In Diskussionen über den Zustand der Wirtschaft/Gesellschaft bemerkt man immer wieder eine weit verbreitete Angst der Menschen vor dem "freien, unregulierten Markt", in dem böse und egoistische Kapitalisten andere ausbeuten und sich auf Kosten der Armen bereichern und bei dem am Ende die Schwachen hintüber fallen.
Aber was bedeutet denn überhaupt "freier Markt"?
Das Wort "frei" in "freier Markt" bedeutet ja nicht, dass Unternehmer oder Unternehmen tun und lassen können, was sie wollen, ohne Konsequenzen zu befürchten, insbesondere den Kunden überhöhte Preise aufzuzwingen.
Das Wort "frei" in "freier Markt" bedeutet viel mehr, dass jeder Mensch, egal ob selbst Unternehmer oder nur "Konsument" frei ist in seinen Entscheidungen, seine jeweiligen Bedürfnisse aus den Angeboten des Marktes zu befriedigen. Und alle Unternehmer sind verpflichtet, gute Produkte anzubieten, die die Bedürfnisse von Kunden befriedigen können.
Dabei geht es bei den Bedürfnissen nicht nur um die lebensnotwendigen Grundbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung oder Behausung. Die Menschheit hat inzwischen einen Punkt erreicht, wo unsere Bedürfnisse weit über das unbedingt Lebensnotwendige hinausgehen. Jedenfalls in einem großen Teil der Welt. Und dieser Teil wird nebenbei bemerkt, immer größer - allen Behauptungen von Linken und Kapitalismuskritikern zum Trotz. Aber das ist nicht das Thema hier.
In einem freien Markt kann jeder entscheiden, welches Produkt er zur Bedürfnisbefriedigung auswählt. Ein wesentliches Kriterium für diese Entscheidungen ist oft der Preis. Allerdings gibt es daneben noch weitere Kriterien. Diese können sein
das Ästhetikempfinden,
die Freude an technischen Neuerungen/Spielereien, auch wenn sie nicht unbedingt notwendig sind,
der Wille, zu einer sozialen Gruppe gehören zu wollen
Status und andere...
Das iPhone von Apple zum Beispiel ist kein Produkt, welches unsere Grundbedürfnisse befriedigt. Selbst das Bedürfnis nach einem internetfähigen Telefon lässt sich günstiger befriedigen als mit einem iPhone. Dennoch gelingt es Apple mit einem Paket aus gutem Design und cleverem Marketing seine Smartphones teurer zu verkaufen als die Konkurrenz. Dabei ist der Preis offensichtlich nah am Optimum gewählt. Das bedeutet, dass die optimale Menge von Kunden sich ein iPhone leisten kann. Würde Apple die Preise erhöhen, würden viele Kunden nicht mehr bereit sein, diesen Preis zu bezahlen. Natürlich würden die höheren Preise das bis zu einem gewissen Grad ausgleichen, aber eben nicht unbegrenzt. Ansonsten könnte Apple ja auch 10.000 Euro für das iPhone nehmen und es würde immer noch genügend Menschen geben, die sich das theoretisch leisten könnten. Nur kann man wohl davon ausgehen, dass Kunden, die sich ein Smartphone für 10.000 Euro leisten können auch rechnen können und irgendwann wären auch sie nicht bereit, diesen Preis für ein solches Produkt zu zahlen.
In anderer Richtung kann Apple auch nicht einfach so die Preise senken, um noch mehr Kunden zu gewinnen. Würde ein iPhone preiswerter werden, würde es seinen Status als begehrenswertes Produkt verlieren. Viele wohlhabendere Kunden, die sich noch immer mit einem iPhone von anderen absetzen wollen, vor allem mit dem jeweils neuesten Modell, würden das Interesse verlieren, wenn ein iPhone ein Produkt für jedermann sein würde.
An diesem Beispiel sieht man auch, dass es so etwas wie einen "unregulierten Markt" nicht gibt. Ein Markt mag unreguliert sein im Sinne, dass es keine staatlichen Eingriffe gibt, dennoch ist er nicht unreguliert. Denn es wirkt immer das mächtigste Regulierungselement von allen - der Preis. Denn über diesen stimmen am Ende die Konsumenten ab, ob sie ein Produkt haben wollen oder nicht. Jeder Kauf ist eine Stimme!
