Die Bezirksvorsteherin des 1. Wiener Gemeindebezirks, Ursula Stenzel, ist eine eloquente Dame. Jahrzehntelang hat sie abends die ZIB-Nachrichten moderiert. Stenzel ist auch eine streitbare Politikerin. Sie ist es als langjährige EU-Parlamentarerin gewohnt und schuldet es ihrem Naturell, mit ihren Ansichten nicht hinter dem Berg zu halten.
Jetzt ist Stenzel der Stachel im Fleisch der Wiener ÖVP, denn die 69-Jährige wurde von den Stadtschwarzen unsanft abserviert. Der Anfang-Vierziger Markus Figl, mit einer erheblichen Hypothek durch seinen prominenten Nachnamen belastet, soll Stenzel nach den Gemeinderatswahlen im Oktober, so wieder ein Sieg eingefahren werden kann, als Innenstadtchef nachfolgen.
Da haben Wiens VP-Chef Manfred Juraczka und seine Getreuen die Rechnung ohne die widerspenstige Stenzel gemacht. Denn die gibt nicht klein bei und wird mit großer Wahrscheinlichkeit mit eigener Namensliste bei den Herbst-Wahlen antreten. Worauf es die Schwarzen in der Innenstadt, eine der letzten Bastionen der Bürgerlichen im roten Wien, zerreißen und der Bezirksvorsteher flöten gehen wird.
Eine Exit-Strategie aus der mißlichen Lage scheint schwierig, sind doch Juraczka und Stenzel nicht erst in inniger Feindschaft verbunden, seit Stenzel ihren Parteifreund nonchalant als einen VP-Obmann charakterisierte, der im Interview keinen geraden Satz herausbringe. So viel Zuneigung verbindet.
Dieser verbale Faustschlag war natürlich nicht sehr damenhaft und unter die Gürtellinie Juraczkas plaziert. Die politischen Entsorgungsmöglichkeiten Stenzels sind aber für die Parteí nicht vorhanden. Juraczka könnte bestenfalls mit dem Pensionsbescheid wedeln, was für Stenzel keine verlockende Alternative darstellen wird.
Jetzt werden einmal von beiden Seiten Nebelgranaten geworfen, was die Spannung erhöht und Spekulationen blühen lässt. Wer im Machtkampf der beiden letztlich Sieger bleiben wird, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls nicht sagen.