29 +1. In einem seiner bekanntesten Lieder schlägt die Kirchenglocke 29-mal. Für jeden der bei einem Schiffsunglück ums Leben gekommenen Seemann einmal.
„The church bell chimed 'til it rang twenty-nine times
For each man on the Edmund Fitzgerald
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The legend lives on from the Chippewa on down
Of the big lake they called Gitche Gumee“
Nun kommt ein weiterer Totenglockenschlag hinzu: Heute vor acht Wochen, am 1. Mai 2023, verstarb der kanadische Singer/Songwriter Gordon Lightfoot im Alter von 84 Jahren, gottlob eines natürlichen Todes. Ich habe erst vor einigen Tagen durch Zufall davon erfahren.
Hochwald_Ausschnitt Album "Sundown"_Foto: John Reeves/Reprise Records
Hit-Lieferant für andere
Gordon Lightfood wurde 1938 in der Provinz Ontario in Kanada geboren. In den 1950er Jahren ging er nach Los Angeles, um Musik zu studieren, kehrte aber nach einigen Jahren aus Heimweh, wie es heißt, wieder nach Ontario zurück und wurde Teil der dortigen Folk-Szene. Einen Namen machte er sich allerdings vor allem als Songschreiber für andere.
So veröffentlichte das Folk-Trio PETER, PAUL & MARY 1965 seinen Song „Early Morning Rain“ und feierte damit große Erfolge.
1970 coverte BOB DYLAN den Titel auf seinem Album „Self Porträt“.
Und 1972 nahm sich selbst „The King“ dieses Titels an.
1966: „LIGHTFOOT!“
Erst 1966 erscheint Gordon Lightfoots erstes eigene Album: „Lightfoot!“. Man beachte das selbstbewusste Ausrufezeichen, nach dem Motto: Achtung, hier bin ich endlich selbst! In typischer Singer/Songwriter-Manier der 1960er Jahre und wie auf dem Cover abgebildet begleitet sich Lightfoot auf einer akustischen Gitarre, nur selten kommt ein Bass und eine zweiten Gitarre hinzu. Natürlich ist auf diesem Debüt-Album auch „Early morning Rain“ enthalten. Hier aber der Titel: „Long River“:
44 Jahre später spielte Gordon Lightfoot „Early Morning Rain“ im Jahr 2000 bei einem vielbeachteten Live-Konzert in Reno.
1970: „If You Could Read My Mind“
Vier Jahre später veröffentlicht Lightfoot 1970 nach einem Wechsel des Plattenlabels bereits sein 5. Album. Dieses enthält denjenigen Nr.1 Hit, der wohl am meisten mit der Musik Gordon Lightfoots in Verbindung gebracht wird: „If You Could Read My Mind“ vom Album „Sit Down Young Stranger", später umbenannt in: „If You Could Read My Mind“ (1970)
So melodisch und sentimental das Lied auch klingen mag, es handelt von der gescheiterten ersten Ehe Lightfoots: "I don't know where we went wrong. But the feelings gone and I just can't get it back.“
Das Album wurde auf dem renommierten REPRISE Label in Los Angeles eingespielt und enthält eine Reihe illustrer Musiker: RY COODER, VAN DYKE PARKS und JOHN SEBASTIAN (Gründer der Lovin’ Spoonful) spielen mit, RANDY NEWMAN trägt zweimal ein Streicher-Arrangement bei und KRIS KRISTOFFERSON, so geht das Gerücht, habe den Harmoniegesang bei „Me and Bobbie McGee“ beigetragen (Wer auch sonst?).
Die bei „If you could read my mind“ von Nick de Carl arrangierten Streicher deuten bereits an, wohin die musikalische Richtung bei Gordon Lightfoot geht: weg vom reinen Gitarren-Folk in Richtung gefälligerem Folk-Pop. Es ist überliefert, dass FRANK SINATRA bei den Aufnahmen zu „If you could read my mind“ nebenan mit eigenen Aufnahmen beschäftigt war und „mit Grausen“ aus dem Studio gelaufen sein, „weil er die melancholische Ballade über Lightfoots zerbrochener Ehe als zu sentimental empfand“… [1]
Auch dieser Song wurde von zahlreichen anderen Künstlern gesungen:
DALIAH LAVI machte den Song 1973, war es in der unvermeidlichen ZDF-Hitparade?, in Deutschland unter dem Titel: „Wär ich ein Buch“ bekannt.
NEIL YOUNG wies Lightfoot 2014 seine Referenz, indem er auf seinem Album „A Letter Home“ zwei seiner Titel interpretierte: „Early Morning Rain“ und „If you could read my mind“.
