Treuer Softi oder testerongesteuerter Macho?

Ich gebe zu, ich verfolge mit maximaler Neugier die Veröffentlichung neuer Studien. Es gibt bekanntlich nichts in dieser Welt, was sich nicht für wissenschaftliche Untersuchungen eignen würde, und das Feld für bahnbrechende Erkenntnisse ist so unendlich wie das Universum. Studien werden in der Regel in wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht und finden dann schnell ob ihrer sensationellen Erkenntnisse den Weg in die Massenmedien, wo sie für reichlich Aufsehen und Verwirrung sorgen.

So kommt eine Studie der englischen Universität Oxford – die Briten sind auf dem Gebiet der Studien ein sehr umtriebiges Völkchen – zu dem Schluss, dass das Größenverhältnis des menschlichen Ringfingers zum Zeigefinger Aufschluss darüber gibt, ob ein Mensch treu ist oder Veranlagung zu Seitensprüngen hat. Je länger der Ringfinger im Vergleich zum Zeigefinger ist, umso höher war die Konzentration des Hormons Testeron im Mutterleib, schwören die Studienautoren. Und diese höhere Konzentration fördere polygames Verhalten im späteren Leben. Auf den Punkt gebracht: Die Längendifferenz zeige, ob Mann ein treuer Softi oder ein testerongesteuerter Macho ist.

Das Schöne an vorliegender Studie ist, dass sie leichtens sofort für jedermann in der Praxis überprüfbar ist. Vor Überraschungen ist man freilich nicht gefeit. Ich war schockiert, feststellen zu müssen, dass meine linke Hand ganz und gar nicht synchron mit meiner rechten ist. Zwar wusste ich um meine 1,5 Zentimeter Beinlängendifferenz von links zu rechts seit der Musterung beim Heer Bescheid. Dass ich unterschiedliche Fingerproportionen an rechter und linker Hand habe, war mir allerdings neu und kommt schon fast einer marginalen Verkrüppelung gleich.

Während Ring- und Zeigefinger der linken Hand bei mir gleich lang sind, zeigt sich rechter Hand zwischen Ring- und Zeigefinger eine erhebliche Längenabweichung. Diese Schizophrenie lässt mich ratlos zurück. Denn während mich die linke Hand solcherart als monogamen Kumpel ausweist, bescheinigt mir die rechte der Spezies der polygamen testerongesteuerten Machos anzugehören. Zu dieser Diskrepanz gibt mir die Studie leider keine Auskunft. Hat aber wiederum den Vorteil, sich nach Bedarf entweder der einen oder anderen Gruppe zugehörig fühlen zu können. Kann aber auch nicht schaden, Studien generell mit einer gewissen Skepsis entgegen zu treten. Graue Haare lasse ich mir deswegen keine wachsen. Die habe ich schon.

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Silvia Jelincic

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