Viele Kritiker eines "freien Marktes" behaupten immer gern, der freie Markt würde zwangsläufig zu einem Monopol führen und der Monopolist würde dann die Preise erhöhen und die Leute ausbeuten. Viele könnten sich dann bestimmte Produkte nicht mehr leisten, bis hin zu den lebensnotwendigen Dingen wie Nahrung, Kleidung, Behausung, Energie.
Mal abgesehen davon, dass sie den Widerspruch nicht erkennen, dass Leistungen, die ein Staat anbietet immer teurer sind als vergleichbare Leistungen, die private Unternehmen anbieten und sie dennoch nach mehr Staat rufen, zeugt das von einem absoluten Unverständnis der Funktionsweise von Märkten.
In einem freien und vom Staat nicht regulierten Markt kann es ein Monopol eigentlich nicht geben. Ein Monopol kann es eigentlich nur dann geben, wenn der jeweilige Unternehmer sein Produkt zum besten Preis für alle anbietet oder sein Produkt einfach das beste ist, das die Bedürfnisse fast aller Menschen am besten befriedigt. Nur: was sollte daran schlecht sein?
Aber wie schon gesagt, in einem freien Markt kann das eigentlich nicht geschehen, denn in einem freien Markt wird es immer Anbieter geben, die ein vergleichbares Produkt günstiger oder besser anbieten aus dem einfachen Grund, weil sie dem anderen Unternehmer sein Geschäft wegnehmen wollen und das Geld selbst verdienen wollen. Immer da wo ein Bedürfnis entsteht, wird sich in einem freien Markt jemand finden, der es bedienen kann. Denn es gibt dort Geld zu verdienen. Erhöht er seine Preise, bietet er also zu teuer an, verliert er die Kunden, die ein Bedürfnis nach günstigeren Produkten haben.
Als Gegenbeispiele oder Belege für die These, dass in einem freien Markt ein Unternehmer die Preise bestimmen kann, werden immer nur völlig weltfremde theoretische Konstruktionen gewählt, die einem vernünftigen und logischen Check nicht standhalten können.
Es gibt kein empirisches oder theoretisch belastbares Beispiel, in dem ein Monopolist in einem freien oder relativ freien Markt seine Stellung zum Nachteil ausnutzt. Jedenfalls nicht dauerhaft. Preisabsprachen wären natürlich auch auf einem freien Markt möglich, nur sind sie es jetzt auf unseren mehr oder weniger stark regulierten Märkten ebenfalls.
Solche Verhaltensweisen haben ihre Ursache allerdings nicht in einem freien Markt, sondern in menschlichem Verhalten. Auf einem freien Markt jedoch ist die Macht der Konsumenten weitaus mächtiger, da es schon prinzipiell weniger große Untermehmenseinheiten, dafür aber mehr kleinere Wettbewerber gibt.
Eines der absurden Beispiele, die gewisse Bekanntheit erreicht haben, ist ein Bonmot von Gregor Gysi in einer Bundestagsdebatte über die Privatisierung von Straßen.
An Wolfgang Schäuble gerichtet meinte er, er würde dann die Straße vor Schäubles Haus kaufen und die Durchfahrtsgebühr so hoch ansetzen, dass Schäuble sie nicht mehr benutzen könne. Für einen Lacher sind solche Kommentare durchaus gut, leider meint ein Herr Gysi das aber ernst. Und seine Anhänger klatschen Beifall und rufen: siehst du, so würde es aussehen, wenn Straßen privatisiert würden.
Welchen Sinn das für einen Unternehmer ergeben würde, eine Straße zu bauen und die Gebühr dann so hoch anzusetzen, dass keiner sie nutzen kann, können die albernen Kapitalismuskritiker aber nicht erklären.
Gysis "Beispiel" funktioniert ja auch nur, wenn man ihm eine gewisse Boshaftigkeit und das Bedürfnis, Wolfgang Schäuble zu schädigen, unterstellt. Und das zeigt eigentlich auch, was Linke über Unternehmer denken. Sie denken, Unternehmer wären boshafte Menschen, die andere Menschen schädigen wollen.
