht nur wenige Falten zu sehen. Seine Augen funkelten ,und lachten, wenn er russische Lieder sang. Keine Bitterkeit, kein Jammern. Seinen Bergbauerhof gibt es nicht mehr, er wurde von seinem Enkel schon verkauft, als er noch lebte. Er hatte nur das Wohnrecht, bis zu seinem Ableben. Manchmal schenkt das Leben nichts, aber es erzählt Geschichten, Geschichten aus denen man viel lernen kann. Im Geiste sehe ich ihn durch sein Weizenfeld gehen, und seine Hände streichen über die Ähren. Er singt vor sich hin, und lächelt. Es gäbe so viele Geschichten zum erzählen, die uns Hoffnung machen. Wer aber will sie noch hören? Man müsste nicht immer so traurig sein im Leben, weil unser menschlicher Verstand nicht alles begreifen kann. Wer mit dem Herzen schaut, der findet sie, diese wunderbaren Menschen, die uns Hoffnung für unser Leben geben. Vielleicht bist genau Du einer davon.