Die ÖVP führt jetzt eine Mitgliederbefragung durch. Das ist löblich, weil sie das enorme Demokratieverständnis der Parteiführung beweist. Ausgangspunkt ist der vom ehemaligen ÖVP-Obmann Spindelegger initiierte Evolutionsprozess der Partei. Bei dieser Befragung wird offenbar nicht nur die Meinung des einfachen Parteivolks erhoben. Sie testet auch den Intelligenzquotienten ihrer Mitglieder. Denn viele Fragen werden zwangsläufig No-Na-Antworten nach sich ziehen. Dazu ein paar Beispiele manipulativer Fragestellungen (haben die noch nie was von offenen Fragen gehört?).
"Soll sich die ÖVP auch in Zukunft für ein differenziertes Schulsystem stark machen, in dem die Talente und Potenziale jedes Einzelnen bestmöglich gefordert werden?" Wieviele der Mitglieder werden wohl mit dem Satz antworten: "Nein, ich bevorzuge die Einheitsschule, Talente und Potenziale sollten zukünftig nicht mehr gefördert werden, sollen sich doch die Eltern selbst um diesen elitären Kram kümmern".
Oder: "Sind Sie für einen umfassenden Bürokratieabbau"? Die überraschende Antwort vieler könnte lauten: "Natürlich nicht, im Gegenteil, wir brauchen noch viel mehr Bürokratie, unsere ÖVP-Beamten wollen doch beschäftigt werden und den Fritz Neugebauer können wir nun wirklich nicht vergrämen."
Oder: "Sollen die Grundprinzipien unserer Gesellschaft auch in der digitalen Welt gelten?" "Natürlich nicht, diese finden nur Anwendung in der analogen Welt, für die digitale schaffen wir, die ÖVP, neue Grundwerte, die noch zu definieren sein werden." Pah, das wird mühsam.
Die ÖVP-Mitglieder können bis Anfang Februar über diesen extrem tiefgründigen Fragen brüten, sollten sie nicht bis dahin den Fragebogen schon wütend zerrissen haben. Und wie viele andere zu dem Schluss gekommen sein, dass die Volkspartei eine Revolution und keine Evolution braucht.