Wenn ich mir die Kommunikation in den sozialen Netzwerken und die Menschen überhaupt ansehe, auch jene in den höheren Ämtern, dann wird mir immer klarer, warum ich mir mein weißes Haus am Meer lange Zeit vorreserviert habe. Als ich 17 war und mir in den Discos die Nächte um die Ohren schlug, wusste ich, dass am Ende meines Lebens, als Krönung sozusagen, ein weißes Haus am Meer auf mich warten würde, an einem einsamen Strand gelegen, nur das Meer und ich. Aufwachen mit einer sanften Brise im Gesicht gleich dem zärtlichen Kuss eines Engels, schlafen gehen mit dem Raunen der Wellen im Sonnenuntergang. Und sonst nichts. Damals schon wollte ich nach Miami auswandern, aber Schule und all das andere Zeug hielten mich fest.
Dann habe ich ein halbes Leben lang das weiße Haus am Meer vergessen. Das Leben packte mich von allen Seiten her. Zum Träumen war keine Zeit.
Aber jetzt, jetzt ist es wieder da, das weiße Haus am Meer. Ich sehe es im hellen Sonnenlicht vor mir stehen. Es wartet noch immer. Und es sagt: Komm!
Bald fängt mein letztes Lebensdrittel an, der Stress wird nachlassen und ich werde mehr Zeit und weniger Verantwortung haben. Ich kann es mir dann leisten, auszusteigen. Die Kinder werden selbständig, die Tiere versorgt sein. Worauf sollte ich warten? Man hat nur ein Leben.
Ehrlich gesagt, ich mag "die Menschen" nicht mehr. Jetzt, in dieser Krise, kommt so deutlich zum Vorschein, wie hässlich ihre Seelen sind, falls sie solche überhaupt besitzen. Einen Freund erkennt man in der Not, sagt man. Einen Menschen erkennt man in der Krise.
Wie hilflos müssen sich Dichter, Komponisten und andere empfindsame Seelen gefühlt haben, wenn ihnen die Hunde ans Bein pinkelten? Zarte Seelen streiten nicht. Sie gehen dem Konflikt aus dem Weg.
Auch ich werde das tun. Ich ziehe mich sozusagen aus der Affäre. Ich versäume nichts. Wenn Europa brennt, falls es das tun sollte, werde ich am Wasser sein und nichts davon mitbekommen.
In vier bis fünf Jahren kann ich weggehen. So lange muss das weiße Haus am Meer noch auf mich warten.
