In diesem Blog geht es um Wagner. Nein, nicht um die Söldnergruppe Wagner, sondern um Richard. Aber ganz ohne Politik geht es auch bei Richard Wagner nicht.
Wagneropern also. Der Schwerpunkt liegt jedoch weniger auf der Musik, sondern auf der Art, wie man heutzutage eine Wagneroper auf die Bühne bringt. Es geht um Inszenierungen. Um Regietheater in Bayreuth.
Der Blog ist eine Ergänzung zum Blog „Beeindruckende Operninszenierungen“ von trognon de pomme.
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Die Opernaufführungen in Bayreuth bieten in der Regel reichlich Gesprächsstoff. Dabei geht es nicht immer nur um die sängerischen Qualitäten oder die Leistungen des Dirigenten oder des Chores. Vielfach bieten die Inszenierungen aufgrund der Ideen der Regisseure Anlass zu erbitterter Kritik oder auch zu begeisterter Zustimmung. Das sogenannte Regietheater ist aus der Theater- und Opernlandschaft nicht mehr wegzudenken und führt oft zu leidenschaftlichen Diskussionen.
Regietheater vs. Werktreue
Der Begriff „Regietheater“ ist oft eher negativ besetzt und kritisiert den zu großen Einfluss des Regisseurs mit seinen Einfällen auf das aufzuführende Werk, so dass es in den Augen der Kritiker zu mangelnder Werktreue kommt. Über diese beiden Begriffe ließe sich gar trefflich streiten, was hier aber nicht geschehen soll.
Nur soviel: Der Theaterintendant und Opernregisseur Dr. Peter Brenner hat sich in einem umfangreichen Aufsatz mit dem Thema „Werktreue“ auseinandergesetzt [1]. Darin fragt er z.B., was davon zu halten ist, wenn „das Personal einer Händel-Oper in Wehrmachts- oder SS-Uniformen gesteckt wird“, oder „sich Elisabeth im ‚Tannhäuser‘ in einer Biogas-Anlage … selbst entsorgt“. Aber solche extremen Beispiele von Regietheater sind nur die eine Seite. Werktreue würde in letzter Konsequenz bedeuten, ein Jahrhunderte altes Werk exakt so aufzuführen, wie der Komponist es geplant hat – was auch immer das heißen mag. Schließlich liegen bei einem musikalischen Kunstwerk lediglich die Noten vor und – wenn überhaupt – einige Anmerkungen des Komponisten. Absolute Werktreue ist nicht umsetzbar und würde ansonsten die Opernhäuser zu Museen machen, zu Wärtern des Vergangenen, ohne jeglichen Bezug zu späteren Zeiten. Die Frage ist also, inwieweit es Werktreue überhaupt geben kann bzw. sollte. Auf der anderen Seite ist zu fragen, inwieweit die Ideen eines Regisseurs ein Werk geradezu zerstören können. Der Aufsatz von Dr. Peter Brenner liefert zu diesem Thema zahlreiche bemerkenswerte Gedanken.
Der „Jahrhundert-Ring“: Erbittert abgelehnt und frenetisch gefeiert
So gab es 1976 bei dem "Jahrhundert-Ring" (Uraufführung des "Ring des Nibelungen" in Bayreuth 1876) heftige Verstörung und Proteste. Kein Wunder, denn zuvor hatte zwar Wieland Wagner Anfang der 1950er Jahre einen Neuanfang gewagt und einen völlig neuen Stil entwickelt. Die Bühne wurde von allem realen Dekor und Plunder entrümpelt und damit eine noch nie dagewesene Abstraktion und Sachlichkeit geschaffen. Die Aufführungen waren jedoch immer noch sehr statisch. Die Sänger standen auf der Bühne und sangen. So sollte es sein – sollte man meinen.
Aber das änderte sich ab 1976 durch die Personenregie eines PATRICE CHÉREAU, Regisseur des „Ring des Nibelungen“ zum 100. Geburtstag dieses 16-Stunden-Werks. Die Sängerinnen und Sänger standen beim Singen nicht mehr bewegungslos auf der Bühne, sondern wurden auch schauspielerisch gefordert. Die psychologischen Beziehungen der Darsteller zueinander waren plötzlich von Bedeutung. Das war neu. Und neu war beim „Jahrhundert-Ring“ auch die politische Deutung des Werkes.
