Mount Everest: Da oben bist du tot, obwohl du noch lebst.

Der höchste Berg der Erde lässt die Menschen nicht mehr los. Im 20. Jahrhundert war der Everest lange Zeit das letzte Symbol für menschliches Wagnis. Seit seiner Vermessung in den 1850er Jahren ist er der höchste Gipfel der Erde und das krönende Ziel aller Bergsteiger. Die darauffolgenden Jahrzehnte brachten Abenteurern Triumphe und Niederlagen, Heldentum und Tragödien.

Von der Nordseite, in Tibet, sah ich 1985 den "Tschomolungma" – die Göttin, die Mutter der Erde, wie Einheimische den Everest nennen, das erste Mal.

Auf fast 6.000m Höhe war er für mich zum greifen nahe, und doch so unendlich weit weg. Es war nicht nur irgendein hoher Berg, er war das Dach unserer Welt. Obwohl ich innerlich vorbereitet war, traf mich der Anblick mit einer Wucht, die mich erschütterte.

Die Schneefahnen, die die Mächte der Natur von der Gipfelpyramide weggeblasen hatten, sahen aus wie ein königlicher Umhang, der im Wind flatterte. Ich fühlte mich in diesem Augenblick so klein, so unbedeutend, so nichtssagend angesichts dieser felsigen Macht.

Ein eisiger Wind pfiff von den schneebedeckten Bergen über das tibetische Hochland. Dort, in dieser Weite, lernt man sich selbst einen anderen Blick an, man blickt mit der Seele. Die Luft ist klar und rein, und man sieht der Unendlichkeit direkt ins Auge.

Diesmal bin ich in Kathmandu, der Hauptstadt von Nepal. Diese Stadt ist Märchen und Hölle zugleich. Dort beginnen die Wege zu den höchsten Bergen der Erde. Viele Träume gehen in Erfüllung oder zerschellen an den eisigen Hängen.

Mit der Yeti-Airline fliege ich in die Berge. Ein Flug, den niemand je vergisst.

Im Ticketbüro lese ich noch auf einem Plakat: "Auf den Gipfeln der Berge wirst du nur soviel Glück finden, wie du mitbringst."

Glück hat man schon, wenn man den Flug mit der Yeti Airline überlebt hat, und in Lukla landet.

Von da geht man zum Ziel aller Bergsteigerträume, zum Mount Everest.

Was treibt Menschen hierher, in diese entlegene Gegend – ja, was trieb mich hierher?

Ich bin nicht unbedingt Reinhold Messner, oder ein Bergfex. Mich faszinieren die Länder und die Menschen dieser Erde.

Berge sind schön, aber nicht das Paradies für mich. Nur beim Anblick des Tschomolungma, des Mount Everest, kann auch ich mich der Faszination nicht entziehen.

Träume sind unser Leben. Wer nicht träumt, lebt nicht. Wir streben nach der Erfüllung unserer Träume. Mögen sie noch so sinnlos für manche erscheinen. Mit all unserem Materiallismus, den wir uns anhäufen, werden wir nicht wirklich glücklicher. Der Konsumrausch ist nur von kurzer Dauer, und hinterlässt eine Leere. Aber die Herausforderung mit sich selbst, und mit der Natur, mit den letzten Fragen unserer Existenz, sind von großer Bedeutung.

Da fragt man sich, woher komme ich, wohin gehe ich? Was sind meine Spuren, die ich in diesem Leben hinterlasse, hier, auf dieser Erde?

So stehe ich vor dem Everest und schaue, höre meinen Atem, mein Herz klopft in der dünnen Luft, und ich spüre das Leben wie es kommt und geht. Wir sind nicht der Mittelpunkt des Universums, wir haben nur verlernt, demütig zu sein in unserer materialistischen Welt.

Ich spüre die Würde der Natur und der Schöpfung, und auf einmal weiß ich, was wichtig ist, um wirklich Mensch zu sein. Im Himalaya fühlen sich die Menschen dem Universum näher und sind dabei zufrieden. Sie sehen sich nur als Wanderer auf dieser Welt. Wir kommen und gehen, und doch können wir nicht loslassen.

Was mich der Everest gelehrt hat, ist einfach: Er ist nur ein Berg, nicht mehr.

Wir sind nur Ameisen an seinen Hängen, klein und unwichtig. Klein und unwichtig, obwohl wir uns für den Mittelpunkt des Universums halten. Mit dieser Anmaßung gehen wir durch unser Leben, und wissen am Ende oft gar nicht, warum wir einmal gelebt haben.

Es gibt Orte auf dieser Welt, wo sich das Universum für kurze Augenblicke öffnet. Der Everest ist so ein Ort und man spürt diese Kraft.

Ragt dieser Berg doch fast 9.000 Meter in das Weltall, dorthin wo die Sterne leuchten. Man sieht in dieser Höhe eine Sternenwelt, die so gewaltig ist, dass es einem den Atem verschlägt. Und da fühlt man auch, dass es mehr gibt als wir nur ahnen können. Dass diese Welt nicht nur leer und kalt ist, wir können sie wärmen.

Alle, die auf dem Everest waren, sind danach nicht mehr dieselben. Sie sind stiller geworden, sie haben in eine Welt geschaut, die viele niemals kennenlernen werden.

Man findet diesen Riss im Universum aber nicht nur auf dem Everest.

Es gibt viele Orte, um mit der Seele hinüberzublicken in eine Welt von der wir oft träumen, aber nicht mehr daran glauben, dass es sie wirklich gibt.

Versuchen muss man es, es ist ganz einfach – und es kostet nichts.

13
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Veronika Fischer

Veronika Fischer bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

Andy McQueen

Andy McQueen bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

Indianerin

Indianerin bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

Da Fraunz

Da Fraunz bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

Globetrotter

Globetrotter bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

Herbert Erregger

Herbert Erregger bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

Bluesanne

Bluesanne bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

irmi

irmi bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

Andrea Walter

Andrea Walter bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

B-San

B-San bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

Bernhard Juranek

Bernhard Juranek bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

3 Kommentare

Mehr von Herbert Erregger