Verbannt – für immer. Auf die Insel Elba. Da saß ich nun, allein auf dieser Insel, ringsherum das Meer, aber irgendwie wollte ich auch nicht zurück nach Hause. Na ja, wie schön, ich lasse mich hierher verbannen.
Der kleine Kaiser Napoleon, König der Verbannung, hat das große Wort geschrieben: “Jedes Ding auf der Welt ist relativ. Die Insel Elba, über die ich vor einem Jahr so schlecht geurteilt habe, ist geradezu ein Ort des Entzückens.“
Napoleon hatte recht, Elba ist ein Ort des Entzückens, wenn man sich die Insel mit Leidenschaft erobert. Ich stehe am Hafen von Piombino. Diese Stadt, am Festland Italiens gelegen, ist dreckig und laut. Überall rauchen Schornsteine und irgendwie habe ich das Gefühl, hier will ich gar nicht sein. Aber da draußen in der Ferne, weit draußen im Meer, sehe ich eine Insel, und da will ich hin.
Ich stehe mit meinem Auto in der brütenden Mittagshitze und warte auf die Fähre, die mich nach Elba bringen soll. In einem Hafen ist immer etwas los. Ich beobachte die Menschen, die auslaufenden Schiffe und versuche die Hunde zu verscheuchen, die hier so zahlreich herumstreunen. Endlich kommt die Fähre. „Moby Dick“ heißt das Schiff, und es schluckt Unmengen von Menschen und Fahrzeugen.
Die Luke ist dicht, wir fahren los in das Abenteuer. Auf nach Westen. Über meinem Kopf kreisen Möwen, sie haben Hunger und holen sich Brotstücke aus meiner Hand. Ich denke mir, eigentlich könnte ich mit dieser Tiernummer in einem Zirkus auftreten, aber womöglich lassen mich die Möwen am Ende doch noch im Stich. Langsam taucht die Insel Elba am Horizont auf. Freude steigt in mir auf, eine Insel hat für mich immer eine besondere Ausstrahlung, etwas Geheimnisvolles. Das Meer schäumt an den Felsen, und ich sehe kleine verträumte Buchten. Elba scheint sehr gebirgig zu sein, bis zu tausend Meter ragen die Berge empor.
Fern ist schon das Festland, fern ist meine Heimat, aber das neue Eiland ruft mich. Nach einiger Zeit fahren wir in eine Bucht ein, und ich sehe die Festung von Portoferraio, der kleinen Hauptstadt Elbas. Alte toskanische Häuser sind zu sehen, und überall wachsen Palmen. Irgendwie habe ich das Gefühl, in der Karibik zu sein. Hier weht der Hauch einer langen Geschichte. Als die Fähre angelegt hat, fahre ich hinaus auf die Erde Elbas, hinaus natürlich ,auf den Asphalt der neuen Straße.
Ich bin wohl nicht der erste Besucher dieser Insel. Hinweisschilder zeigen mir Ortsnamen, wie Rio Marina, Capoliveri oder Marina di Campo. „Quo Vadis Fremder“, wohin soll ich mich wenden? Ab in die erste Bar auf einen Cappuccino, einen echten elbaschen Kaffee. Hier lebten schon vor Christi Geburt Menschen und bauten Wein an, an den Hängen dieser Berge.
Elba hat eine lange, aber auch kriegerische Geschichte. „Oh, meine Insel ist klein“, sagte Napoleon, „aber sie ist auch ein Kleinod“. Langsam nehme ich die Insel in Besitz. Kurvenreiche Straßen führen mich nach Süden, nach Marina di Campo. Die ganze Insel duftet nach Gewürzen. Beifuß, Fenchel, Melisse, Minze, Oregano, Rosmarin, Salbei und Tymian. Besonders am Abend breitet sich ein herrlicher Duft aus.
Ganz im Westen sieht man die Konturen von Korsika. Ich sitze auf einen Felsen, tief unter mir rauscht das Meer und weit draußen senkt sich die Sonne, und lässt das Meer golden erstrahlen. Irgendwo in der Ferne höre ich das Flötenspiel eines Hirten, die Zeit scheint still zu stehen. Lautlos schweben die Möwen über mich hinweg, und ich habe das Gefühl, in die Unendlichkeit zu schauen. Elba hat von mir Besitz ergriffen. Da sind die Bergdörfer wie Capoliveri, und Campo Nellèlba, enge Gassen geschmückt mit Blumen. Die Häuser sind in die Berghänge hineingebaut.
Auf dem Dorfplatz, das Leben der Einheimischen, es wird gelacht und getanzt, und die Fröhlichkeit weht über die Insel. Ich sitze und schaue, höre die Geräusche, und der Wind streicht über mein Gesicht. Hier kann man vieles vergessen, vor allem die Hektik unseres Lebens. Hier genügt wenig, um Glück zu empfinden. Vor Elba liegt die Insel Monte Christo, hier fand der Graf von Monte Christo seinen Schatz. Sie kennen den Film? Der Duft einer richtigen Holzofenpizza steigt mir in die Nase.
Das Essen ist herrlich, hier auf Elba. Die Fisch und Fleischgerichte sind vorzüglich gewürzt, und der Wein ist köstlich und berauschend. Nach einigen Gläsern sieht man die Meerjungfrauen, die hier leben sollen, und nachts aus dem Meer steigen. Die Versuchung mit ihnen zu schwimmen, ist groß, aber es ist gefährlich, denn dann gibt es keine Wiederkehr.
Elba hat auch das beste Olivenöl, einen wunderbaren Honig und süße Früchte, wirklich ein kleines Paradies.
Kreuz und quer habe ich diese Insel erkundet, es gibt noch viele Wildtiere und wunderschöne Wälder. Der Anblick auf das Meer ist einzigartig und die Menschen sind freundlich. Elba hat mich verzaubert, und ich habe nicht das Bedürfnis, von hier wieder weg zu wollen. Wie schön diese kleine Welt hier ist, wie einfach und problemlos das Leben doch sein kann.
Wie gerne würde ich mich wie Napoleon hierher verbannen lassen, um für immer hier zu leben. Träume sind schön, und es ist gut wenn man noch welche hat. Träume gehören zu meinem Leben.
Ich werde von hier zwar wieder weg gehen, aber ein kleiner Traum bleibt, nämlich der, wieder hierher zurückzukehren, um ein kleinwenig Glück zu finden.
Verbannt für immer, auf die Insel Elba.