Südamerika – Peru. Ich habe noch nie einen hässlicheren Ort gesehen als La Oroya, hoch in den peruanischen Anden gelegen. Diese Stadt gilt als die verseuchteste in ganz Südamerika.
Dort kämpfen die Menschen jeden Tag ums nackte Überleben und gegen das Gift und die Geldgier der Bergbau Lobby. Dort sterben die Kinder wie die Fliegen, über und unter Tag.
Manche der Bergbau-Stollen sind so klein und schmal, dass nur Kinder es schaffen, darin zu arbeiten. Ohne Sicherung, ohne Schutz, da wird man nicht alt, sagen die Alten, die eigentlich noch sehr jung sind. Tief im Berg wohnt der Teufel, sagen die Einwohner, der Teufel, der in den dunklen Stollen lauert.
Die Menschen bringen Opfergaben, um wieder heil aus der Erde zurückzukommen. Schon die Spanier vor 500 Jahren zwangen die Menschen da nach Gold, Silber und Blei zu graben. Und sie erzählten den Einheimischen von den Dämonen, die man besänftigen muss, um zu überleben. Das hat sich bis heute nicht geändert. Wir alle leben nicht wirklich in einer heilen Welt, wie wir glauben. Da draußen hungern und sterben Kinder.
Wir aber sagen, Gott sei Dank, es geht uns gut in Europa.
Täglich werden in La Oroya große Mengen an Schwefeldioxid aus den Schmelzhütten in die Luft geblasen. Blei und Schwermetalle verursachen Hirn- und Nervenschäden.
Geld kann man nicht essen, sagen die Einwohner. Und da bleibt den Kindern nicht viel Zeit zu träumen. In Südamerika arbeiten über 20 Millionen Kinder zwischen sechs und vierzehn Jahren unter härtesten Bedingungen, um zu überleben.
Sie arbeiten als Schuhputzer, als Bauarbeiter und als Bergleute in den Kohlen- und Erzgruben der Reichen.
Wie lange kann das ein Kind aushalten ehe die Seele zerbricht?
Der Pfarrer in der katholischen Kirche sagt zu ihnen, sie müssen stark sein, denn es ist ihre Aufgabe, es ist ihre Schuld, nur so könnten sie die Wunden Gottes heilen.
Aber sie verstehen nicht, wie groß muss ihre Schuld sein, wie groß die Wunden Gottes, die anscheinend niemals heilen? Sie sehen im Fernsehen die Welt da draußen, und diese Welt glitzert, und die Tische sind voll mit Speisen und Getränken. Manchmal feiern sie auch in La Oroya, es ist ein Tag, an dem sie nicht im Berg schuften. Aber ich habe trotz dieser Armut manchmal auch ein Lächeln gesehen.
Kinder, die lachen und die sich wirklich freuen können. „He Gringo, hast du einen Schluck Coca Cola für mich?“, fragten sie, und sahen mich mit großen Augen an. Ich war für sie ein Außerirdischer, einer, der aus einer Welt kommt, die sie für das Paradies halten.
Wie soll ich ihnen erklären, wie es unseren Kindern geht, wie wir leben?
Wie soll ich ihnen unsere Maßlosigkeit erklären, unsere Üppigkeit? Wie soll ich es ihnen erklären, wie soll ich erzählen, über unsere Freudlosigkeit, obwohl wir doch fast alles haben? Wie soll ich erklären, dass es bei uns Fettpillen gibt, die Kinder schlanker machen? Wer versteht schon eine Welt, in der die eine Hälfte hungert, und die andere im Überfluss lebt?
Dort, in den Augen dieser Kinder, habe ich etwas gesehen, das für uns alle wichtig wäre. Dass man jeden Morgen mit dem Vorsatz aufstehen sollte, ein besserer Mensch zu werden. Ein Mensch, mit dem Gefühl der Menschlichkeit gegenüber anderen.
Es kostet nichts und würde so viel bringen. Noch mehr Geld, noch mehr Besitz und noch mehr Macht, das macht innerlich nicht wirklich glücklicher, sondern ärmer. Eigentlich sind diese Kinder dort im Hochland der Anden glücklichere Wesen als wir – obwohl sie hungern und bitterarm sind.
Wir sollten sie anschauen, mit demselben Blick, wie sie uns anschauen.
Es geht uns gut, in Europa, deshalb sollten wir diese Kinder nicht vergessen, sie haben nicht Schuld an ihrem Schicksal, sie wurden nur am falschen Ort geboren.
Wir können nichts dafür, wir haben im Moment nur das große Glück, dass wir am vollen Gabentisch sitzen.
Doch alles kann sich im Leben sehr schnell ändern.
Gedanken für alle Kinder dieser Welt.