Die schöne neue Welt der Social Media hat sehr viele Vorteile: Sie bringt Menschen aus den verschiedensten Teilen der Welt in Echtzeit zusammen, sie macht Leute aus diversen Bereichen dieses Lebens erreichbarer, realer. Sie lässt Nachrichten vielleicht sogar demokratischer, jedenfalls aber lebendiger werden. Jeder darf teilhaben, jeder kann "Journalist" sein oder spielen.An diesem Punkt kommen wir freilich bereits zu den Schattenseiten: in einem anderen Blogbeitrag beschrieb ich bereits die falschen Narrative, die durch die brave New World der Social Media im vermeintlichen arabischen "Frühling" passiert sind: Exil-Libyer und irgendwelche Leute, die den Wüstenstaat vielleicht vom Geographieunterricht kannten, twitterten angebliche Expertisen. Der Großteil davon waren Fehl- oder Falschinformationen. Viele von uns Journalisten glaubten dem Narrativ oder trauten uns nicht, sich ihm zu widersetzen. Ähnliches passierte anfangs auch in Syrien. Hier wurde den Twitter-Experten allerdings erstmals misstraut. (zur Info: ISIS entstand nicht über Nacht, auch wenn Euch Twitterer was anderes erzählen wollten).In den unergründlichen Weiten des Internets werden aber nicht nur Narrative bewusst oder unbewusst manipuliert. Jene, die am lautesten "Lügenpresse" posten, sind übrigens auffallend oft jene, die diese falschen Geschichten auf Facebook, Twitter via Blogs verbreiten.Seit geraumer Zeit kann man nun ein neues Phänomen beobachten: Ein Internet-Mob will entscheiden, wer über was zu berichten hat.Im Sommer stellten sich große US-Nachrichtensender erstmals dieser Meute auf Twitter und Facebook entgegen, die via Shitstorms oder sonstigen Kampagnen "befehlen" wollten, wer aus Israel oder Gaza zu berichten habe und wer nicht. NBC schickte ihren Star-Korrespondenten Richard Engel, CNN beließ ihren erfahrenen Top-Moderator Wolf Blitzer – zehntausenden Tweets zum Trotz. Der Online-Mob tobte. Die Sender oder auch US-Zeitungen ließen sich dennoch nicht beirren. Die Empörungs-Karawane zog weiter.Dieser Tage erlebt nun der deutschsprachige Raum ähnliches:Ja, Medienkritik an Berichterstattung über den – für uns allen unfassbaren Absturz des GermanWing Fliegers – ist natürlich berechtigt. Einige Zeitungen (darunter auch wir) und Sender brachten etwa versehentlich ein falsches "Co-Piloten"-Foto von einem Unbeteiligten. Dafür möchte ich mich hier auch nochmals entschuldigen.Es sind sicher noch einige Fehler bei vielen passiert.Und ja, man sollte medienethische Debatten darüber führen, was man wie bringen sollte. Etwa, ob "Suizid" wirklich so oft betont werden sollte. Oder, ob die Nennung des Namens nicht genau die Intention des mutmaßlichen Täters war. Und - das wäre mir am wichtigsten - ob wir nicht wesentlich verantwortungsbewusster über psychische Erkrankungen berichten sollten.Aber darum geht es dem Internet-Mob nicht - und damit meine ich explizit nicht kritische Geister, die reflektiert argumentieren. Die Empörten, die vermeintlichen "Medienkritiker" streben nicht nach besserer Berichterstattung.Der Mob kann das Unfassbare ebenso wenig begreifen wie wir alle und prügelt virtuell auf die Überbringer der schlechten Nachricht ein - im besten Fall. Er rechnet - oft zu Recht - damit sie Journalisten so verunsichern zu können. Vielleicht will er - siehe arabischer "Frühling" - Berichterstattung aus diversen Motiven manipulieren. Weil er sich ein anderes Narrativ wünscht.Oder, und das ist aus meiner Sicht die wohl größte Gruppe des Internet-Mobs - er will Macht ausüben. Er ist berauscht von seinen vermeintlichen Möglichkeiten durch Empörung Medien und Journalisten zu steuern.Denn die virtuelle "Hängt-Sie-Höher"-Truppe hat - in Deutschland zum Beispiel bereits den Journalisten Tilo Jung, der ein sexistisches Foto gepostet hatte - zu Fall gebracht. Statt eine kritische Frage zu stellen, prügelten sie virtuell tagelang auf den 28-Jährigen ein. Sorry Leute, Euch glaub ich nicht die Kritik an der Sache.In den vergangenen Tagen spürt man nun aber auch im deutschsprachigen Raum ein Umdenken, eine Résistance gegen diesen virtuellen Mob. Ja, jeder macht Fehler. Ja, Journalisten können mitunter auch zu einem Medien-Mob mutieren. Dagegen gibt es aber Medienrichter, Anwälte, andere Medien und einen Presserat, wir haben Korrektive.Zeit diese Korrektive auch gegen den Internet-Mob anzuwenden. Zeit die Motive dieser Dauer-Empörten zu hinterfragen. Zeit, uns nicht mehr nach anonymen Schulterklopfern zu sehnen. Zeit, dem virtuellen Mob endlich die rote Karte zu zeigen.
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