Prag: Streit zwischen Kirche und Politik wegen Staatsbegräbnis für Karel Gott

Einen Tag nach Karel Gotts Tod kam die tschechische Regierung in einer Sondersitzung zusammen und beschloss ein Staatsbegräbnis für Karel Gott.

https://www.gmx.at/magazine/panorama/trauer-karel-gott-regierung-plant-staatsbegraebnis-feiertag-34070086

Warum? Karel Gott war nicht nur ein vielseitiger Künstler mit einer traumhaften Tenorstimme und seiner Heimatstadt Prag (geboren wurde er in Pilsen) bis zuletzt treu, sondern er war auch ein politischer Mensch auf höchster Ebene, ein Botschafter der Musik zwischen Ost und West. Vor kurzer Zeit wurde er von seiner Heimat Tschechien zum "Künstler des Jahrhunderts" gekürt. Wichtig waren ihm nur die Musik und seine Familie. Er hat erst spät geheiratet, im Jahr 2008. In jungen Jahren hatte er die kommunistische "Anticharta" unterschrieben gegen die Charta 77 der Opposition. Später hat er es bereut und er und Václav Havel wurden gute Freunde.

Ist es das, was die Kirche ihm übelnimmt? Was ginge es sie an? Kirche hat nicht politisch zu sein!

Sie mischte sich jedoch ein, zeigte sich höchst empört, nannte das Staatsbegräbnis für den Künstler eine "Gotteslästerung" und "Geschmacklosigkeit". Man muss sich ernsthaft fragen, warum die Kirche ihre Muskeln so spielen lässt. Es erinnert an alte Tage, als sie jeden herausragenden Zeitgeist einen Kopf kürzer machte. Niemand durfte den klerikalen Würdeträgern die Show stehlen.

https://www.swr.de/swraktuell/Karel-Gott-bekommt-doch-kein-Staatsbegraebnis,kein-staats-begraebnis-fuer-gott-100.html

Andrej Babis war ein großer Verehrer von Karel Gott. Sein ganzes Leben hat ihn Gotts Musik begleitet, sagte er. Später, nach dem Fall der Mauer, als Deutschland Karel Gott bereits als Schlagersänger vermarktet hatte, erhöhten sich die tschechischen Produktionen in der Heimat um ein Vielfaches. Statistisch gesehen besitzt jeder Tscheche eine Schallplatte oder CD von Karel Gott. So beliebt war der Sänger in seiner Heimat. Vor seiner Luxusvilla hoch über den Dächern von Prag türmt sich ein Berg von Blumen und Kerzen.

Einzigartig an ihm war nicht nur sein vielseitiges Talent, er sang alles, Operette, Jazz, Rock, sondern auch, dass er trotz seines Vermögens und Erfolges ein einfacher, bescheidener Mensch geblieben war. Kollegen beschreiben ihn als stets freundlich und gut gelaunt. Nie schimpfte er über andere Kollegen. Nie war er feindselig. Er sprach auch bis zuletzt nicht über seine Krankheit.

Das war sein Lieblingslied, das Lied seiner Heimat. Es ist die heimliche Hymne Tschechiens. Man kann den herrlichen Tenor bewundern:

Die Moldau:

Hier singt er das Wolgalied:

Karel Gott war keineswegs nur der schmachtende Schlagersänger, zu dem ihn Deutschland gemacht hat.

Mit 28 Jahren flog er für acht Monate nach Las Vegas, wo er mit den Großen der Musikbranche auftrat, Dean Martin, Frank Sinatra, Sammy Davis junior und wie sie alle hießen. Man nannte Karel Gott später auch den "Sinatra des Ostens".

Die Stasi hatte es in dieser Zeit schwer mit ihm. Sie ließ ihn nicht aus den Augen und er hielt sie auf Trab.

Hier bei einem Auftritt in Las Vegas 1972:

1968 vertrat er Österreich beim Grand Prix mit einem Lied von Udo Jürgens ("Tausend Fenster" ). Die beiden trafen sich 1968 in Cannes und hatten, fast gleichaltrig, viel Spaß miteinander. Hinter ihnen sitzt ein Spitzel von der Stasi mit Sonnenbrille:

Karel Gott hätte sich ein Staatsbegräbnis verdient. Mit seiner grenzüberschreitenden Musik hat er die Menschen zusammengeführt, galt auch als die "Stimme des Prager Frühlings", brachte ein neues, liberaleres Lebensgefühl in die Plattenbauten seiner Heimat. Er selbst sah sich als eine Art von Diplomat, der verschiedene Welten mit seiner Musik begeisterte.

