Ich sage es Ihnen gleich: Ich mag den Song Contest – ungefähr so sehr wie eine kapitale Darmgrippe. Lieder auf dem Niveau von Alf Poiers Kleine-Haserl-Verhöhnung in Kombination mit durchsichtigen Punkte-Freundschaftsdiensten. Alles Hawara am Balkan und in Skandinavien, und Russland tritt sowieso jedes Jahr mit zehn Nummern an und schiebt sich die Punkte kreuz und quer. Brauche ich nicht, so einen Schmafu.
Entsprechend erfreut war ich vom Angebot eines Freundes, das Jury-Finale der heurigen Veranstaltung in Wien zu besuchen. Ist nämlich so, wie man mir sagte: Am ersten Abend, also gestern, Freitag, singen die hoffnungslosen Jungmusiker für die Profi-Voter in Europa. Heute, Samstag, beim zweiten Auftritt, darf der Pöbel via SMS seine Favoriten küren. Die beiden Wertungen zusammen ergeben Conchita Wursts Nachfolger.
Aber weil ich nicht immer die "Tschentschn" sein will, wie es bei uns in Kärnten heißt, also der, der dauernd meckert, habe ich mich breitschlagen lassen. Also Song Contest-Teilnahme. Und so schnell kannst du gar nicht "Euphoria" schreien, fand ich mich auch schon in einer gigantisch langen Warteschlange vor der Wiener Stadthalle wieder. So ziemlich als einziger ohne bemaltem Gesicht oder Goldstaub in den Haaren oder einer hauswandgroßen Nationalflagge in der Hand. Vor mir ein baumlanger Ire mit Federboa und Make-Up, neben mir eine Gruppe mitteilungsbedürftiger Spanier (150 Dezibel!) und hinter mir eine Gothikrunde aus weißnichtwoher. Man kennt das von Partys, zu denen man blöderweise zu spät kommt. Alle besoffen oder zumindest in verdächtig guter Laune, nur man selbst stocknüchtern. Und doch: Irgendwie ansteckend, diese good vibrations. War das ein leichtes Zucken im linken Bein? Aufkommende Stimmung bei Herrn Kofler?
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Danke!
In der Stadthalle dann endgültig Paralleluniversum.
Alle begeistert.
Alle gut drauf.
Alle freundlich.
Vor allem die unfassbar besoffene Runde von jungen Briten in Union-Jack-Uniformen sorgte für Stimmung im Sitzplatzsektor, in dem ich aus dem Staunen nicht mehr herauskam.
Schauen Sie, ich mache es kurz: die nächsten drei Stunden waren eine Mischung aus exzellenter Showtechnik (bravo, ORF) und geradezu epidemieartiger Begeisterung von ca 10.000 Song-Contest-Fans. Die schrullige Serbin, die rollstuhlfahrende Polin, die klavierabfackelnden Österreicher – alle wurden gefeiert. Kein einziger Buh-Ruf, nicht ein einziger Anflug von Langeweile oder schlechter Laune. Im Stehplatzsektor tanzten sie Polonaise, hinter mir saßen staatlich diplomierte Wuh-Girls, die drei Stunden ohne Unterbrechnung brüllten und mir einen Kurzzeit-Tinnitus verpassten. Sie sehen schon, es war großartig. Fazit des Abends: Song-Contest-Fans zetteln keinen Krieg an. Was mehr kann man verlangen?
Was mich betrifft: Ich bin mit dem Song Contest versöhnt. Und die Punkte-Schiebereien? Ich bitte Sie, ist doch völlig wurscht, wer den Schas gewinnt. Hauptsache nicht Alf Poier.