Warum das neue NEWS funktionieren kann

Ich habe ein Jahr lang, vom Juli 2013 bis Ende Juni 2014, bei NEWS als Ressortleiter gearbeitet. Die Zeitschrift samt Akteuren und Abläufen ist mir also recht gut bekannt. Und sie ist mir irgendwie ans Herz gewachsen. Daher ein paar Überlegungen zur unter der neuen Chefredakteurin Eva Weissenberger geplanten Transformation des Blattes.

Zunächst Kurzrückblick und Status Quo: NEWS war unter Wolfgang Fellner vor allem deshalb so präsent und erfolgreich, weil das Produkt neu und innovativ war. Weil es das Internet in seiner aktuellen Präsenz nicht als Konkurrenz gab. Weil verkaufsfördernde Werbemöglichkeiten (Gewinnspiele) eingesetzt wurden, die längst verboten sind. Und weil die Grenzen des Zulässigen in methodischer Hinsicht an mehreren Fronten Richtung dunkle Seite der Macht verschoben wurden.

Eine Zeit lang hat das funktioniert. Dann erkannte Fellner das herannahende Ende des Allerweltsmagazins und setzte zur Filetierung an: TV Media, E-Media, Format, Woman und andere zielgruppenorientierte Magazine etablierten sich am Markt. NEWS begann zu kränkeln. Inserateneinnahmen, Auflage, Personalstand, Motivation im Team - ein fatales Wettschrumpfen setzte ein.

Belastungsprobe

Als mich Chefredakteur Wolfgang Ainetter 2013 zu NEWS holte, traf ich auf ein merkbar angeschlagenes Rest-Team. Wer Jahre lang gehört hat, dass ohnehin alles sinnlos sei, was er produziert, dem kann man schwer übelnehmen, dass er nicht an jedem einzelnen Tag mit maximaler Freude arbeitet. Das Schlimmste war der Personalstand. Es gab einzelne Ausgaben, an denen schrieben nur zehn Redakteure. So werden dann sogar an sich mikrige 108 Seiten zur Belastungsprobe.

Mein Ressort, die Society, war flächenmäßig das größte. Netto Zwischen 20 und 25 Seiten pro Woche. Folgendes Team übernahm ich: eine (sehr erfahrene) Halbtagskraft, eine junge Kollegin, die noch nie journalistisch tätig war (auf Freelancer-Basis) und einen pauschalierten Kollegen, der 15 Jahre als Wirtschaftsredakteur hinter sich hatte. Ich war die einzige Vollzeitkraft - für 100 Seiten pro Monat. Bei Urlaub oder Krankheit des einen oder anderen (der sehr ambitionierten) Kollegen konnte es vorkommen, dass ich de facto alleine war. Dann war ich auf Hilfe aus anderen Ressorts angewiesen. Die selbst auf dem letzten Loch pfiffen.

Kurzum: es war ein Krampf. Der Mehrwert eines Kaufmagazins im Vergleich zu Gratisprodukten ließ sich bei diesen Rahmenbedingungen schwer darstellen.

Was uns über die Runden brachte? 80-Stunden-Wochen, Kreativität, fatalistischer Humor und die Stehgreif-Leistungsfähigkeit von Kollegen wie Textchef David Pesendorfer oder Wolfgang Ainetter, um nur zwei zu nennen. Nie zuvor habe ich einen Menschen so viel arbeiten gesehen. Wenn ich um 9 Uhr morgens mein Büro neben "Aini" wie wir ihn nannten, aufsperrte, war er bereits da. Und wenn ich montags und dienstags, den Produktionstagen, gegen 23 Uhr zum Lift im 11. Stock des NEWS-Towers taumelte, saß er immer noch - als Letzter - in seiner Kammer und redigierte Texte. Denn Lektorat hatten wir auch keines.

Sie merken schon. Auf Dauer war das kein Spaß. Ich kündigte. Ein paar Monate trat auch Wolfgang Ainetter ab.

Richtige Überlegungen

Nun steht also das große Durchstarten an. Die neue Chefredakteurin Eva Weissenberger soll und wird NEWS neu positionieren. Freundlicher, unterhaltsamer, witziger, wie sie zuletzt verriet. Wohl auch eine Spur eleganter. Mit allem, was sie verändern will, hat Weissenberger Recht. Und die Neuverpflichtungensind rundum Garanten für seriösen Journalismus.

Es wird also gelingen, das Blatt höherwertig zu positionieren. Nur: Bedeutet dies automatisch, mehr Käufer zu erreichen? Daran zweifle ich. Vor allem aus einem Grund: NEWS steht seit Jahrzehnten für Boulevard, dessen Ausprägung vom jeweiligen Chefredakteur abhing. Und da zeigen die Absatzzahlen, dass gerade Titelgeschichten wie "Haiders Töchter - so schön, so traurig" am besten verkauften. Seriös geht anders. Doch hey - that's NEWS! Um es kurz zu machen: Ich glaube nicht, dass ein ernsthaftes NEWS am Kiosk besonders gut funktioniert.

Leser und Käufer

Aber, großes ABER: So wichtig ist das möglicherweise gar nicht. Denn 2015 ist der Leser unter Umständen wichtiger als der Käufer.

Was meine ich? Den Vertrieb kann man zur Not ersetzen. Zehntausende Gratis-Ausgaben sind vergleichsweise unkompliziert unters Volk zu bringen. Was hingegen nicht ersetzbar ist: Inserate. Drei schlecht verkaufte Inseraten-Seiten bringen mehr Erlös als 10.000 zusätzlich am Kiosk abgesetzte Hefte. Bei aller Kenntnis der schrumpfenden Werbe-Umsätze in der Printbranche: Was glauben Sie, was einfacher zu schaffen sein wird?

In meiner Zeit bei NEWS hatten wir Ausgaben mit nur sieben verkauften Inseratenseiten. Ein Fiasko. Wenn es NEWS gelingt, künftig diesen Anteil merkbar nach oben zu schrauben, kann die Abwärtsbewegung gestoppt werden. Und der Umstand verkraftet werden, dass die Zeitschrift vielleicht noch mehr als bisher in Gratisform konsumiert wird. Who cares. Leser ist Leser. Und auf lange Sicht wird sowieso nur ein vernünftiges Konzept für Print UND Online funktionieren. Das wird die Meisterprüfung für alle Beteiligten.

Fazit: So schwer es auch wird - ich bin überzeugt, dass die Repositionierung einen Versuch wert ist. Das neue Team hat Vertrauen verdient. Dass die nötigen Maßnahmen viel zu spät gesetzt werden, muss man Anderen vorwerfen.

Nachträgliche Ergänzung

Eine Woche nach Erscheinen dieser Überlegungen hat die Verlagsgruppe NEWS bekanntgegeben, dass man künftig 25.000 NEWS gratis verteilen werde.

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