Jeder weiß: Diesel zu verbrennen, ist weder nachhaltig noch umweltfreundlich. Daher verabschiedet sich das Land Baden-Württemberg nach und nach von der Diesellok. Das Ziel: Künftig sollen nur noch Alternativen wie klimaschonende Elektrotriebwagen über unsere Gleise rollen.
90 Prozent weniger CO2 bis 2050 – das ist das Klimaziel des Landes Baden-Württemberg. Großer Handlungsbedarf besteht im Bereich des Verkehrs, der immerhin rund ein Fünftel der Emissionen verursacht. Daher will das Land die Fahrgastzahlen im ÖPNV bis 2030 verdoppeln. Denn, wie Verkehrsminister Winfried Hermann weiß: „Zugfahren ist die grüne Alternative zum Autofahren.“
Ende der Diesel-Ära auf der Schiene
Weltweit ist sie zurzeit das am weitesten verbreitete Schienenfahrzeug: Die Diesellok. Sie ist die Nachfolgerin der Dampflokomotive, die seit der industriellen Revolution bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts die Königin der Schiene war. Doch die Weiterentwicklung der Antriebstechnik stieß die Dampflok vom Thron: Elektro- und Dieselfahrzeuge setzten sich durch. Letztere haben vor allem den Vorteil, Treibstoff selbst mit sich zu führen und so große Entfernungen zurücklegen zu können.
Das Problem aber liegt auf der Hand: Die Beschaffung neuer klimaschädlicher Dieselzüge ist nicht mehr zeitgemäß, zumal es inzwischen alltagstaugliche Alternativen gibt. Die erste Wahl: Elektrotriebwagen. Sie punkten mit einem enorm hohen Wirkungsgrad: Ein Motor wandelt die elektrische Energie direkt in Bewegungsenergie um. Das macht die Fahrzeuge leise und ermöglicht eine lokal emissionsfreie Fahrt. Allerdings sind sie auf eine Stromversorgung mittels teurer Infrastruktur wie Oberleitungen angewiesen – und die gibt es nicht überall.
CO2-freier Zugverkehr: Mit Ökostrom ans Ziel
In Baden-Württemberg sind etwa 70 Prozent der Bahnstrecken elektrifiziert, Tendenz steigend. Die elektrisch gefahrenen Zugkilometer sind deutlich höher. Deswegen achtet das Land genau darauf, woher der Bahnstrom stammt. Das Ziel: Alle Elektrotriebwagen sollen mit Ökostrom fahren – also Energie, die aus erneuerbaren Quellen wie Wind und Sonne stammt. „In neuen Verträgen wird konsequent die Verwendung von Ökostrom vorgegeben“, so das Verkehrsministerium, laut dem die Umstellung bereits weitgehend abgeschlossen ist.
Die meisten Oberleitungen fehlen auf weniger befahrenen Nebenstrecken. Diese nachzurüsten ist nicht nur eine Frage des Geldes. Wie lang ist der Abschnitt, wie stark ist er befahren? Gibt es Tunnel, Brücken und Übergänge? Mehrere Faktoren entscheiden, ob und wie schnell eine Bahntrasse elektrifiziert werden kann. Ist dies nicht möglich, müssen Alternativen her. Auf welcher Bahnstrecke wie vorgegangen wird, soll ein Gutachten klären, das zurzeit im Auftrag des Verkehrsministeriums erstellt wird.
Bewährungsprobe für alternative Antriebe
Doch welche Alternativen bieten sich an? Eine Antriebstechnik, die nicht neu ist, sich dank technischer Fortschritte aber immer weiter bewährt: der Batteriezug. Mit Oberleitung verhält sich das Fahrzeug wie ein Elektrofahrzeug, nur dass gleichzeitig die Akkus an Bord des Zuges aufgeladen werden können. Kommt dann ein nicht elektrifizierter Abschnitt, schaltet der Zug auf Batteriebetrieb um. Die Reichweite dieser Fahrzeuge ist zwar deutlich kleiner als die der Dieselloks. Doch damit eignen sie sich besonders für kurze Strecken ohne Oberleitung.
Diese Technik überzeugt: Das Land Baden-Württemberg hat bereits drei Batteriezüge des Typs Mireo Plus B vom Hersteller Siemens bestellt. Die Fahrzeuge werden ab Dezember 2023 auf der Hermann-Hesse-Bahn unterwegs sein. Indessen läuft auch schon der Probebetrieb eines anderen Fahrzeugs: Der Zughersteller Alstom und die Deutsche Bahn testen den TALENT 3 BEMU mit Fahrgästen auf der Gäubahn zwischen Stuttgart und Horb. Dabei handelt es sich um einen konventionellen Elektrotriebwagen, der in Kooperation mit der TU Berlin zum Batteriezug umgerüstet wurde.
Eine weitere Zukunftstechnologie, mit der auch Baden-Württemberg bereits Erfahrungen gesammelt hat: der Wasserstoffzug. Dabei wandelt eine Brennstoffzelle gasförmigen Wasserstoff durch chemische Prozesse in Elektrizität um. Die Energie wird in Akkus gespeist und treibt so einen Elektromotor an. Das einzige Abfallprodukt im Fahrbetrieb: Wasserdampf. Der Brennstoffzellenantrieb ermöglicht dem Fahrzeug eine deutlich größere Reichweite als Batterietriebwagen. Die Züge benötigen aber eine entsprechende Tank-Infrastruktur, die zunächst errichtet werden müsste. Daher tüfteln die Deutsche Bahn und Siemens Mobility zurzeit an einem Wasserstoff-Gesamtsystem: das Projekt „H2goesRail“.
Die Südwestdeutsche Landesverkehrs-GmbH (SWEG) erprobte bis Ende Februar 2022 auf der Zollern-Alb-Bahn den Fahrgastbetrieb mit dem Wasserstoffzug Coradia iLint des Herstellers Alstom. Das Fazit ist positiv: „Sowohl Personal als auch Fahrgäste haben das Fahrverhalten und die leisen Fahrgeräusche gelobt“, so Tobias Harms, Vorsitzender der SWEG-Geschäftsführung. Das Interesse an dem emissionsfreien Zug „war sehr groß“ – auch aus dem Ausland.
Und im Jahr 2024 steht der Probebetrieb eines weiteren Brennstoffzellenzuges in Baden-Württemberg an: Auf der Nordschwarzwaldbahn im Abschnitt Tübingen–Horb–Pforzheim schickt der Hersteller Siemens in Kooperation mit der DB Regio seinen Mireo Plus H auf die Strecke.