Wie man eine Pleitenfirma in 9 Monaten ins Plus dreht

Randy Fath

Anfang der 70er Jahre war ich ein ganz junger Personalberater und hatte eben an der Uni Psychologie inskribiert. Ich heuerte bei einem erfahrenen ungarischen intellektuellen Psychologen an, der sich als Personalberater eben selbständig gemacht hatte. Mit viel Mühe brachte ich die ersten Aufträge zustande. Eines Tages beauftragte uns die Firma Alfa Laval - ein schwedischer Landmaschinenkonzern - drei Personen einem Eignungstest zu unterziehen. Was wir damals nicht wussten: Die österreichische Niederlassung war konkursreif.

In so einem Fall schickte der schwedische Mutterkonzern einen international erfahrenen "Troubleshooter". Dies war ein gewisser Herr Kirchner. Er inspizierte ein Monat lang den Betrieb, ohne sich zu äußern. Danach führte er Gespräche mit allen 300 Beschäftigten von der Bereichsleitung bis zu den untersten Produktions-Leuten. Anschließend erklärte er allen in Vier-Augen-Gesprächen, was ihm aufgefallen war, was individuell zu verbessern sei und warum er sofort eine fristlose Kündigung aussprach. 30% der Belegschaft musste das Unternehmen verlassen.

Ebenso lud er ein Dutzend kleinere (weil preisgünstigere) Personalberater ein, je drei wirtschaftspsychologische Tests an Personen, die er gut kannte, vorzunehmen. Deckte sich das Ergebnis nicht mit seiner Wahrnehmung, schied der Berater aus. Die verbliebenen, passenden Gutachten schickte er nach Belgien und ließ dort ein Professoren-Kollegium der Universität beurteilen, wie fundiert das Begutachtungsverfahren war. Wir kamen in die engere Auswahl und wurden in die Firma zur Vorstellung eingeladen. Wir saßen vor einem massiven Mann mit aufgezwirbelten Augenbrauen, der auf mich einen gefährlichen Eindruck machte. Meinem Chef beeindruckte das nicht, weil der war selbst charismatisch zum Quadrat. Kirchner eröffnete uns: Ihr seid - zusammen mit einem anderen Berater - ausgewählt, ab sofort ALLE Personal-Einstellungen und internen Umbesetzungen vorab auf Eignung zu prüfen. Wir sollten einen fairen Preis machen, weil die Firma sei angeschlagen. Für uns war dieser Auftrag eine jahrelange Absicherung unseres "Instituts für Arbeitspsychologie".

Kirchner nahm die Personalfrage so ernst, dass er alle Einstellungsgespräche selbst führte. Ich durfte miterleben, wie er einen Arbeiter einstellte mit den Worten: Sie sind aus 40 Bewerbern als bester Kandidat ausgewählt worden. Ich werde sie einstellen, wenn sie sich verpflichten, extrem viel zu arbeiten und wenig zu verdienen, weil unsere Firma ganz wenig Geld hat. Schlagen Sie ein!

Generaldirektor Kirchner selbst hatte nicht einmal Matura. Dafür sprach er allerdings sechs Sprachen fließend. Er wechselte am Telefon mühelos von deutsch auf Französisch, Italienisch, Tschechisch, Englisch und Schwedisch.

Der Mann war mir nie sympathisch, aber ich verdanke ihm die Erfahrung, dass NUR über die Qualität der Personal-Auswahl ein Betrieb aus tief roten Zahlen innerhalb von 9 Monaten in die Gewinnzone gedreht werden kann.

© Othmar Hill 2022-12-29

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