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Wollt auch ma über Autos schreiben...(das war 2011):
Pick-Up
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“Ich glaube, dass das Auto heutzutage ziemlich genau den gothischen Kathedralen entspricht: ich will sagen, dass es eine der grossen Schöpfungen der Epoche ist, geschaffen von unbekannten Künstlern, aber von allen in einer perfekt magischen Weise sich angeeignet…..Materie ist viel magischer als das Leben…” (Roland Barthes. 1957)
Ich glaube, dass der Pick-Up heutzutage ziemlich genau den antiken Streitwagen entspricht…….Metamorphose ist viel magischer als Strategie…….. (Der fliehenden Daphne zugeschrieben)
Pick-up-sentences: So werden offenbar die Sätze genannt, mit denen man Mädchen oder Frauen “anbaggert”:
“Dein Körper ist wie ein Wunderland. Lass mich Alice sein…..”
“Ich wollt, Du wärst DSL, dann hätt ich schnellen Anschluss…”
“Was war das für ein Erdbeben, dass grade meine Welt erschütterte?”
“Ich weiss, es ist nicht Weihnachten, aber Santas Schoss ist immer bereit….”
Metamorphose des Krieges
In den alten Zeiten war das Kriegswesen streng geregelt, ganze Heere Fussvolk standen sich gegenüber, später kamen Reiter und sogar Streitwagen hinzu, oft wurde stellvertretend gekämpft (Hektor – Achill, David – Goliath usw.) . Noch zu Zeiten von Pulver und Blei galt es als höchst ungehörig, auf Offiziere oder gar Generäle zu schiessen. Die Uniformen waren bunt und phantasievoll, der Schauplatz der Schlacht lag weit ab von bewohnten Städten (Issos, Waterloo), Strategie war erst dem individuellen Verstand (des Heerführers) zugänglich. Aber mehr und mehr erhöhte sich die Reichweite und Durchschlagskraft der Waffen, mehr und mehr abstrahierte sich der “Feldzug”. Das Pferd wurde durch das Gefährt ersetzt, so entstand die “Evolutions”reihe Kanone – Haubitze – Tank – Flugzeug – Rakete - Marschflugkörper, jede der Stufen wurde noch in sich verfeinert, der heutige Nato-Pilot über Libyen sieht nur noch ein Bild auf dem Monitor, keine sterbenden Soldaten mehr, der Computer aber berechnet den Einschlag mit tödlicher Präzision. Schliesslich wird auch noch der Pilot ersetzt: fertig ist die Drohne. Auf einem playmobilartigen Bildschirm werden die unbemannten Flugkörper aus grosser Ferne – dem Pentagon in Washington etwa – gesteuert und bringen selbst kleinen Zielen (einem Mann auf afghanischem Balkon z.B. (Frauen sind hier privilegiert, sie bleiben am Leben, da sie sich in der Küche aufhalten) den sicheren Tod. Bald wird die feste Munition – deren Durchschlagskraft noch an lebenden Schweinen erprobt wurde – wohl durch den Laserstrahl ersetzt werden.
Parallel dazu aber findet äusserst Retromässiges statt: Der Polizist, der gegen Demonstranten vorgeht, sieht wie ein Kämpfer der Hethiter aus, mit Helm, Rüstung, Schild, Schlag- und Stichwaffe. Der Wasserwerfer sieht dem Dinosaurier ähnlich, die Abzäunung rund um ein zu schützendes Ziel (Stuttgart 21) wie Wall und Graben der Bronzezeit. Oft wird auch wieder stellvertretend gekämpft: anstatt England gegen Deutschland heisst es Manchester United – Schalke 04, steht es immer noch Null zu Null schliesslich Rooney – Neuer (anstatt Achill gegen Hektor).
Auch sonst wird regrediert: Der neueste Panzer wird mit Feldsteinen beworfen, die Soldateska wird zunehmend irregulär und ist nicht mehr von den Zivilisten zu unterscheiden, der Häuserkampf wird zur Regel und anstatt der F-16 kommt der Toyota Four Wheel Drive zu Ehren, die Nato-Fluggeräte werden zunehmend nutzlos, sie können Soldaten nicht mehr von Zivilisten (zu deren Schutz sie abhoben) (wird gesagt) unterscheiden, so nützt ihnen alle Präzision des Zielens nichts mehr. Piraten in brüchigen Booten kapern ganze Supertanker, und dass trotz vieler westlicher Kriegschiffe in der Gegend. Das Pferd ist fein raus, abgesehen von immer seltener werdenden Polizei-Reiterstaffeln steht es bei Meredith Beerbaum und weiteren betuchten Mädchen im Stall. Weitere Beispiele fallen den geneigten Leserinnen und Lesern sicher zu Hauf ein.
Exkurs 1: Fussball:
Anders als im Krieg wird niemand tot zurückgelassen. Auch steigen St.Pauli und/oder Bielefeld klaglos ab, ganz anders als Gaddafi und/oder Assad…..
