Von Judasohren und Morcheln

Jedes Frühjahr befällt mich eine gewisse Unruhe und ich starte meine Morchel-Challenge: Die kürzeste Zeit per Rad von meiner Wiener Wohnung ins Revier. Im Moment bin ich bei 36 Minuten mit einem Fußabdruck von Null CO² auf den Pedalen. "Wo sind denn deine Plätze?" fragen mich meine Leute. Keine Chance: Die verrate ich nie. Begonnen hat die Sucht mit einer Bemerkung eines Bauern-Sohnes im Tullnerfeld, der mir davon erzählte. Ich bat ihn, mir wenigstens einen Platz zu zeigen. Er musste seine Eltern um Erlaubnis fragen und dann organisierten wir ein "Wanderseminar" in die Au. Und wir fanden welche. Damit bist Du infiziert.

Die Morcheln "können" etwas, was sonst kein Schwammerl vermag: Ob getrocknet oder eingefrorern kommst Du übers Jahr. Wenn Du sie wässerst, werden die nach nur einer Stunde genau so, als wären sie eben gepflückt worden. Mit nur einem Deka pro Person - unglaublich, oder? - produziert man eine Soße, die im Mundraum noch stundenlang nachwirkt...

Rezept: Eine Scharlotte fuzi-klein hacken und in heißem Öl nur glasig anbraten. Dann die Morcheln und 1/4 l Geflügel- oder Gemüse-Suppe rein. Du salzt es; läßt es eindampfen; dann noch ein Viertel trockenen Wein und ein Stamperl Sherry dazu; wieder eine halbe Stunde bei nniedriger Temperatur reduzieren und noch einmal die selbe Prozedur mit flüssigem Schlagobers (1/4 l). Wenn dann eine sämige Soße entstanden ist und Du nicht schon alles weg-gekostet hast, schüttest Du noch etwas Marsalla (Lambrusko geht auch) hinein und parfümierst das Ganze mit etwas Cognac. Mhm, schmeckt besonders gut auf Spargel mit Kartoffeln...

Wann die Morcheln wachsen, kann niemand so richtig vorhersagen. Hängt offenbar vom warmen Wetter und dem Regen ab. Manche sagen auch, dass die Kastanienblüte ein Vorzeichen für deren Erscheinen sind. Andere wieder glauben, dass der erste Vollmond im April dazu führt, dass die Pilze das Gefühl haben, dass esTag und Nacht hell ist und sie deswegen aufpoppen. Jedenfalls lieben sie die Nähr von Rusten. Das sind so schlanke Bäume mit rötlichem Stamm. Ist ja egal, weil Morcheln sucht man sowieso nicht, sondern weil sie so standort-treu sind, geht man zum bekannten Platz hin und schaut einfach nach. Sind sie nicht da, kannst Du sofort wieder heim gehen...

Wenn ich keine Morcheln finde, sammle ich halt Judas-Ohren. Das sind stiel-lose (nicht stillose) Schwammerln, die am Boden der Au angewachsen sind und ausschauen wie dreckige Ohren. Sie riechen ganz streng nach Chlor und daher hält sich die Sammler-Lust in Grenzen. Nur Schwammerl-Freaks wisssen, dass dieser "Duft" beim Verkochen verfliegt.

Judasohren-Gulasch: Man/Frau nehme drei rote Zwiebeln und brate sie in 4 Löffeln Distelöl dunkelbraun ohne sie zu verbrennen, denn das wird bitter. Dann kommen geviertelte, speckige Erdäpfel hinein. Mit wenig warmen Wasser aufgießen, zwei Eßlöffel scharfen Paprika hinein sowie 1 Eßlöffel Tomatenmak und 1 Zehe Knoblauch, stark salzen und je 1 Teelöffel Kreuzkümmel und Origano (Kümmel und Majoran geht auch). Auf niedriger Flamme eine halbe Stunde köcheln lassen! Wenn Du den Saft strecken willst, kannst Du einen Löffel Chreme fraiche oder vegane Milch sowie einen Spritzer Essig dazu geben.

Manchmal koche ich für meine Belegschaft im Büro eine Extra-Menge zum Kosten. Eine junge polnisch stämmige Kollegin gab jedenfalls als Kündigungsgrund an: "Er hat mich gezwungen polnisches Kunst-Fleisch zu essen!!" Stimmt nicht, das war das gute Judasohren-Gulyas. Frechheit!

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Herbert Erregger

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Silvia Jelincic

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Erwin Schmiedel

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fischundfleisch

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