Die vor langer Zeit aus Kärnten ausgewanderte Journalistin Anneliese Rohrer schreibt in der Presse sinngemäß, dass die drohende Pleite ihres Landes den Kärntnern Recht geschieht. Man müsse kein Mitleid haben.
Erstaunlich, dass das immer noch Sätze sind, von denen jemand denkt, dass sie geschrieben werden mussten. Außerhalb von Kärnten sieht es doch ohnehin niemand anders. Egal, das Leben ist Wiederholung, also hackt Rohrer schnell noch ein „Worst of Selbst schuld“ in die Tasten. Soll sein.
Ein bisschen aber ist es bei diesem Text (der durch ein paar herzige Relativierungen nicht entschärft wird) schon so, dass mich die sonst durchaus geschätzte Rohrer anzipft. Und ja, ich lebe in Kärnten, bin also weit davon entfernt, Objektivität in der Causa in Anspruch nehmen zu dürfen.
Was mich stört? Rohrer zählt Haider'sche Geldköder auf, schreibt von 500 Euro Babygeld, vom Führerschein-Tausender alias Jugendstartgeld, vom Teuerungsausgleich, von Billigdiesel, von einem Fonds über 50 Millionen Schilling für die Wohnumgebung der Gebrüder Uwe und Kurt Scheuch. Stimmenkauf, schimpft Rohrer, und zu viele Kärntner hätten mitgemacht. Kärnten liefere nur den bis jetzt sensationellsten Anschauungsunterricht für die Konsequenz zivilgesellschaftlicher Begehrlichkeit, Duldung und Passivität.
Kurzer Rückblick:
* Ich habe – wie die meisten von uns – die FPÖ nie gewählt.
* Ich habe – wie die meisten von uns – nie Babygeld bezogen.
* Ich habe – wie die meisten von uns – keinen Führerschein-Tausender konsumiert.
* Ich habe – wie die meisten von uns – keinen Teuerungsausgleich kassiert.
* Ich habe – wie die meisten von uns – keinen Billigdiesel (der übrigens auch von der SP-geführten Stadt Villach angeboten wird) getankt.
* Und ich habe im Rahmen meiner sehr bescheidenen Möglichkeiten journalistisch auf die Problematik der FP-Politik hingewiesen. Solange, bis die Partei meiner damaligen Zeitung alle Inserate gestrichen hat. Der Verlust war über die Jahre in Euro sechsstellig. Es wurde von der Partei eine Akte Kofler angelegt, um sie bei passender Gelegenheit gegen mich zu verwenden.
In Summe weiß ich – wie die meisten von uns – nicht, was ich falsch gemacht hätte.
Vielmehr frage ich mich seit langem, was die Möglichkeiten dieser Mehrheit gegen demokratische Wahlen gewesen wären, die Haider als Sieger hervorbrachten? Ein Putsch? Kommentare in Zeitungen, die nichts ändern (außer, dass der Schreiber/die Schreiberin im Nachhinein selbstgerecht formulieren kann: selber schuld!) Oder hätten wir alle auswandern sollen?
Und liebe Frau Rohrer, kommen Sie mir bitte nicht damit, dass die Leute auf Geld hätten verzichen sollen, das Ihnen angeboten wurde. Diese Republik wurde Jahrzehntelang mit Kindergeld, Heiratsprämien und Wohnbauförderung verhätschelt. Leisten konnten wir uns das eigentlich nie. An all diesen schwachsinnigen Gaben ist Österreich nicht zerbrochen, daran wäre auch Kärnten nicht gescheitert.
Die Hypo hat Kärnten das Genick gebrochen. Dieses Milliarden-Debakel – auch noch rückwirkend – der passiven Gier des kleinen Mannes umzuhängen, ist schon eine bemerkenswerte Argumentationskette.