Es ist noch früh am Morgen. Ich laufe durch den Wald und atme dabei die frische Morgenluft in meine verschlafenen Lungen ein. Es ist noch still, es ist ein mystisches Geheimnis, wenn der Tag die Nacht endgültig ablöst und die Sonne plötzlich zu sehen ist. Leichte Nebelschwaden bilden sich durch das nasse Gras auf den Wiesen und sie steigen langsam in die Höhe. Plötzlich ist ein lautes Schnauben zu hören, und es reißt mich aus meinen Gedanken.
Kurz darauf höre ich das Wiehern mehrerer Pferde und plötzlich, da sind sie da. Es sind viele, und sie zeigen ihr Temperament, ihre Lust am Leben, ihr Feuer. Sie laufen, sie wälzen sich im Gras, sie beißen und schlagen mit den Hinterbeinen. Schnauben und Wiehern – sie sind da vor mir, die jungen Lipizzaner Hengste. Erstaunt mit leichtem inneren Schauder bleibe ich am Holzzaun stehen und beobachte sie. Sie haben mich längst bemerkt, diese klugen Tiere.
Einige sind stehengeblieben, wackeln mit den Ohren, schnauben und blicken mich neugierig an. Ein Königreich für ein Pferd. Es sind so edle Geschöpfe, stolz und eigenwillig, mit einem unendlichen Freiheitsdrang behaftet. Die Heimat der Lipizzaner, Piber in der Weststeiermark. Man weiß von diesem Streit über die wahre Heimat dieser Pferderasse, es wäre Lipica in Slovenien.
Aber hier in Piber, das ist ihre österreichische Heimat. Heimat ist immer dort, wo man geboren wird. Und diese Hengste sind in dem Bundesgestüt Piber geboren. Im Sommer leben sie auf der Alm, hoch oben, um in Freiheit ihr Temperament ausleben zu können. Ein Teil dieser Pferde geht dann später in die spanische Hofreitschule nach Wien. Darüber kann man geteilter Meinung sein. Drill für das Volk. Schön anzuschauen, aber sehr umstritten. Nicht meine Welt. Jetzt als junge Hengste sind sie noch ungestüm, natürlich und mit sanfter Wildheit ausgestattet. Pferde sind für uns alle ein Sinnbild von Schönheit und Freiheit.
Schon Kinder, vor allem Mädchen, sind von diesen stolzen Tieren immer verzaubert. Sie sind treue Freunde, wenn man sie liebt, vergessen aber keine böse Tat, die man ihnen einmal zugefügt hat. Wer ein Pferd besitzt, der weiß, wovon ich hier erzähle. Piber liegt eingebettet in Wiesen und Felder, und man kann das Auge schweifen lassen über eine schöne Natur. Ein Schloss beherbergt die Stallungen. Sie zu besuchen ist sicher ein schönes Erlebnis. Da sind die schwarzen Fohlen zu sehen, und man kann den Geruch der Pferde einatmen. Manchmal sieht man auch alte Kutschen.
Unweigerlich weht ein königliches Gefühl einher und die weißen Pferde erinnern an Schneewittchen. Immer wieder begegne ich den jungen Pferden auf ihrer Weide. Jedesmal verharre ich einige Augenblick. Sie beobachten mich, und horchen auf meine Sprache. Einige kommen an den Zaun, beschnuppern mich, und sehen mir in die Augen. Dann schnauben sie, schütteln den Kopf und wiehern leise. Es ist, als wollten sie mir etwas erzählen. Na ja, so empfinde ich es jedenfalls. Es erfreut mein Herz, wenn ich sie sehe, und ich fühle jedesmal diese Freiheit, die sie für mich verkörpern.
Dass es nicht so ist, ist eine andere Geschichte. Zumindest haben diese Hengste, die Fohlen und auch die weiblichen Tiere eine schöne Kindheit hier in Piber. Man sollte einmal vorbeikommen, es ist sicher ein Erlebnis. In meinen Gedanken laufen diese schönen Tiere mit dem Wind über die weiten Felder und Wiesen. Sie sind wild und frei, sie ordnen sich niemandem unter. Aber sie können deine Freunde sein, wenn du es willst, und wenn du sie respektierst. Man sollte niemanden einsperren, egal ob Tier oder Mensch, vor allem jene nicht, die die Freiheit mehr lieben als ihr Leben. Langsam laufe ich weiter, bleibe aber einige Male kurz stehen und sehe zurück zu diesen schönen Pferden.
Sie stehen da, und sehen mir nach. Vielleicht komme ich morgen wieder, ich freue mich jetzt schon im Herzen sie dann zu sehen. Wieder jagen sie sich gegenseitig über die große Wiese, wälzen sich im Gras und wiehern laut voll Lebensfreude.
Kommen Sie einmal nach Piber, wenn sie Pferde lieben.