Der alte JOHNNY CASH wies noch 2003 Lightfoot die Ehre und sang den Titel auf seinem American V Album „Hundred Highways“, wenige Monate vor seinem Tod.
Ja, und die Jüngeren, die in ihrer Jugend eher auf Discomusik abtanzten, kennen den Titel spätestens seit dem Film „Studio 54“ aus dem Jahr 1998.
1974: „Sundown“
1974 folgte ein weiterer internationaler Hit. „Sundown“ ist trotz heiterer Musik mit rhythmischen Gitarren und ohrwurmartigen Harmonien ein von übler Eifersucht handelndes Liebeslied. Wie Lightfoot in einem Interview [2] selbst erzählte, handelt es sich bei „Sundown“ um ein typisches Lied der Art „Where is my Baby tonight?“.
Während er zuhause mit dem Schreiben von Songs beschäftigt ist, womöglich gerade über „Sundown“ brütet, zieht seine Freundin mit Freunden durch die Bars. Da kommen natürlich Fragen auf: „Where is my true love tonight? What is my true love doing?“
Das ewige Thema um den eifersüchtigen Liebhaber, der oftmals nicht vor Mord und Totschlag an der Geliebten oder dem vermeintlichen Rivalen zurückschreckt. Die Liste der seit dem 19. Jahrhundert entstandenen Lieder zu diesem Thema ist endlos. Zu den bekanntesten gehört sicherlich das von Nirvana: „Where did you sleep last night“, ursprünglich bereits in ähnlicher Form von Leadbelly 1944 auf Vinyl gepresst [3].
Ganz so eindeutig scheint der Text wohl doch nicht zu sein, denn es gibt im Netz auch abweichende Interpretationen…
1975: Tell her I miss her – „It’s cold on the shoulder“
Ein Jahr später erscheint das Album „Cold On The Shoulder“. Auf dem Titel „Bell Of The Evening“ hört man Lightfoot am Klavier. Es handelt sich um ein melancholisches Trennungslied. Der Erzähler geht im Regen durch die Straßen, hört dabei Glocken läuten, spricht mit ihnen und bittet sie, für seine Geliebte zu läuten – pardon, zu singen.
„Bells of the evening, O sing to my love
Tell her I miss her, my own turtledove“
Das Titelstück des Albums „Cold On The Shoulder (1975), hier in einer Live-Aufnahme aus dem Jahr 2000:
1976: Let’s Rock – It’s A Summertime Dream
Wieder ein Jahr später veröffentlicht Gordon Lightfoot das vorläufig letzte überaus erfolgreiche Album: „Summertime Dream“. Es ist der künstlerische und auch kommerzielle Höhepunkt einer Reihe von Alben, die Lightfoot in den 1970er Jahren international bekannt machten.
Mit dem Titel „I’d Do It Again“ schlägt Lightfoot rockige Töne an:
Bewegende Jahre
In den 1980er Jahren wurde es, wie bei vielen anderen Musikern und Bands auch, ruhiger um ihn. Der musikalische Zeitgeist wandelte sich, Lightfoots Musik hatte ihren Höhepunkt überschritten. Der „Meister der sanften Töne“ mit dem „Talent für ergreifende Melodien“ „suchte sein Heil im Reich der Mainstream-Balladen“ [4] und driftete ab in „seichte Schmusepop-Gefilde“ [5]. Scheidungen und Alkohol taten ihr übriges.
Dennoch gab es 1986 eine Auszeichnung der besonderen Art, die sicherlich vorrangig seinem künstlerischen Schaffen in den 1960er und 1970er Jahren geschuldet war: Gordon Lightfoot wurde in die Canadian Hall of Fame aufgenommen. Kein geringerer als BOB DYLAN, mit dem Lightfoot schon Anfang der 1960er in New York zusammenkam, hielt die Laudatio. Ein doppelter Ritterschlag für Gordon Lightfoot!
In den 1990er Jahren brachte Lightfoot mit „Waiting For You“ (1993) und „A Painter Passing Through“ (1998) zwei hörenswerte Alben heraus, die jedoch nicht an frühere Erfolge anknüpfen konnten.
2000 wurde sein Konzert in Reno aufgezeichnet und 2002 als DVD veröffentlicht.
2002/2003 musste er wegen eines lebensbedrohlichen Bauchaorten-Aneurysmas eine musikalische Pause einlegen.
2010 meldete eine kanadische Radiostation fälschlicherweise seinen Tod. Lightfoot selbst sah sich bemüßigt, bei dem Sender anzurufen und höchstpersönlich und sehr lebendig mitzuteilen: „ Die Nachricht von meinem Tod ist stark übertrieben!“ [6]
Das 20. und letzte Album „Solo“ erschien am 20.03.2020.