Eines Tages wollte er in Deutschland bleiben, wollte nicht mehr zurück nach Prag. Man legte es ihm als "Fluchtversuch" aus, die Zeitungsberichte überschlugen sich und die kommunistische   Führung zu Hause war ratlos, da er ein guter Devisenbringer für das Land war. Da schaltete sich Leonid Breschnew ein und empfahl den Tschechoslowaken: "So einen lässt man nicht gehen!" Damit war gemeint: Lasst die Zügel locker! Denn von nun an bekam Karel Gott ein Dauervisum und konnte im Westen bleiben, so lange er wollte. Das war ein großes Zugeständnis an ihn. Und er? Er wusste damit umzugehen. Immer wieder kehrte er nach Prag zurück. Dafür liebten ihn die Tschechen. Es erfüllte sie mit Stolz, dass der große Meister einer der ihren war - und blieb. Legendär ist auch sein natürlicher, freundlicher Umgang mit den Fans.

In einem Interview erzählte Karel Gott, dass er immer Angst hatte, wenn er in den Westen fuhr. Zwischen seiner Wohnung in München und dem Haus seines Vaters bei Prag ließ er seinen BMW nie unbeaufsichtigt, tankte nicht, parkte nicht, fuhr die Strecke in einem durch. Er befürchtete, jemand könnte ihm "etwas" ins Auto legen und ihn damit der Stasi ausliefern. Das hätte das Ende seiner Karriere bedeutet, mit der es in der Zeit des Sozialismus steil nach oben ging. In den Cafés am Wenzelsplatz, wo er anfangs auftrat, begegneten ihm die Kellner mit Ehrfurcht.

Der junge Karel Gott 1970:

Diese Stimme! In der Gesangsakademie, die er drei Jahre besuchte, sagte man ihm: Was er habe, könne man in keiner Schule lernen. Damit meinte man die Stimme. Karel Gott sagte einmal: "Jeder Mann möchte gerne ein Tenor sein, denn das sind die Töne, die die Frauen lieben."

Hier 2002 mit Nie mehr Bolero:

Hier beim Blödeln mit Peter Alexander 1970:

Hier singt er Elvis:

Und hier parodiert er Dean Martin:

Karel Gott 1983 in der DDR, Palast der Republik:

Ebenfalls in der DDR, 1987, Polka-Medley:

Hier 1968 in Brasilien:

Leider kann man nicht alles verlinken, um auf die Vielseitigkeit dieses Künstlers hinzuweisen, dessen Brotberuf zu Beginn Starkstromelektriker war und der auch begeisterter Maler war.

Es ist immer sehr traurig, wenn solche Menschen gehen. Man fragt sich dann: Wozu ist dieses Leben gut? Wozu war es gut?

Im Alter von 78 Jahren bekam Karel Gott die Goldene Henne für sein Lebenswerk:

Sein letztes Lied sang er zusammen mit seiner Tochter Charlotte Ella. Es hat inzwischen 19 Millionen Aufrufe, rührt die Fans zu Tränen. Es ist sein Abschiedslied. Herzen erlöschen nicht:

(Das Lied hat im Original deutsche Untertitel.)

Morgen wird der Sarg des Künstlers im Palais Žofín auf der Schützeninsel aufgebahrt, wo sich Freunde und Fans verabschieden können. Zu den Trauerfeierlichkeiten werden 300.000 Gäste aus dem In- und Ausland erwartet. Am Samstag, den 12. Oktober findet ein Requiem im Prager Veitsdom statt. Die Messe wird auf zwei großen Leinwänden übertragen. Andrej Babis wird mit der Familie von Karel Gott erscheinen.

Der Samstag wird dann ein Staatstrauertag in Tschechien sein.

Ruhe in Frieden, Karel Gott! Deine Stimme wird noch lange über Prag erklingen. So schnell vergessen dich deine Fans nicht!

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