Es meldet sich eine deutsche Stelle, die Haftentlassene betreute, mit der Bitte, einen "schwierigeren Fall" zu beraten: Eine Terroristin, die Lösegelderpressungen für die RAF organisiert hatte, komme nach 15 Jahren Gefängnis frei und habe keinen Beruf. Auch die 15 Millionen Mark waren verschwunden, weil ihr Kumpan, der die Kohle im Wald vergrub, kurz darauf erschossen wurde.
Die Frage war: Wie kann so jemand in die Gesellschaft integriert werden? Ein umfangreicher Eignungstest ergab das Psychogramm eines Menschen, der höchst kontakt-gestört, mutig, egoistisch, undiszipliniert, hoch aggressiv und seelisch labil ist. Dazu kam noch eine soziale Aversion, Interesse für Kunst und Kultur und ein IQ von 155! Sie war also auch nach so langer Haft eine gesellschaftlich brandgefährliche Bombe geblieben: auf dem Arbeitsmarkt komplett unvermittelbar.
Der Karriere-Dialog gestaltete sich äußerst einsilbig, bis ich ihr den Vorschlag machte, doch Bibliothekarin oder Archivarin zu werden. Da taute sie dann auf und hatte einen Einfall: Ihr wurde angeboten, den Nachlass eines marxistisch-trotzkistischen Philosophen zu verwalten, den sie bewundert hatte. Die Kombination von zurückgezogener intellektueller Arbeit an einem ihr ideologisch naheliegenden Projekt kam einer menschlichen Bomben-Entschärfung gleich.
Fazit: Jede/r hat sein Plätzchen hier in dieser Welt. Du musst es nur finden. Mein Honorar - eine Flasche Wein - hatte ich mir redlich verdient.
Jahre später las in einem Magazin, dass sie eine der Zöglinge eines berüchtigten Kinderheims war, in dem auch sie jahrelang sexuell von reichen "Kunden" missbraucht wurde. Die Millionärsentführung könnte eine späte Rache an ihren Peinigern gewesen sein.