Hissène Habré
Hissène Habré (* 1942 im Tschad) war der Präsident des Tschad von 1982 bis zu seiner Absetzung 1990. Zuvor bekämpfte er als Rebellenführer das Regime seines Vorgängers Tombalbaye. Das Einparteiensystem Habrés war durch schwere Menschenrechtsverletzungen und Gewaltkampagnen gegen verschiedene ethnische Gruppierungen im Tschad gekennzeichnet. Eine nach seiner Amtszeit eingesetzte Untersuchungskommission beschuldigt ihn, für ungefähr 40.000 politisch motivierte Morde verantwortlich gewesen zu sein. (sagt Wikipedia).
Lange führte er Krieg gegen Muammar el Gaddafi, wurde dabei von den USA und Frankreich unterstützt und besiegte schliesslich mit Hilfe Frankreichs die libysche Armee. Hat hier die Kriegsführung mittels Pick-Ups ihren Ursprung? Jedenfalls wurde der Konflikt auch “Toyota-War” genannt…In der Folge wurde er Präsident des Tschad. Bald seinerseits limogiert, floh er ins Exil nach Senegal. Er lebt noch immer, genau wie Baby Doc….Und wie hiess der im Kongo nochmal?
Warlords:
Ihre Stunde ist gekommen, wenn Staaten zerfallen, also etwa in Somalia, Afghanistan, Tschetschenien, Haiti, im Augenblick Libyen. War Uganda denn zerfallen? Idi Amin, der ehemalige Schuhputzer, dann Sergeant der britischen Armee, war doch eher ein Warlord, als ein Präsident?
Die Bedeutung eines Warlords, so sagt man, misst sich an der Anzahl Pick-Ups, über die er verfügt…..
Metamorphose der Landschaft: Versteppung und Verwüstung
Was früher fruchtbares, grünes Land war, was Seen und Flüsse hatte, ist heute Steppe oder Wüste geworden. Seit Jahrhunderten dehnen die Wüsten der Welt sich aus. Und die Vorform ist die Steppe, dazu kommt die heutige Kultursteppe, die durch die Ruhigstellung weiter landwirtschaftlicher Flächen entsteht. Ist Euch klar, dass alle drei grossen monotheistischen Religionen in der Wüste geboren wurden? Schafft mir alles ausser den Dünenlinien des Sandes weg, sagte Allah, damit ich auf meinen Spaziergängen nicht abgelenkt werde! In der Tat übt die Wüste eine eigenartige Faszination auf uns aus, wohl weil sie die Dauer der reinen Form zeigt. Genauso sind Knochen “schön”. Sie zeigen das Wesentliche. Pick-Ups werden logischerweise in Wüsten gebraucht, wo nicht einmal Strassen zum schnellen Vorwärtskommen nötig sind. Wer hat von Pick-Ups in Nepal oder in den Alpen gehört? Aber von Budapests östlichen Aussenvierteln bis Peking, von Kapstadts Norden bis Misrata finden sie keine Hindernisse vor.
Konkurrenten der Pick-Ups:
Jeeps mit vorgeklappter Scheibe, Hafliger, Hilbilly-Humvees?
Passende Redensarten:
Kanonenfutter, aufgegabelt, aufgepickt, marodieren, marode……
Der Pick-Up
hat überall da seine Apotheose, wo Gesellschaften sich atomisieren, wo Staaten zerfallen, wo nur noch das Recht des Gebrauchtwagens gilt. Toyota hat das erkannt (in der Preisgestaltung und im Vertrieb. Wo nehme ich in der Westsahara oder im hintersten Kongoeck, in Südsomalia oder in Belutschistan einen VW- oder Mazda-Pickup her?)
Beschreibung eines Pick-Ups:
offene Ladefläche,, geschlossene Fahrerkabine, 4WD net ungeschickt, gebraucht, verbeult und schlammbespritzt, ehemals wurden Wassermelonen, Brennholz, Zementsäcke oder was auch immer an alltäglichen Notwendigkeiten geladen, jetzt ist ein MG-40 aus dem zweiten Weltkrieg auf einem Dreifuss oder ein leichtes Fliegerabwehrgeschütz da montiert, dazu Trauben von Soldaten, ehm, von bewaffneten Zivilisten darauf verteilt, vielleicht – wie neulich bei BBC-News gesehen – zwei Stahlplatten als Schutzschild gegen Attacken von vorn montiert….
Andere Bezeichnungen: Technical, Bakkie, Ute (von “utility”), Hilbilly-Car
Schlussbemerkung:
Barthes hat ganz recht: wir müssen neue Mythologien schaffen, etwa die der Pickelhaube oder des Tangos……
Bin ich nun entgegen der Ankündigung doch ein neuer Roland Barthes? Ich glaube nicht. Eher war er ein früher Hibou?