Ich stehe auf einem Hügel und blicke weit hinaus auf das Battlefield von Little Big Horn. Sie wissen nicht, was das ist? Little Big Horn liegt in Montana - in den Weiten der westlichen Prärie Nord-Amerikas. Ein heiliger Ort für die Lakota Indianer. Für die weißen, europäischen Einwanderer Amerikas aber ein schrecklicher Ort. Haben sie doch dort im Jahr 1876 die größte Niederlage gegen die Ur -Einwohner Amerikas erlitten: Die Schlacht am Little Big Horn.
„Ihr habt unser Wild und alles, was unseren Lebensunterhalt sichert, aus dem Land vertrieben, und jetzt haben wir nichts Wertvolles mehr, bis auf die Berge, und auch die verlangt ihr jetzt auch noch von uns“, tobten die Ur-Einwohner. Die weißen Amerikaner haben alle Verträge gebrochen, die sie jemals mit den Indianern geschlossen hatten. So kam es 1876 zu dieser letzten großen Schlacht. Ein letztes Aufbäumen eines stolzen Naturvolkes gegen die Unterdrückung und Vernichtung.
Den Weißen war alles recht. Sie verwendeten Pocken verseuchte Decken, sie ließen die Indianer hungern, sie schlachteten sie, wo sie konnten, und sie löschten ihre Lebensgrundlage aus: an die 60 Millionen Büffel in den Prärien. „Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer.“ Mit diesem Leidspruch wurden Millionen von Ureinwohnern ermordet.
Christoph Kolumbus betrat im Jahr 1492 die Insel San Salvador und entdeckte Amerika. Von jenem Moment, als der erste Europäer den Boden Amerikas betrat, wurde der erste große Holocaust in der Geschichte der Menschheit eingeleitet.
Little Big Horn. Ich stehe noch immer auf dem Hügel und mein Blick schweift über die weite Prärie. Vor mir sehe ich Grabsteine. Auf einem steht der Name General George Armstrong Custer. Ein eitler eingebildeter General, der damals diese Schlacht gegen die Indianer verloren hatte. 247 Soldaten starben, und ein verlorenes und versklavtes Volk jubelte über diesen letzten Sieg. Niemand heute kann sich noch dieses Leben vorstellen, das Leben, welches diese Naturvölker damals führten. Ihre unendliche Freiheit, ihre Lebensweise, ihr Umgang mit allen Lebewesen und ihre Einstellung zur Mutter Erde, wie sie die Welt nannten.
Vieles wird natürlich heute von Esoterikern und modernen Sinnsuchern glorifiziert, aber diese Menschen wussten noch gewisse Zeichen zu deuten. Sie lebten in einer familiären Einheit, in der alles seinen Platz hatte. Sicher gab es auch Raubzüge, aber sie ehrten den Mut und die Ehrlichkeit eines Feindes als oberstes Gebot. Persönlichkeit und Charakter musste verdient werden, und Weisheit zu erlangen, erforderte einen langen Lebensweg. Sie schätzten das Alter und liebten ihre Kinder. In der Erziehung gab es keine Schläge, keine Unterdrückung und Gewalt. Klingt alles utopisch für uns und träumerisch.
Aber schon Columbus erzählte bei seiner Rückkehr der Königin einiges über diese sanften Wilden. „Sie haben ein ruhiges sanftes Wesen, kennen keine Lüge oder Intrige, teilen alles mit dem anderen. Sie laufen herum wie Gott sie erschaffen hat.“ "Welcher Gott?" fragte die Königin, „ das sind doch Wilde, ähnlich wie die Tiere?“
Columbus wusste keine Antwort darauf. Heute feiert Amerika an jeden 10. Oktober den Tag seiner Entdeckung. Die Indianer feiern am 9. Oktober den letzten Tag ihrer Freiheit. Sollte jetzt jemand glauben, dass die Unterdrückung der Indianer heute nicht mehr stattfindet, der ist ein Träumer. Amerika, das Land, das sich die Freiheit der Menschen auf seine Fahne heftet, kümmert das Schicksal der noch lebenden Ureinwohner herzlich wenig.
Es gibt heute zirka 280 Indianerreservate in Amerika. Indianer nennen sich nicht Indianer, das tun nur wir Weiße. Sie nennen sich nach ihren Stämmen, bezeichnen sich als Naturales, oder als Lakota, Crow oder Navajos usw. Die jungen Indianer in den heutigen Reservaten haben wenig Perspektiven. Meistens versinken sie im Alkohol oder nehmen Drogen, werden kriminell und landen im Gefängnis. So hat sich gegenüber damals nicht viel verändert. Hollywood stellt die Vernichtung der Indianer als eine heroische Tat in den Filmen dar.
Der Wind streicht sanft über das Präriegras, hier am Little Big Horn. Welche Chance haben wir Europäer vertan, als wir Amerika entdeckten? Was ist geworden aus diesem Land der Freiheit, der unbegrenzten Möglichkeiten? Indianer sind heute nur mehr gut für Sinnsucher, oder für mystische esoterische Sprüche, in denen sich so manche verlorene Seele wiederzufinden glaubt.
Doch da, am Little Big Horn fühle ich etwas von dieser Kraft und Ausstrahlung dieses einzigartigen Volkes, das für seine Freiheit sterben musste. Aber sie, die Ur-Einwohner, besaßen einen ungebrochenen Stolz.
„Heute ist ein guter Tag zum Sterben.“ Dann griffen sie die weißen Soldaten an. Für die Freiheit.