Papst Paul VI. bezeichnete einen Staat im Herzen Europas im Jahr 1971 als "Insel der Seligen" Dieser Sager wurde zum prägenden sozialen Mythos der 70er Jahre. Man verstand sich als idealtypischer Ort mit Wohlstand, Glück, ein Leben in konfliktfreier Harmonie. Die Politik verstand es, besser als anderswo Wirtschaftskrisen zu durchtauchen, Arbeitskonflikte zu vermeiden und soziale Absicherung aufzubauen. Ganz anders lebt es sich auf der "Insel der Unseligen"...

Obwohl die beiden Eilande viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Beide verfügten einst über Weltreiche, welche verloren gingen. Sie wurden mehrere Jahrzehnte lang von einer starken Königin regiert. Dennoch ist das Selbstbild der seligen Insel von grantiger Gemütlichkeit geprägt, während die Unseligen durch die Beherrschung der Weltmeere eine gewisse Überheblichkeit, ja Snobismus entwickelten (sh. Elias Canetti: Masse und Macht ). Diese Insel wird umspült vom Ozean, während die andere seit Jahrtausenden der Brandung durch die Völker aus allen Himmelsrichtungen ausgesetzt war.

Nun hatte die unglückliche Insel auch noch beschlossen, sich vom Kontinent immer mehr zu entfernen, nur teilweise ahnend, dass die Insulaner damit multiple Kontaktverluste auf Dauer in Kauf nehmen müssen (Wirtschaft, Bildung, Kultur, Gesundheitswesen ). So schnell kann nämlich aus der Exit-Bewegung keine neuerliche Nähe entstehen. Es wird Jahrzehnte dauern, bis eine Umkehr überhaupt eintreten könnte. Jede Robinsonade bedeutet, dass die Einheimischen eine Menge neu lernen müssen: Feuer machen, kochen (was dort schon jetzt auf miesem Niveau ausgeprägt ist ) und überhaupt die Versorgung. Man ist zwar autonom, aber leider auch einsam. Es gibt dann ein "Kevin-allein-zu-Haus"-Syndrom. Slapsticks am laufenden Band. Je weiter sich die Landflächen voneinander entfernen, umso bitterer und schmerzhafter durchleidet man diverse ganz neue, noch unbekannte Erfahrungen. Anfangs kann niemand vorhersagen, was alles schief laufen wird. Klar ist jedoch, dass es zu chaotischen Zuständen kommen muss: Soziale Spannungen, Armut, Wohnungsnot, Bürgeraufstände und soziale Kälte. Im Norden existiert auch noch ein Stamm, der sich gar abspalten möchte und den Anschluss an den Kontinent sucht. Dies wird wiederum zu internen Kontroversen führen. Auch auf einer westlichen Nachbarinsel bekriegten sich zwei Stämme religiös motiviert. Was nun, wenn diese ehemaligen Feinde sich zusammenschließen und dann auch in Richtung Festland abhauen. Dann wird das Territorium der Hauptinsel immer kleiner. Was das auf die kollektive Psyche auswirkt ist naheliegend...

Der riesige blinde Fleck und die größte Gefahr lauert aber im Entropie-Gesetz. Dieses besagt: Wenn ein System wenig Austausch von und nach außen hat, so degeneriert dieses Biotop und wird toxisch. Schon jetzt sind eine Menge giftige Effekte vorhanden. Diese werden sich unter Garantie in den nächsten Jahrzehnten verstärken. Ein Beispiel für den physikalischen Verfall ist etwa ein Waldsee. Er kann noch so sauber sein, wenn er plötzlich keinen Zu- und Abfluss mehr hat, verschmutzt er rasch und alles Leben in ihm stirbt ab. Nun, so weit wird es bei unserer Insel der Unseligen nicht so schnell kommen. Aber all die Fehler in der Zukunft, die seitens der kontinentalen Gesellschaften kaum kommentiert werden, keine Kritik mehr aufkommt und damit weniger Reflexions-Impulse anbranden, führen langsam aber sicher zur emotionalen und mentalen Degenerierung breiter Teile der dortigen Einwohnerschaft.

Die Eingeborenen auf dem Kontinent hingegen werden weiterhin streiten, dass "die Fetzen fliegen". Alle Blockaden, Auseinandersetzungen, Kontroversen, Konflikte zwischen den Nationen an Land kann man jedoch als gesunde Störvariablen auffassen. Wenn es sich nicht um Zerstör-Variablen, wie etwa einen Krieg, handelt. Davon ist man zum Glück weit entfernt Solche Stör-Pieckser erhalten das gesellschaftliche System gesund, sie stärken dessen Resilienz und führen mit all dem Ärger immer wieder zum Happy-Ending. Die Insel der Seligen steckt nach wie vor zwischen Ost und West, Nord und Süd fest. Sie ist interkulturelle Stürme seit Jahrtausenden gewohnt, kann sich rasch anpassen und vieles zwar mürrisch, aber irgendwie lässig hinzunehmen. "Es muass wos gschegn, aber es derf nix passieren!" als Dauer-Lebens-Motto. Selig eben...

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Iris123

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