"Bitte Mama, bitte Mama, ich hab so Hunger", fleht ein Mädchen ihre Mutter weinend an. "Es gibt jetzt nix und damit basta", antwortet diese in einem Tonfall der Feuer gefrieren lassen könnte. Das Mädchen ist so dünn, dass man fürchtet, sie könnte gleich zusammenbrechen. "Darf ich Ihrer Tochter etwas zu essen kaufen?", frage ich. Vielleicht hat die Frau ja Geldprobleme. "Mischen Sie sich nicht in meine Erziehungsmethoden ein", faucht die "Dame". Ihre Tochter schluchzt immer lauter. An uns gehen Leute, viele Leute in der U-Bahnstation Karlsplatz vorbei. Auch ich gehe schließlich überfordert weiter.Viele Jahre zuvor: J. weint. Er hat einen Fünfer auf irgendeine Schularbeit bekommen. Er ist sieben Jahre alt und zittert vor Angst. Ich laufe zu seiner Mutter: "Ich habe auch einen Fünfer bekommen", schwindle ich. Meine Mutter reagiert schnell: "Du wirst Dich das nächste Mal mehr anstrengen. Der J. kann mit Isabelle bei uns lernen", sagt sie sanft.J.'s Mama schlägt ihn an diesem Abend nicht.Einige Jahre später. J. kriegt ein Ungenügend und fängt an zu weinen. Unsere Deutsch-Lehrerin, Madame Wewalka, schaut entgeistert. Leise erklären wir ihr, was los ist. Madame (so werden Lehrerinnen im Lycée genannt) ruft J., nimmt seine Schularbeit und zerreißt sie. "Keine Schularbeit dieser Welt ist deine Tränen wert", sagt sie. J's Mutter sollte ihn nie wieder schlagen.Ein Journalist hat dieser Tage mit unsäglichen "Ohrenziehen-Erziehungstipps" für Aufregung gesorgt. 'Die Presse' distanzierte sich von seinen Ergüssen. Das ist gut und wichtig. Und, unsere Gesellschaft? Die ist angeblich entsetzt.

Gut. Empört Euch. Auf Twitter, Facebook, per Aussendungen oder wo immer.Wenn Ihr aber wirklich etwas ändern wollt, dann macht es wie Madame Wewalka: greift ein. Helft den Kindern, statt wegzusehen.