Ein Großteil des Publikums tat seine Ablehnung zu einer solchen Art der Inszenierung nach Aufführungsende mit ellenlangen Buh-Rufen kund, die immer wieder vom frenetischen Applaus der Zustimmenden abgelöst wurden: „Die Premiere schockierte große Teile des Publikums und führte zu Protestaktionen im Bayreuther Festspielhaus auf dem Grünen Hügel. Es kam zu Schlägereien, Unterschriftenlisten gegen diese Inszenierung wurden ausgelegt und Flugblätter verteilt.“ [2]
Ein paar Jahre später kam dann der Durchbruch: Der „Chéreau-Ring“ war als richtungweisend und künstlerisch überragend anerkannt und wurde entsprechend gefeiert. Natürlich ist auch diese Ring-Inszenierung inzwischen "in die Jahre gekommen". So ist halt der Lauf des Zeitgeistes.
Hier ein gut vierminütiger Ausschnitt aus dem „Rheingold“ des Chéreau-Rings: "Erdas Warnung", mit Ortrun Wenkel als Erda und Donald McIntyre als Wotan:
Was hat man heute von Bayreuth zu erwarten?
Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass die meisten Musikliebhaber zu den Bayreuther Festspielen fahren, um die Musik Richard Wagners in dem von ihm höchstpersönlich dafür vorgesehenen Räumlichkeiten in allerhöchster Klangqualität zu erleben. Mit hochrangigen Solisten, einem Orchester nebst Dirigenten vom Feinsten und einem Chor, der seines Gleichen sucht.
Doch seit Chéreau hat das Regietheater auch vor Bayreuth nicht Halt gemacht. Viele sogenannte "Wagnerianer", also Menschen, die vor allem die Musik Wagners lieben, meiden inzwischen Bayreuth, weil die Inszenierungen den Hörgenuss vieler Besucher beeinträchtigen, diese sogar als äußerst störend empfunden werden. Und man möchte ja der Aufführung nicht mit geschlossenen Augen folgen müssen.
Seitdem die meisten Bayreuth-Aufführungen auch im Fernsehen übertragen werden, kann sich der geneigte Wagner-Liebhaber oder der, der sich dem Phänomen Wagner nähern möchte, ohne finanzielles und zeitliches Risiko einen Eindruck von den jeweiligen Aufführungen machen. In den vergangenen Jahren gab es durchaus sehenswerte Inszenierungen, besonders für jemanden, der bisher mit Wagneropern nicht vertraut ist. Weil dem Auge so einiges geboten wird. Da nimmt man mitunter die Musik quasi „nebenbei“ mit auf.
Allerdings gibt es auch Aufführungen, von denen ich einem „Neuling“ dringend abraten möchte. Wer zum ersten Mal die vier Opern des „Ring des Nibelungen“ kennenlernen möchte, der sollte meiner Meinung nach die derzeitigen Aufführungen in Bayreuth strikt meiden. Es sei denn, man liebt Netflix-Serien …
Natürlich ist das Ansehen und Anhören einer Oper im Fernsehen, auch wenn es inzwischen ein Großbildschirm ist, immer nur ein Ersatz und nicht mit dem Live-Erlebnis in einem Theater zu vergleichen. Aber die Fernsehübertragung ist eine gute Möglichkeit, ein Werk kennenzulernen, um dann bei Gelegenheit eine leibhaftige Aufführung erleben zu können.
Ich möchte im Folgenden einige der derzeitigen Aufführungen in Bayreuth vorstellen, die man gerade auch jemandem empfehlen kann, der neugierig auf die Welt der Oper ist mit ihrer Musik, ihren Bühnenbildern, Kostümen und vor allem Sängerinnen und Sängern und dabei herausfinden möchte, was die Handlungen der Protagonisten mit einem selbst und unserer Gegenwart zu tun haben könnte.
Zum Glück lassen sich zahlreiche Aufführungen aus Bayreuth auf YouTube oder gar in den Mediatheken des ÖRR in Ausschnitten und sogar in voller Länge abrufen. Sich allerdings eine vierstündige Wagneroper auf dem Handy anzuschauen, verbietet sich eigentlich von selbst …
Die Meistersinger von Nürnberg (Bayreuth 2017)
2017 gab es eine neue „Meistersinger“-Aufführung. Es dirigierte Philippe Jordan, die Inszenierung ist von BARRIE KOSKY, Intendant und Chefregisseur der Komischen Oper Berlin.
