Das Wahlergebnis hat schon heute, am Tag der Wahl für frischen Wind und interessante Überlegungen gesorgt.
Martin Schulz führt in der "Elefantenrunde" der ARD den Wahlkampf gegen Merkel, den er eigentlich zu Zeiten des tatsächlichen Wahlkampfes hätte führen müssen. Er betätigt sich als bissiger Oppositionsführer. Die FDP und die Grünen flehen die SPD fast an, wieder in eine Große Koalition einzutreten.
Und alles wegen 13,... % der AfD.
Endlich herrscht wieder politischer Diskurs!
Ich muss sagen, aus Sicht der SPD war es ein genialer Schachzug von Schulz, noch heute den Gang in die Opposition anzukündigen.
Die einzige mögliche Koalition ist nun CDU/CSU mit FDP und Grünen.
Wer die Spitzenvertreter von FDP und Grünen in den Talkrunden nach der Wahl gesehen hat, wie sie fast flehend auf die SPD-Vertreter eingeredet haben, "ihre Verantwortung für Deutschland" wahrzunehmen und in eine große Koalition einzutreten, der muss den Eindruck gewinnen, beide Parteien wollen gar nicht regieren.
Das macht auch Sinn.
Lindner Kurs für die FDP war wohl, eine neue Große Koalition aus der Opposition heraus anzugreifen und damit die FDP weiter in Richtung 15% oder mehr zu stärken und ihr Profil zu schärfen.
Für beide, FDP und Grüne gilt darüber hinaus, dass sie aus den letzten Jahrzehnten der Merkel-Regentschaft gelernt haben, dass es keiner Partei gut bekommen ist, mit der Merkel-CDU zu koalieren.
Nun ergeben sich für Schulz und seine SPD drei Möglichkeiten:
1. FDP und Grüne lassen sich aus kurzfristiger Machtgier auf eine Regierung mit Merkel ein. Das dürfte für alle Beteiligten, insbesondere aber für FDP und Grüne ein sehr schwieriges und riskantes Experiment werden. Die SPD könnte dann als starker Oppositionsführer diese sehr brüchige Koalition angreifen, denn FDP und Grüne sind inhaltlich weiter auseinander als es scheint. Gleichzeitig kann sie der AfD als ebenfalls starker Opposition etwas Wind aus den Segeln nehmen. Bei der nächsten Wahl könnte die SPD mehr Stimmen bekommen.
2. CDU/CSU, FDP und Grüne können sich nicht auf einen Koalitionsvertrag einigen und es kommt recht bald zu Neuwahlen. Schulz' Kalkül dabei könnte sein, dass viele Wähler ein solches politisches Chaos, welches in Deutschland bisher unbekannt war, in einem zweiten Wahlgang nicht wollen und diesmal für klarere Verhältnisse sorgen und die SPD mehr Stimmen bekommt. Jeder Stimmenzuwachs in einer Neuwahl würde danach die SPD in eine Große Koalition bringen und sie stärken.
3. CDU/CSU, FDP und Grüne können sich nicht auf einen Koalitionsvertrag einigen und Merkel wählt Schulz' SPD als "weißen Ritter" für ihren Machterhalt und fleht ihn quasi an, mit ihr zu regieren. Damit kann er sozialdemokratische Zugeständnisse erzwingen, die ihm Merkel gewähren wird. Aus Machterhaltungstrieb. Und er hat eine plausible Erklärung für den Wähler, warum er nun doch nicht in die Opposition geht. Schließlich hat er ja eine Menge Einfluss gewonnen.
Es kann natürlich auch alles ganz anders kommen, aber diese drei Varianten erscheinen mir derzeit am wahrscheinlichsten. Wobei ich Nummer 2 unter diesen 3 Varianten noch am unwahrscheinlichsten halte.
Im Endeffekt ist es ein genialer politischer Schachzug von Schulz im Sinne seiner SPD. Er persönlich hat nichts zu befürchten. Er bleibt SPD-Vorsitzender, kann im Hintergrund die Fäden für eine Neuausrichtung der SPD ziehen, hat sein Bundestagsmandat und hält sich ansonsten aus dem gefährlichen Politalltag raus. Denn Fraktionsführer im Bundestag will er ja nicht werden.
So sehr ich Martin Schulz für seine großeuropäischen undemokratischen Ideale verachte, so sehr bewundere ich ihn gerade für seine politische Cleverness.