Absurder und weltfremder kann die Vorstellung von einem Unternehmer nicht sein. Denn wie erfolgreich wäre wohl ein Geschäftsmodell, dass darauf aufbaut, dass kein Kunde in der Lage ist, das Produkt zu kaufen oder das mit dem Vorsatz betrieben wird, Kunden zu schädigen?
Welcher Unternehmer würde eine ganze Straße bauen oder kaufen, nur damit die Anlieger sie danach nicht benutzen können?
Wird die Nutzungsgebühr zu hoch, werden die potentiellen Kunden Ausweichhandlungen vornehmen. Sie werden das Autofahren beschränken, werden Fahrgemeinschaften bilden oder es wird sich ein externer Dienstleister finden, der die Mobilitätswünsche der Anlieger erfüllt. Und an irgendwen muss der Eigentümer seine Straße ja gegen Entgelt überlassen. Es sei denn, er tut das alles aus Boshaftigkeit, nur hat das mit "freiem Markt" nichts zu tun.
Im schlimmsten Fall zieht Wolfgang Schäuble einfach um.
Ein anderes Beispiel gibt es in einem Interview mit der Grand Old Lady des Libertarismus, Ayn Rand.
Der Interviewer kommt nach einer Weile zu der ultimativen Frage, was denn wäre, wenn er der einzige Anbieter von Öl wäre und den Preis nach Belieben festsetzen würde.
Dieses Beispiel ist sowohl theoretisch, als auch praktisch falsch.
Theoretisch ist es falsch, weil es niemals, außer in einer verstaatlichten Industrie, nur einen einzigen Anbieter eines Produktes geben wird. Wenn ein freier Zugang zu allen Produktionsfaktoren gegeben ist, wird es immer mehrere Anbieter einer Ware geben. Die westlichen kapitalistischen (oder sollte man sagen, die weniger sozialistischen) Gesellschaften beweisen es. Es gibt keine dauerhaften Monopole, bis auf die, die der Staat für sich beansprucht.
Praktisch falsch ist das Beispiel, weil ein Unternehmer immer nur maximal einen solchen Preis ansetzen kann, dass auch noch so viele Leute sich sein Produkt leisten können, wie er zur Deckung seiner Kosten und zur Erzielung eines Gewinns benötigt.
Wäre der amerikanische Showmaster tatsächlich der einzige Anbieter, dann würde ihm sein ganzer "Reichtum" an Öl nichts nutzen, wenn der Preis so hoch ist, dass sich niemand Öl leisten kann.
Man findet diese Argumentation auch häufig in der Politik, wenn z.B. davor gewarnt wird, dass Putin Westeuropa den Gashahn zudrehen könnte.
Wem sollte er dann sein Gas verkaufen?
Und zu welchem Preis? Er würde ja dann mit seinem Produkt auf einen Markt drängen, auf dem weniger Kunden vorhanden sind. Westeuropa gehört ja nicht mehr dazu. Was wird wohl mit dem Preis geschehen?
Es gibt also kaum eine realistische Situation, in der uns Putin den Gashahn oder die Ölländer den Ölhahn zudrehen könnten. Schlicht deshalb, weil sie dann kein Geld mehr verdienen würden. Und wenn sie das doch tun, dann hätten wir eh ganz andere Probleme und befänden uns schon längst in einer Situation, in der man lange nicht mehr von freiem Handel reden kann.
Komisch, dass man dieselbe Argumentation, die in einer Wirtschaft falsch ist, in Bezug auf Politik findet, wo wirtschaftlicher Sachverstand selten besonders ausgeprägt ist.
Vor einem freien Markt muss sich kein Mensch fürchten. Außer vielleicht die, die jetzt auf einem regulierten Markt davon leben, immer neue Regularien einzuführen. Viele von denen würden auf einem freien Markt sicher nicht ein so angenehmes Leben mit bester Versorgung erreichen.
Und so etwas wie einen "unregulierten Markt", in dem böse Unternehmer auf Kosten anderer tun und lassen können, was sie wollen, gibt es nicht. Denn der freie Wille der Konsumenten und der Preis sind die mächtigsten Regulatoren eines freien Marktes. Und sie wirken immer.