„Ich finde ‚Meistersinger‘ ein furchtbares Stück. Unerträglich. Es ist mein Albtraum, in den ‚Meistersingern‘ zu sitzen. Für mich ist das ein deutsches Dorf mit all den Assoziationen dieser Menschen, dieses Volkes, dieser Gesellschaft, mit all den Regeln und dem, wie sie reden: Blablablabla!“ [3]
So äußerte sich Kosky fünf Jahre bevor er nach einer anfänglichen Absage dann doch die Zusage für eine Inszenierung dieses Werkes in Bayreuth gab. Und daher gibt es bei Kosky auch nicht eine althergebrachte „biedere“ Aufführung, wie man sie z.B. von Wolfgang Wagner kennt. Koskys „Meistersinger“ kommt im ersten Aufzug als „pralle Komödie“ [3] daher, wo er Wagner selbst und seine Zeitgenossen auf die Bühne bringt: „Wie die Meistersingerschar als hyperaktive Rasselbande in historisierenden Kostümen über die Bühne wackelt … das ist schon sehr, sehr drollig.“ [3]
Doch bei dieser amüsanten Stimmung bleibt es nicht. Kosky, selbst der erste jüdische Regisseur in Bayreuth, thematisiert auch den Antisemitismus Wagners. Ja, wieder einmal. Wagner selbst – als Alter Ego von Hans Sachs – wird im zweiten Akt des Antisemitismus „angeklagt“. Und so endet die Oper im Gerichtssaal der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse …
Das alles mag dem einen oder anderen Opernbesucher unangebracht und zu viel des Guten sein. Aber in dieser Inszenierung scheint mir die Thematik durchaus angebracht sein, weil Wagner halt nur als „Gesamtpaket“ [3] zu haben ist. Und da gehört sein Antsemitismus halt dazu. Ob man will oder nicht.
Die Deutsche Grammophon wirbt auf ihrer Internetseite mit der DVD und Blu-ray von dieser Inszenierung und zeigt einen knapp vierminütigen Ausschnitt.
Screenshot: Hochwald • Deutsche Grammophon
Bemerkenswert an dieser Aufführung ist neben Michael Volle als Hans Sachs (und Wagnerdarsteller) die Besetzung des Sixtus Beckmesser, der in Johannes Martin Kränze einen außergewöhnlichen Sänger mit hervorragenden schauspielerischen Qualitäten gefunden hat. Es ist ein Vergnügen, ihm allein bei seinem Bühnenspiel zuzuschauen.
Hier kann man in die Gesamtaufführung der Meistersinger von 2017 hineinhören und -sehen:
Einen ausgezeichneten hier zitierten Artikel über diese Aufführung findet man auf der Seite NACHTKRITIK, dem „ersten unabhängigen und überregionalen Theaterfeuilleton im Internet.“ [3]
Lohengrin (Bayreuth 2018)
Über den Bayreuther „Lohengrin“ von 2018 habe ich bereits in einem Kommentar auf dem Blog von @trognon de pomme („Beeindruckende Operninszenierungen“) geschrieben.
Diese Aufführung zeichnet sich dadurch aus, dass das Bühnenbild und die Kostüme von einem bildenden Künstler stammen. Der Maler NEO RAUCH hat den gesamten Bühnenraum einschließlich Kostümen in Blau gestaltet. Das ist insofern bemerkenswert, als dass der Lohengrin immer schon synästhetisch mit der Farbe Blau assoziiert wurde. Bereits Friedrich Nietzsche und Thomas Mann taten dies.
Hier ein knapp zweiminütiger Eindruck dieser Inszenierung:
Und in dieser halbstündigen Dokumentation auf 3sat („Rauch-Zeichen über Bayreuth“) gibt es auch Interviews mit Neo Rauch und dem Tenor Piotr Beczala sowie Placido Domingo, der in Bayreuth als Dirigent tätig wurde.
