Maret Hosemann / pixelio.de http://www.pixelio.de/media/574082

Soviele Krokodile gibt es auf der Welt nicht, dass ihre Tränen für jene reichen würde, die hier und anderswo vehement „die Spaltung“ beklagen. Bewundernswert auch die Leichtigkeit der Pirouette, mit der Menschen, die auf der einen Seite der kleinen Kugel, die ihnen die Welt bedeutet, nichts auslassen, um hemmungslos zu spalten, und auf der anderen Seite genau diese Spaltung beklagen. Genau diese? Natürlich nicht. Das Dilemma ist halt, wenn man erst einmal begonnen hat, die Welt zu spalten, dass man auch sich selbst damit auf einem abgespaltenen Teil positioniert. Und womöglich draufkommt, dass dieser Teil sogar der kleinere sein mag gegenüber dem abgespaltenen Rest.

Auch ich habe lange Zeit Spaltungen für ein Übel gehalten. Tu‘ ich immer noch, aber zurzeit halte ich saubere Spaltungen für das kleinere Übel. Ich bin dafür, dass sich die, die sich für „das Volk“ halten, weiterhin als muntere Spaltpilze gerieren … eine Übung, die sich zunehmend zur Minderheitenfeststellung entwickelt. Was im Übrigen auch den Schaum vorm Mund des kleinen Drittels erklärt.

Ich bin dafür, dass alle, die sich auf ihr „man wird doch wohl noch sagen dürfen!“ berufen, auch weiterhin das sagen, was sie zu sagen haben. Man wird doch wohl noch anderer Ansicht sein dürfen, halte ich, hemmungslos spaltend, dem entgegen. Das ist dialektische rhetorische Praxis, viel linker, als es manchen lieb sein dürfte. These – Antithese – Synthese. Wenn’s gut geht … die Dynamik einer sauberen Spaltung seziert ja zunächst einmal fein säuberlich die Unterschiede, spaltet sozusagen das Material, das auf den Tisch kommt, bevor sich eine Synthese ergeben mag.

Dafür bräuchte es allerdings Kombattanten, die diskutieren können. Die von einer Haltung ausgehen, bei der es nicht darum geht, ob These oder Antithese gewinnen oder mehr grüne Daumen abfangen, sondern darum, dass der eigentliche Gewinn in der Formulierung einer Synthese bestünde. Wo das unmöglich erscheint – oder bis das möglich erscheint –, ist die saubere Spaltung nichts weiter als ein realistisches Anerkennen von Positionen, die derzeit nicht zusammenzuführen sind.

Wenn an die Stelle von Argumenten allerdings fundamentalistische Glaubenssysteme treten, ist es aus und vorbei mit der Dialektik. Wer sein Seelenheil im Glauben findet, in den klaren Gewissheiten, die ihm seine Dogmata bieten, kann sich nicht auf die Diskussion von Antithesen einlassen. Die/der muss missionieren, nach Möglichkeit Proselyten machen, und wo das nicht gelingt, muss zumindest der Rest der Welt als ungläubig gebrandmarkt und bekämpft werden. Auch da braucht es keine Argumente mehr, das geht über das schlichte Spaltungsmerkmal „wir und die anderen“.

Jedes abwägende Aufweichen der dogmatischen Haltung würde im Gegenteil den Gruppenzusammenhalt schwächen. Was stärkt, sind Feindbilder, und einer übersichtlichen Handvoll davon begegnen wir hier ja auch in penetranter Wiederholung. Und in faszinierender semantischer Verwirrung – wenn zum Beispiel in hübscher Regelmäßigkeit Menschen, die sich um keinen Preis der Welt als Rechte apostrophiert sehen möchten, ihre Feindbilder als Linke subsummieren, dann sagen sie damit mehr über ihre de-facto-Positionierung aus, als ihre Abwehr zurechtzurücken vermag.

Schmunzeln muss ich auch, wenn „links“ und „grün“ oder – Gipfel allen Übels – „linksgrün“ und dergleichen mehr mit eindeutig abwertendem Unterton, nicht selten im Duktus einer Invektive, benutzt werden. Ich wüsste keinen engagierten Linken, keine überzeugte Grüne, die ein Problem damit hätte, auch so gesehen zu werden. Man/frau hat eine Haltung, und man/frau steht dazu. Nur im rechten Drittel scheint das anders zu sein. Ich verstehe, dass man sich schämt, als rechts zu gelten oder als blau, ich verstehe das sehr gut. Aber wenn jemand überzeugt rechtes Gedankengut vertritt, warum denn nicht dazu stehen, erst recht, wenn es offenkundig ist …

Ich glaub’s aber eh, dass viele, die in die Sprechchöre der rechten Narrative einstimmen, sich nicht als Rechte und schon gar nicht als Neofaschisten fühlen. Viele sind einfach ang’fressen und wollen endlich einmal mit dem Löffel in die Suppe schlagen. Wohl wissend, dass man/frau das nicht tut. Und gleichzeitig sehend, dass etliche andere das auch tun … also: „Man wird doch wohl noch mit dem Löffel in die Suppe schlagen dürfen!“ Ja eh. Pech nur, dass man sich vor allem selber mit der Suppe anspritzt, und wenn’s eine braune Suppe ist, dann hat man braune Flecken. Bis zum nächsten Waschgang … fast hätt‘ ich Wahlgang geschrieben.

Spaltungen und Haltungen. Thesen und Antithesen … Synthesen gelingen dort, wo sich Kompromissbereite zusammenfinden und ihre Unterschiede als wertvolle Ressource rekonfigurieren. Wo das geschieht, kann die Kunst des Kompromisses kreative Überraschungen zeitigen. Übrig bleiben immer die, die ihre Gläubigkeiten blind an der einen oder anderen Seite festgemacht haben und dann draufkommen (oder nicht), dass die Welt anders funktioniert. Dort, wo sie funktioniert.

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