Wie sagte schon Paulus? Erkennen ist Stückwerk. Und vor ihm haben das andere Religionsgründer sinngemäß gesagt.

Warum wird man auf Social Media so gerne missverstanden? Gerne, weil es am laufenden Band passiert? Man kann die Uhr danach stellen. Kaum schreibt man etwas, das zum Denken anregen soll, wird genau dieses Denken verweigert und der Karren gegen die Wand gefahren. Warum ist das so? Hat es etwas mit der Intelligenz der Teilnehmer zu tun? Ich glaube nicht. Intelligenz hat viele Gesichter und so leicht lässt sich nicht feststellen, wer intelligent ist und wer nicht.

Es ist etwas anderes: Das Unvermögen, außerhalb einer bestimmten Norm zu denken. Oder anders ausgedrückt: Dieses lineare Denken auf Social Media ist richtig obszön und fördert dementsprechend die Obszönitäten bei seinen Anwendern. Schnell wird der Stab über eine Person gebrochen, die nicht linear denken will, die das verlernt hat oder nie konnte. Auf FuF sind es nicht viele Teilnehmer, die nicht linear denken, vielleicht ist es eine Handvoll. Aufgrund deren Fähigkeit, anders zu denken als die anderen, komplexer, sind sie ständig Stein des Anstoßes, werden bestenfalls "dumm" genannt, schlimmstenfalls wird ihnen alles Unfeine unterstellt, sie werden "Mordversteher" und anderes genannt. Es scheint, als sei der lineare Denker wütend, weil er nicht folgen kann, weil ihm eine Aufgabe präsentiert wird, der er nicht gewachsen ist.

Das lineare Denken ist überall wie eine gemeine Schmeißfliege, die verunreinigt, worauf sie gesessen hat. Ein Lebensmittel, auf dem eine Schmeißfliege sich getummelt hat, ist zu entsorgen. Nicht jeder Keim lässt sich wegkochen oder wegbraten.

Auch im Journalismus ist das lineare Denken präsent. Es ist praktisch, braucht nicht viel Zeit. Dem Leser werden einfache Denkformeln an den Kopf geknallt und er glaubt, was er glauben soll. Prima! So einfach funktioniert die Manipulation denkfauler Massen.

https://volkermuehl.de/ueber-lineares-denken-mehrdimensionales-denken-und-achtsamkeit/

Wenn lineares Denken in der Masse zu seiner Höchstform anschwillt, fühlt man sich immer an eine überlieferte Szene aus dem alten Rom erinnert: Dort schrie die Masse der Lineardenker "Ans Kreuz mit ihm!", obwohl er nichts anderes getan hatte als sich "König der Juden" zu nennen. Ein Verbrechen? Oder nur ein Gag? Ein Missverständnis? Dafür wurde er vom linear denkenden - und fühlenden! - Plebs gekreuzigt. Das Volk fragte nicht viel, wollte nicht viel wissen. Es machte kurzen Prozess. Nicht der römische Statthalter veranlasste die Kreuzigung, nein, es war das Volk und noch dazu das eigene!

Das ist ein historisches Beispiel, wie gefährlich lineares Denken werden kann, wenn es die Massen erfasst.

In der kleinen Welt der sozialen Medien wird man bloß ein bisschen gemobbt, beschimpft oder verleumdet, wenn man nicht verstanden wird. In der großen Welt außerhalb der digitalen Medien muss man aufpassen, nicht unter die Räder zu kommen, heimtückisch angefallen oder gar gemeuchelt zu werden. Der Mord von Paris basierte möglicherweise auch auf einem Missverständnis. Dieses aufzuklären, war dem primitiven Vollstrecker und seinen Auftraggebern nicht möglich. Mörder sind immer Lineardenker. Wären sie es nicht, fänden sie via Verstand, via Vernunft einen Ausweg aus ihrer persönlichen Misere.

Lineares Denken scheint eine Art Waffe der unbewaffneten Masse zu sein. Man wird damit geprügelt, bis man die Flucht ergreift.

Ist das nützlich oder schädlich? Es ist schädlich. Ich wäre deshalb dafür, dass man lineares Denken schrittweise abschafft. Wie man das macht? In den Schulen müssten andere Dinge unterrrichtet werden, solche, auf die es im Leben ankommt. Das eine wäre Bewusstseinstraining. Man kann sein Bewusstsein im Erkennen immer wieder neuer Tatsachen trainieren.

Das andere wäre eben das Lernen komplexe(re)n Denkens. Das lineare Denken hat uns einst die Evolution gelehrt, als es noch Priorität hatte, vor Nashörnern davonzulaufen. Heute brauchen wir das nicht mehr. Heute ist lineares Denken ein Ballast, der jede geistige Entwicklung boykottiert.

https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/die-welt-tendiert-zur-komplexitaet/

https://automationspraxis.industrie.de/allgemein/die-exponentielle-wucht-der-digitalisierung/