Tannhäuser (Bayreuth 2019)
Der 2019 von TOBIAS KRATZER auf die Bayreuther Bühne gebrachte „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg“ ist vielleicht die „gewagteste“ Inszenierung der letzten Jahre. Nichts für den klassischen Operngänger. Hier wird dem Zuschauer einiges zugemutet: ein Tannhäuser im Clownskostüm (Böll lässt grüßen), eine freche, anarchische Venus, die mit Tannhäuser in einem Kleinbus unterwegs ist und dabei nicht davor zurückschreckt, einen Polizisten zu überfahren. Mit im Bus sitzen als „Erfindung“ des Regisseurs der kleine Oskar mit der (Blech-)Trommel sowie eine aufgetakelte Dragqueen.
Der Mord an dem Polizisten ist schließlich Grund genug für Tannhäuser, diese durchgeknallte Künstlertruppe zu verlassen und sich stattdessen auf den Weg zur Wartburg zu machen, um seine früheren Sängerkollegen und seine „heilige“ Elisabeth wiederzutreffen.
Im zweiten Akt wird der äußerst konservativ gestaltete Bühnenraum von Venus und ihren beiden Mitstreitern regelrecht gekapert, was man zeitgleich zum Sängerwettstreit auf der Bühne auch in einem Video verfolgen kann, wo Katharina Wagner schließlich persönlich die Polizei ruft. Und als wäre all das nicht genug, gibt es im dritten Akt auch noch unerwarteten Sex zwischen Wolfram, dem Gegenspieler von Tannhäuser, und seiner umworbenen Elisabeth.
Wer nun meint, all das habe nun rein gar nichts mit „Werktreue“ zu tun, hat Recht. Vieles hat Tobias Kratzer hinzuinszeniert. Aber dennoch. Wer sich dem Tannhäuser zum ersten Mal nähern möchte, ist mit dieser Aufführung vielleicht ganz gut bedient.Denn es wird visuell einiges geboten. Zeitgemäß, in ästhetischen Bildern und insgesamt künstlerisch gut gemacht.
Wie DIE ZEIT schreibt, macht Kratzer ein „Opern-Roadmovie: packend, spannend und ziemlich lustig. Man will jeden Moment wissen, wie es weitergeht.“ [4]
DER SPIEGEL spricht von einer „kalkulierten Zumutung“, von einem „bunten Reigen mit Witz und doppelten Bildebenen.“ [5]
BR-KLASSIK bringt es gut auf den Punkt: Hier hat nicht ein übersteigerter Regisseur in eigener Überheblichkeit alles einmal kräftig durcheinandergewirbelt und auf den Kopf gestellt, sondern er hat das Kunststück vollbracht, dass „all die Pointen nicht auf Kosten des Werkes gehen. Tobias Kratzer will sich nicht über Wagner mokieren, sondern seine mythisch entrückten Figuren möglichst wirkungsvoll vermenschlichen. Und vor allem lässt er – ganz im Sinne des Grundkonflikts, den der Sängerkrieg verhandelt – zwei Formen von Kunst aufeinanderprallen: Auf der einen Seite die Welt der kanonischen Meisterwerke und der edlen Klassikerausgaben – auf der anderen Seite die sinnliche, spontane Welt der Performance und der Gegenkultur. Wagner war ja beides: Anarchischer Revoluzzer und Klassiker zu Lebzeiten. Wobei Kratzer keine der beiden Seiten verklärt – denn Venus’ Sponti-Truppe wird nicht nur als gewalttätig, sondern auch als käuflich und egoistisch gezeigt.“ [6]
Besser kann man es nicht ausdrücken, um eine solche schrille Inszenierung zu rechtfertigen. Sicherlich ist das alles Geschmackssache und es jedem Opernfreund überlassen, ob er sich auf eine solche Aufführung einlassen will.
2019 dirigierte VALERY GERGIEV – und wurde am Ende ausgebuht. Die musikalische Sensation dieser Aufführung war LISE DAVIDSEN in der Rolle der Elisabeth. „Schon allein um diese Wagner-Ausnahmestimme zu erleben, lohnt der Tannhäuser-Besuch in Bayreuth.“ heißt es auf BR-Klassik. [7]
Leider gibt es auf YouTube keinen Ausschnitt zu dieser Aufführung. Also heißt es, die gesamte Oper in Angriff zu nehmen – oder sich zumindest mit dem Anhören und Anschauen der ersten Minuten einen eigenen Eindruck dieses Kunstwerks zu verschaffen. Nur zu, vielleicht springt der Funke ja über…
Der Fliegende Holländer (Bayreuth 2021)
Dieses Frühwerk Wagners in der Inszenierung des russischen Regisseurs DIMITRI TCHERNIAKOV ist ein guter Einstieg in das Werk Richard Wagners.
