Die Tage werden langsam wieder länger. Gärtner und Hobbygärtner kramen die ersten Töpfchen hervor, um neues Leben anzubauen, sei es leckeres Gemüse für die Küche oder schöne Blumen für den Garten. Die Sonne steigt wieder höher und alles Leben drängt zu ihr. Keimendes Leben tut es zum ersten Mal. Schlafendes Leben kennt diesen Weg schon. In gewohnter Routine öffnet es blinzelnd die Augen, reckt und streckt sich, sobald das Höhersteigen der Sonne die ersten Wärmestrahlen zur Erde sendet.

In kälte- und windgeschützten Ecken nahe dem kleinen, fest gemauerten Schuppen blühen noch kleine Blümchen in Gelb und Rosa. Ich kenne ihre Namen nicht. Sie sind wild gewachsen. Es sieht aus, als wollten sie bis Lichtmess durchhalten und dann wird der Frühling sie in die Arme nehmen. Der Wind erzählt schon von ihrem zärtlichen Liebesgeflüster. Es ist nicht das erste Mal, es zeigt sich nur zum ersten Mal den Augen so klar. Es gleicht einem Bild, von Hand gemalen und doch ist es so real.

Auch was der Mensch nicht wahrnimmt, das existiert. Es existiert jenseits des Horizonts menschlicher Wahrnehmung. Wie viele Welten mag es geben, in denen Blumen dem Frost trotzen? Man kann das Unbekannte sehen, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Alles im Universum braucht seine angemessene Zeit, so auch der Mensch im Kreislauf seines Lebens.

In diesen Tagen rührt sich der Zeiger der Uhr wieder gar nicht vom Fleck. Die Zeit will nicht vergehen, obwohl sie schon längst verstrichen ist. Es ist ein unbegreifliches Phänomen. Die innere Uhr zeigt den Nachmittag an, jedoch die äußere Uhr hängt permanent in den Vormittagsstunden fest. Die Zeiger scheinen sich aneinanderzuklammern. Es kann der kleine nicht weiterrücken, wenn der große es nicht will. Uhr, so bewege dich doch! will man dem mechanischen Zeitmesser zurufen. Ja, man möchte der Uhr Gefühle unterstellen. Ist sie müde? Resigniert sie? Sieht sie keine zukünftige Zeit? Warum ist die innere Uhr schon viel weiter?

Die Seele sieht die fallenden Schatten, doch die Uhr zeigt sich unbeeindruckt. Es ist erst zehn Uhr, du Träumerin! Warum denkst du immer, es sei schon zwölf Uhr vorbei, ja, es sei schon drei Uhr nachmittag, wo der Tag doch erst begonnen hat?

Das Stillstehen der Uhren ist unerträglich. Sie warten, so scheint es, auf ein Wunder, das ihre Räderwerke beschleunigt. Sie warten auf irgendeinen Anstoß von irgendwoher.

Das Auseinanderdriften von gefühlter und gemessener Zeit ist so eigenartig wie die ganze Welt momentan eigenartig ist. Man kommt aus dem Staunen nicht heraus. Die alte Welt kämpft um ihr Überleben, nur die wackeren Blümchen in ihrem Schutzbereich kümmert dies alles nicht. Sie sind nicht zum Philosophieren geboren. Sie blühen einfach und schön. Unbeeindruckt von der Schneehaube dann und wann auf ihren kleinen Köpfen recken sie ihre Hälser zum Himmel, als gäbe es dort für sie etwas Großes zu sehen. Sie sind bereit für das Licht, das die Erde erfüllen wird. Der Winter kann ihnen nichts anhaben. Die schwere Nässe schmelzenden Schnees kann sie nicht knicken, der Sturm ums Haus sie nicht brechen. Sie stehen geschützt in meinem Garten. Ich liebe sie. Sie warten mit mir auf das große Wunder, das unsere Uhren wieder vorantreiben wird..

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Aron Sperber

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