Pferde
Oben sitzt mal wieder an der Hafenmole, grad neben Jenny’s Bar, dort hängt aussendran ein altes Pferdehalfter an der Wand (gleich daneben hängt das Sattelzeug). Naipaula kommt vorbei (sie trägt Strassenschuhe, dem wechselnden Leser sei’s verraten: Sie BESITZT überhaupt keine Pantoffeln – das Hotel ist nämlich überall gleich sauber). Warum biste so traurig? fragt sie den alten Schuhmacher. Oben schaut nur zum Pferdehalfter hin. Sag schon! insistiert Naipaula. Ach, diesmal deswegen, weil die Mongolen und Hunnen nicht bis Rom,Paris und London, und wegen der Zeitläufte und des Wassers schon gar nicht nach Washington gekommen sind, seufzt der Freizeitphilosoph. Ums Himmels Willen! entgegnet Naipaula atemlos, die hätten doch alles in Schutt und Asche gelegt? Eben, antwortet Oben schlicht. Die beiden schauen vereint aufs Pferdehalfter.
Lass mich etwas übers Pferd erzählen, meint Oben dann, und Naipaula nickt dazu und setzt sich ebenfalls hin. Bis zur Erfindung des Ottomotors gab es kaum einen vielgebrauchteren Helfer als das Pferd. Noch im ersten Weltkrieg starben hunderttausende von ihnen, und das ohne jede innere Überzeugung. Ich glaube nicht, dass ein einziges französisches Pferd ein deutsches hasste...
Was ist denn der erste Weltkrieg? fragte Naipaula besorgt. Ach ja, Oben darauf, der kommt ja noch. Aber die Mongolen und Hunnen kennst Du? Reitervölker, die barbarisch die halbe Welt verwüsteten! Naipaula hat in der Schule aufgepasst.
Ja, so Oben, sogar die deutschen Soldaten wurden wegen ihres Auftretens von den Feinden “die Hunnen” genannt. Wusstest Du aber, so der Philosoph leicht von oben herab, dass Attila in Byzanz erzogen wurde, dass Dschingis-Khan, wenn er an der Spitze seiner Reiterscharen aufbrach, rechts neben sich einen christlichen Priester und links einen Schamanen hatte? Und wusstest Du, dass die Mongolen – ausser, dass sie die grossen Städte wie Bagdad und Teheran zerstörten, hart gegen den Alten vom Berge und die Assassinen vorgingen, und so für eine Zeit zu deren Verschwinden beitrugen? Ein Hunne oder ein Mongole (beides Turkvölker), sass kaum je vom Pferd ab, wurde im Sattel geboren, zeugte und starb im Sattel (heute schaffen so was ähnliches nur die Amerikaner, die ihre Basketballmütze nicht mal zum eigenen Begräbnis abnehmen); diese Völker eroberten die halbe Welt und wurden nur unter äussersten Mühen von Aetius auf den Katalaunischen Feldern und Herzog Heinrich bei Liegnitz gestoppt. Verdienste erwarb sich Attila (Ata = Vater, il = Land, Attila = Landesvater) auch um den Tourismus, weil die verschreckten Norditaliener in die Lagunen hinaus flüchteten und so Venedig entstand....(wo die Pferde natürlich nicht hinkamen). Wenn Pferde schon klug sind, was sind dann erst Esel?? Sie sind nicht so ängstlich, sie sind schwindelfrei, geduldig und sanft, sinnt Oben, der selbst drei Esel besitzt. Sie heissen Jule, Jette und Flo und waren im letzten Leben wohl orthodoxe Priester. Vielleicht auch katholische? (Kreuz aufm Rücken) Niemand erzählt was darüber, dass sie junge Eselchen missbraucht hätten... Bei dem Wort Pferd denkt unsereiner natürlich an Winnetous Iltschi und Old Shatterhands Hattatitla, aber die Herkunft der Pferde hat nun wirklich nix mit Amerika zu tun, auch nicht mit John Wayne. Ich denke auch nicht, dass diese unersetzlichen Reittiere aus Arabien stammen – obwohl wir so stolze arabische und in der Folge lippizanische Hengste gesehen haben! Vielmehr neige ich, Oben, zu der Annahme, dass das Pferd bei den Türken domestiziert wurde und unter ihnen nach Westen und Süden (China) zog. War net Bruce Chatwin mal hier zu Gast? Ich meine, eine wunderbare Erzählung über alanische Rosse, die auch er auf die Turkvölker zurückführte, von ihm gehört zu haben... Ach, man könnte noch stundenlang vom Pferd berichten... Nebenbei: nicht nur Menschen, auch Häuser haben ihre Namen, so gibt es in der Schweiz zahlreiche Gasthöfe “Zum Ochsen”, Zum Engel”, “Zum Löwen” oder “Zum Adler” (sieh mal an: Hesekiels Viergetier!). Die dortigen Türken aber gehen meist ins “Rössli”*smile*)