Journalisten – Wie wir uns auf Twitter selbst demontieren. Weder "Superanständig", noch "Superunanständig".

"Ihr seid doch alles üble Handlanger des Kapitals, der Imperialisten, des Westen, der Mächtigen", tönt es seit Monaten Journalisten via E-Mails, auf Twitter, in Blogs, auf Facebook entgegen.

Ok, wir haben es kapiert: In einer Beliebtheitsskala kämen wir direkt hinter Folterknechte (ausgenommen für Masochisten vielleicht) und weit hinter Prostituierte, die in den Augen der zahlreichen Kritiker der Journalisten wohl weit gemeinnütziger und anständiger sind als wir alle zusammen.Fein, wir teilen gerne und eifrig aus - wir können also auch einstecken. Und sollten uns fragen, wie wir es geschafft haben, den Olymp des Hinterhältigen so erfolgreich zu erklimmen. Oder, ob es früher anders war. Hatten uns die Menschen je in ihre Herzen geschlossen?Filme à la "Reporter des Teufels" oder "Citizen Kane" deuten nicht gerade daraufhin, dass wir jemals einen Sympathiepreis gewonnen hätten.Was sich heute geändert hat? Wir kriegen es stärker mit.

Wir steigen auf Twitter häufiger auf unnötige Machtspielchen und den Jahrmarkt der Eitelkeiten ein. Kurz: Wir demontieren uns auch noch eifrig selbst.Sind wir aber wirklich so üble Figuren, die aus irgendwelchen Tiefen emporgestiegen sind, um Menschen zum Bösen zu verführen und zu täuschen?Tausende Journalisten riskieren (und verlieren immer wieder) in den diversen Kriegs- und Krisenschauplätzen dieser Welt ihr Leben. Vom D-Day in der Normandie über die Befreiung der Konzentrationslager der Nazis, von Hiroshima bis Vietnam, von Irak bis Afghanistan, von Syrien bis zur Ukraine sind es Journalisten, die das Schicksal, das Leiden von Menschen im Auge haben, die uns aufklären.Und die vielen jungen Journalisten - egal, ob Online, Print, Radio oder TV - die für einen Hungerlohn zu Reportagen auf der ganzen Welt fahren, um aus den diversen Bereichen des Leben zu berichten? Sie wollen uns aufklären, unterhalten, uns einen Mehrwert bieten. Sie glauben, dass es wichtig ist, auch wenn sie für eine Reportage vielleicht weniger kriegen als ein Kellner in fünf Stunden an Trinkgeldern verdient. Verdienen Sie nicht eine Chance?Man muss uns - sie - nicht mögen. Aber Journalisten berichten überhaupt erst das, worüber man sich auf Twitter später alterieren kann.Machen Journalisten nicht auch Fehler? Klar, oder haben Sie schon einmal einen fehlerlosen Menschen getroffen?Das Vertrauen ist dahin - weil Publikum, Politiker, Lobbyisten, weil auch Journalisten selbst, immer wieder die Glaubwürdigkeit einer ganzen Branche in Frage stellen."Wer nicht meiner Meinung ist, hat keine Integrität" - ist die Kurzformel, die derzeit obsiegt.   Wir haben vieles selbst verursacht, sicher. Aber wie würde eine Welt ohne Journalisten aussehen?Würden dann nur noch Aktivisten (die sich zeitweise als Journalisten ausgeben) - also Menschen, die eine klare Agenda haben - uns "aufklären"? Würden dann nur noch Politiker, Konzernbosse und PR-Berater sagen, was angeblich IST?Man muss uns nicht ins Herz schließen. Das sollte weder unser Ziel, noch Ihr Antrieb sein.Es ist auch richtig, alles kritisch zu hinterfragen. Hinter jedem Artikel, hinter jedem Beitrag aber eine Verschwörung zu wittern, wird Sie - liebe Kritiker - am Ende erst Recht in die Arme diverser "Kommunikations-Profis" treiben, die Ihnen mitteilen werden, was Sie gefälligst zu glauben haben.Sie werden Ihnen vielleicht nicht so eitel wie wir gegenübertreten, sie werden sie aber umso geschickter auf ihre Pfade führen.Kritisieren Sie uns, hinterfragen Sie uns, fordern Sie uns heraus, aber unterscheiden Sie zwischen Aktivisten und Journalisten - differenzieren Sie zwischen Selbstdarstellern und Reportern, zwischen Medienmachern und Propagandisten.Wir müssen berichten, wie es ist. Die Aktivisten erzählen, wie es ihrer Meinung nach sein solle.Und auf Twitter, in Medieninterviews, liebe Kollegen, sollten wir uns vielleicht wieder auf unsere Ur-Aufgaben konzentrieren: Geschichten recherchieren und Blatt machen statt uns ständig mit der Konkurrenz zu beschäftigen.Wir sind weder "Superanständig", noch "Superunanständig". Weder Handlanger von Wolfgang Schäuble, noch von Yannis Varoufakis. Weder Heilige, noch Teufel. Auch wenn auf Twitter täglich ein anderer Eindruck entsteht.

2
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:01

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:01

13 Kommentare

Mehr von Isabelle Daniel