Nach der Inka-Saga schuf Viracocha die Welt und machte das Hochland von Peru zum Mittelpunkt des Universums. Die Inkastadt Cusco bezeichneten sie als den Nabel der Welt. Was damit gemeint ist, begreift man erst nach einer Fahrt durch die südamerikanischen Anden. Vor der grandiosen Kulisse verschneiter Bergriesen wird uns erst bewusst, wie klein wir sind.
Es ist als sähe man die Natur zum ersten Mal. Die Berge sind doppelt so hoch und abweisend als anderswo. Die Täler sind tiefer und steiler. Sonne und Luft, sonst nie bewusst wahrgenommen, sind hier plötzlich physisch spürbar. Das Atmen wird anstrengend, wird zu einem bewussten Vorgang, bei dem man sich bemüht, die Lungen aufzufüllen. Anders ist auch die Sonne. Unbarmherzig brennt sie tagsüber herab, lässt die Farbsymphonie der Bergwelt unerwartet grell aufleuchten und belebt sie.
Die schnelle Abenddämmerung hat etwas Endgültiges. Unweigerlich denkt man an das Ende der Welt. Mit ihr fällt eisige Kälte von den Sternen herab und lähmt Mensch und Tier. Unweigerlich spannt sich das leuchtende Band der Milchstrasse von Horizont zu Horizont.
Ich saß lange auf einem Felsen und blickte auf die Berggipfel der Anden. Hier war das Reich der Inkas. Leise trug der Wind das Flötenspiel der Indios an mein Ohr. Langsam versank die Sonne im Westen. Sie war das Symbol der Göttlichkeit für die Inkas. Sie leuchtete gelbrot und färbte die weißen Gipfel der Cordillera Blanca. 4 Wochen war ich jetzt in Peru, meine Reise ging bald zu Ende, und ich musste wieder zurückkehren in meine Welt. Viele Bilder dieses Landes zogen an meinem geistigen Auge vorbei. Erlebnisse die ich nie vergessen werde, Menschen, Tiere, mystische Stätten. Zu Fuß hatte ich mich auf den Weg gemacht zur legendären Inkastadt „Maccu Picchu“ Krampfhaft hatte ich versucht, in Cusco Begleiter zu finden, aber niemand war zu finden. Es war gefährlich allein zu gehen. Südamerika ist nicht Europa, hier ist man als Gringo für alle reich und ein Versuch, aus der Armut zu entkommen.
Mit Zelt-Proviant und Camera ausgerüstet, machte ich mich um 4 Uhr Morgens auf zum Bahnhof von Cusco. Hunderte Indios warteten davor, Soldaten standen bewaffnet herum. Eine Szene wie in einem Wildwestfilm. Jetzt hatte ich wieder mein Abenteuer, die Kulisse war grandios. Farbenprächtige Indios in wunderschönen Trachten, ein alter Zug, der sich schnaufend über das Hochland bewegte und eine Landschaft, die so schön war, dass es einem den Atem verschlägt. Ich saß nun in diesem Indiozug, ein Gringo unter den Nachfahren der Inkas. Mais wurde gegessen, kleine Kinder schauten mich mit großen Augen an.
Ich kaufte Bananen und Brot für 10 Personen, denn ein Gringo ist reich, kleinere Mengen verkauften sie mir nicht. Die Hälfte verschenkte ich gleich wieder und die Indios lachten über den außerirdischen Besucher, der da im Zug saß. Ich hörte dem Flötenspiel zu, und war glücklich hier zu sein. Nach einiger Zeit hielt der Zug ruckartig. Ich stieg aus, denn hier begann der Camino Inka, der Weg nach Macchu Picchu. Das einzige war eine Hängebrücke über einen reißenden Fluss und ein schmaler Pfad, der in die Berge führte. Irgendwo dahinter lag die sagenhafte Stadt der Inkas. Die Spanier hatten sie niemals entdeckt .
Über vier Pässe zwischen 4000 und 5000 m Höhe führte mein Weg. Am Tag brannte die Sonne heiß, nachts senkte sich der Frost auf mein kleines Zelt. Die Höhe verwirrte meine Sinne, die gefährliche Höhenkrankheit, genannt Soroche, machte mir zu schaffen. Ich kaute Kokablätter und es ging weiter. 5 Tage stieg ich auf- und abwärts, die Spanier trieb damals ihre Gier nach Gold weiter. Für mich war es die Neugier, die Suche nach mir selbst, die Suche nach der Unendlichkeit der Dinge. Wer solche Wege niemals geht, sieht darin nur Strapazen, Entbehrungen und Sinnlosigkeit in meinem Tun.
Warum gehen Menschen hinaus in die Gefahren, warum steigen sie auf die Berge, warum? Die Antwort liegt in jedem selbst: Wer geht versteht, Erklärungen dafür sind unwichtig, niemand würde sie verstehen. Nach Tagen der Anstrengung, ich glaubte schon, es nicht mehr zu schaffen, stand ich vor dem Sonnentor und sah die Ruinen von Macchu Picchu. Niemand weiß genau, was hier einmal war, welchem Zweck sie diente. Doch ihre Ausstrahlung ist einzigartig, Menschen haben sie vor langer Zeit geschaffen. So viele Bilder ziehen an mir vorbei als ich Peru wieder verlasse. Indios mit großen Hüten und in Ponchos gehüllt, treiben ihre Lamas über das Hochland. Ohne Schuhe laufen sie über die alten Pfade der Inkas.
Die Zeit scheint stillzustehen. Armut und wenig Hoffnung hat der Indio von Heute, wie ein Fluch lastet es auf ihm. Doch der Geist der Anden, der Inkarey wie sie sagen, wird eines Tages auferstehen und die Ordnung im Andenhochland wieder herstellen. Dann werden sie wieder zu Kindern der Sonne werden. Leise trägt der Wind ihr Flötenspiel über das Hochland.
Wer es hört und dieses fantastische Land und seine Menschen gesehen und erlebt hat, wird es niemals vergessen. Es sind große schwarze Augen, und sie blicken voller Sehnsucht, und es wird einem bewusst, dass es auf dieser Welt wesentlich mehr gibt als das was wir sehen und besitzen wollen.
Wir sind nur gekommen um zu träumen, nicht wirklich, nicht wirklich sind wir gekommen um auf der Erde zu leben.