Gut drei Jahre später verstarb Gordon Lightfoot am 1. Mai 2023 in einem Krankenhaus in Toronto. Er wurde 84 Jahre alt.
Gordon Lightfoot 2009_Foto: wikipedia https://commons.wikimedia.org/wiki/File:GordonLightfoot_Interlochen.jpg
Mit Gordon Lightfoot verlieren wir erneut einen der ganz großen Singer/Songwriter der Gegenwart.
Für viele Kanadier war er ein „singender Nationalheld“, aber anders als bei der ebenfalls aus Kanada stammenden JONI MITCHELL oder bei LEONARD COHEN waren seine Texte „bodenständig“ und von der Liebe zur Natur, zu Landstraßen und Güterzügen geprägt und handelten von menschlichen Gefühlen wie Liebe, Trennung, Eifersucht, Melancholie und Resignation.
Hinzu kam seine Fähigkeit, eingängige Melodien zu komponieren, die, mit der 12-saitigen Gitarre vorgetragen, zu „Evergreens“ wurden, ja vielleicht irgendwann in den Bestand der Folksongs übergehen. Man kennt das von „Heute hier, morgen da“ – ein Lied, das heutzutage bereits vielfach den Rang eines „Traditionals“ hat, obwohl es aus den frühen 1970er Jahren stammt.
DER TAGESSPIEGEL stufte das Werk Lightfoots angesichts seines Todes in der Überschrift als „Balladen für die Ewigkeit“ ein ... [7].
Schmachtfetzen Gottes?
Man mag einwenden, dass die Lieder eines Gordon Lightfoot nicht mit den kämpferischen Songs der frühen Folkbewegung der 1950er und 1960er Jahre zu vergleichen sind, sei es mit WOODIE GUTHRIE, PETE SEEGER oder dem frühen DYLAN. Obwohl Lightfoot anfangs auch Lieder gegen Polizeigewalt, Rassenunruhen oder militaristisches Denken gesungen hat [8] , macht ihn seine sanfte Bariton-Stimme nicht gerade zu einem kämpferischen Rebell. Für einen Fan des ursprünglichen Folk-Revivals in den USA mag Lightfoots Musik durchaus zu "weichgespült" erscheinen.
Zudem gerieten seine Lieder in den 1970er Jahren durch die allgegenwärtigen Streicher-Arrangements leicht in ein kitschiges, allzu sentimentales Fahrwasser á la Neil Diamond, das dem künstlerischen Wert der Lieder nicht immer gerecht wurde [8].
Die SZ schrieb zum Tod Lightfoots in der Titelzeile gar vom „begnadeten Songwriter“ und „Schmachtfetzen-Gottes“ [9], wie auch immer man dies interpretieren mag.
Wie dem auch sei: „In Zeiten größter politischer Tumulte und sozialer Umwälzungen war ein Lightfoot-Lied wie ein guter, verlässlicher Freund, der einen zum Ausflug aufs Land einlud.“ [6]. Auch wieder wahr…
Er mag jedes Lied von ihm
Eigentlich ist es überflüssig, zu erwähnen, was BOB DYLAN in einem Interview über Gordon Lightfoot sagte: „Mir fällt kein Lied von Lightfoot ein, das ich nicht mag. Jedes mal, wenn ich eines höre, würde ich mir wünschen, es würde ewig dauern.“ [7]
Was ist mit Edmund Fitzgerald?
Der eine oder die andere mag spätestens an dieser Stelle einwenden, wann denn endlich das ebenfalls sehr berühmte Lied über den Untergang der Edmund Fitzgerald angesprochen wird. Gemeint ist „The Wreck of the Edmund Fitzgerald“ aus dem Jahr 1975, aus dem anfangs zitiert wurde.
Gemach. Es wird noch einen zweiten Teil zum Tod des Songpoeten Gordon Lightfoot geben…
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Quellenangaben:
[1] https://www.fnp.de/kultur/folkpop-legende-gordon-lightfoot-wird-geht-immer-noch-tour-10616815.html
[2]https://americansongwriter.com/gordon-lightfoot-sunrise-to-sundown/
[3]https://de.wikipedia.org/wiki/Where_Did_You_Sleep_Last_Night
[4]https://www.rollingstone.de/gordon-lightfoot-kanadischer-singer-songwriter-verstorben-2582687/
[5]https://www.laut.de/Gordon-Lightfoot
[6]https://www.fnp.de/kultur/folkpop-legende-gordon-lightfoot-wird-geht-immer-noch-tour-10616815.html
Foto: Gordon Lightfoot_2009: Gordon Lightfoot (Foto: Arnielee-CC-BY-SA-3.0 httpscreativecommons.orglicensesby-sa3.0 via-Wikimedia-Commons)