Der Oper liegt die Sage vom „Holländer“ zugrunde, der dazu verflucht wurde, in seinem „Geisterschiff“ unermüdlich über die Weltmeere zu segeln, weil es ihm nicht gelang, das Kap der Guten Hoffnung zu umsegeln und er dabei die Naturkräfte verfluchte. Allein die treue und aufrichtige Liebe einer Frau kann den ewigen Seefahrer erlösen.
Dieses Erlösungsmotiv zieht sich durch das Werk Wagners und ist in heutiger Zeit nicht immer sinnhaft nachvollziehbar. Auch beim „Holländer“ klingt der nach Erlösung – durch eine Frau – Suchende etwas antiquiert, auf jeden Fall irgendwie aus der Zeit gefallen und ohne einen realen Bezug zum Hörer: „Wagners egomane[r] Phantasie der Erlösung des Rastlosen durch die selbstlose Liebe einer Frau, die das eigene Leben einsetzt, um den getriebenen Künstler zur Ruhe zu verhelfen“ ist heutzutage auch nur bedingt glaubwürdig: „So geht das heute nicht mehr.“ [8]
Dimitri Tscherniakov bietet einen psychoanalytischen Erklärungsansatz an: Er erfindet zu Beginn der Oper den Selbstmord der Mutter des Holländers, weil diese eine Affäre mit Daland hatte, einem Seefahrer und dem Vater von Senta, der späteren Erlöserin des Holländers, und dadurch sozial geächtet wurde. Der Holländer erlebt diesen Selbstmord als kleiner Junge mit und ist seitdem traumatisiert: „Seine Ruhelosigkeit ist in dieser Deutung nicht die eines von Gott Verfluchten. Dies ist ein Mensch, der nicht zu gesunden Beziehungen in der Lage ist, weil die Obsession der Rache … ihn zum rastlosen Sucher … macht.“ [8]
Und so kehrt er eines Tages in sein Dorf zurück, um sich zu rächen. Spätestens an dieser Stelle kommt einem Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“ in den Sinn. Und so endet „diese Version von Wagners eigentlich romantischer Oper … entsprechend in einer Katastrophe.“ [8] Senta stürzt sich eben nicht in den Tod, um so den Holländer zu erlösen. Vielmehr wird der Holländer erschossen und „Senta bricht erst in wahnsinniges Lachen aus, verfällt dann in apathische Resignation, der Vorhang schließt sich und nichts ist gut.“ [8]
Starker Tobak, was sich dieser Regisseur hier alles einfallen lässt. Er scheint der Aufforderung Wagners „Kinder! Macht Neues!“ [9] wirklich nachkommen zu wollen.
Aber kann man das? Oder besser: Darf man das?
Hierüber gehen die Meinungen sicherlich auseinander. Ebenso wie es nach der Aufführung begeisterte Kritiken gab, sprachen andere von einer „Pipifax-Inszenierung – mit gruseligen Kostümen“, „unterhaltsam, aber belanglos.“ [10][11] So ist das halt mit der Kunst. Gut so, denn Kunst hat sein Ziel verfehlt, wenn man von einer künstlerischen Darbietung weder begeistert noch enttäuscht ist.
Hier der einzige kurze Ausschnitt (8:30), der auf YT verfügbar ist: „Senta’s Ballade“ aus dem zweiten Akt.
Als Senta wurde 2021 die litauische Sopranistin ASMIK GRIGORIAN bejubelt und gefeiert. Sie war der absolute Star auf der Bühne als dramatische und und eben nicht jugendlich-romantische Senta.
Und wer jetzt Lust auf mehr hat, hier ist die komplette Oper.
Es dirigiert die ukrainische Dirigentin OKSANA LYNIV. Sie bekam mit ihrem Bayreuth-Debut durchweg positive Kritiken.
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Quellenangaben
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[1] https://www.mickisch.de/musik/richard-wagner/werktreue/
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Jahrhundertring
[7] https://www.br-klassik.de/aktuell/news-kritik/bayreuther-festspiele-tannhaeuser-kritik-2022-100.html
[9] https://www.presseportal.de/pm/7880/243485#:~:text=Das Motto dafür ist klar,Neues!