Ich habe lange genug in der Werbung gearbeitet, um zu wissen, dass es unsinnig ist, Slogans rational auf ihren Inhalt abzuklopfen. Es geht dabei um Emotionen, es geht um die Assoziationen, die solche Sprüche auslösen. Es geht vor allem ums Wir-Gefühl bei politischen Plakaten – ich denke, noch nie ist jemand von Plakaten überzeugt worden. Nixdesto schau ich mir die neuen Hofer-Plakate einmal mit „der Stimme der Vernunft“, also rational an …

Macht braucht Kontrolle.

Da hat er recht, der Hofer. Ich fürchte nur, er meint das nicht ganz so, wie Kontrolle der Macht in einem demokratischen Rechtsstaat gedacht ist. Für die Kontrolle der Regierungsmacht ist das Parlament zuständig. Ich räume auch gern ein, dass angesichts der österreichischen Realverfassung diese parlamentarische Kontrolle erbärmlich ausgeprägt ist. Das ginge auch den 3. Nationalratspräsidenten an (heißt der nicht Hofer?), der diesbezügliche Reformvorschläge einbringen könnte. Ich habe noch keine gehört von ihm … und selbstverständlich funktioniert seine FP im Parlament genauso wie die anderen Parteien auch, inklusive aller Rituale und mehr oder weniger demokratischen, informellen Konventionen wie Klubzwang etc. Wenn man sich das FP-Abstimmungsverhalten in dieser Legislaturperiode inhaltlich anschaut, würden manchen blaunen WählerInnen die Augen übergehen. Aber so tief ins Eingemachte will ja eh niemand graben.

Was wir sicher nicht brauchen, ist ein Machtmissbrauch des Bundespräsidenten. Die vage in den Raum gestellten blauen Wunder des Norbert Hofer bis hin zur Entlassung der Regierung und der Auflösung des Nationalrats offenbaren kein bisher ungenutztes, willkommenes Kontrollpotenzial, sondern eine ehebaldigst zu schließende Lücke in der Bundesverfassung. Nach welchen Kriterien ginge ein UHBP bei welchen Anlassfällen vor, egal welcher Präse auch immer? Nach welchen Maßstäben maßt er sich Kontrolle an? Aus dem Bauch heraus oder auf dem Boden irgendeiner Ideologie? Dass einem Präsidenten solche Machtexzesse verfassungsrechtlich zugestanden werden, ist keine Option, sondern ein Skandal.

Ich kritisiere auch van der Bellen hinsichtlich seiner in Aussicht gestellten Weigerung, eine Regierung anzugeloben, die ihm missfällt, auch wenn er es argumentieren kann. Inhaltlich versteh ich ihn angesichts seines konkret genannten Beispiels gut; formell hätte ein Präsident zu respektieren, wenn sich eine parlamentarische Mehrheit nach einwandfreien demokratischen Spielregeln bildet. Realpolitisch sehe ich das Risiko derzeit zum Glück nicht … der potenzielle Juniorpartner der FPÖ kannibalisiert sich gerade selbst; eine Regierungsmehrheit ist eher nicht absehbar. Und wenn’s wirklich ein Hofer als Präse schaffen sollte, dann kassiert die FP den Flashback bei den Nationalratswahlen … das kann sich sehr leicht zum Pyrrhussieg entwickeln, und er muss dann als guter Demokrat eine linksgrünpinke Regierung angeloben … netter Gedanke. Lieber wär’s mir aber allemal, van der Bellen nähme das wahr.

Macht braucht Kontrolle – in manchen Agenden hat UHBP eine durchaus unkontrollierte Machtfülle, die sich wie ein Bodensatz aus monarchischen Zeiten ausnimmt. Wer kontrolliert den Bundespräsidenten? Wenn Hofer mit seinem Plakat vor allem auch diese Frage aufwerfen möchte, dann freu ich mich auf die Diskussion.

Österreich braucht Sicherheit

Ja. Und Heiligabend ist am 24. Dezember. Interessanter wird’s, wenn man darüber redet, welche Form von Sicherheit man um welchen Preis erlangen möchte. Nach wie vor zählt Österreich zu den sichersten Ländern dieser Welt, und zwar mit Abstand. Dass offenbar in jenen WählerInnengruppen, bei denen ein solches Plakat ein Wir-Gefühl stärken soll, das Bewusstsein von Unsicherheit nichts mit den realen Sicherheitsdaten zu tun hat, steht in klaren Kontexten. Wir wissen, wer die Ängste geschürt hat, wir wissen, wer die Narrative vorgekaut hat, die im Hochsicherheitsland Österreich ein Drittel der Bevölkerung offenbar schlecht schlafen lassen. Wir wissen, wer vom Notstand redet, wenn auf 100 Einheimische ein Flüchtling kommt.

Sicherheit ist immer dort am stärksten, wo sie auf Solidarität gegründet ist – wem das zu links klingt, auf Zusammenhalt. Wo solche Solidarität verloren geht, wo sie durch skrupellose Spaltung gefährdet wird, drohen tatsächlich Zustände, die sich niemand wünschen möchte. Wo die Spaltung zynisch und bewusst herbeiagitiert wird, arbeiten die Spindoktoren nicht an Sicherheit, sondern am Gegenteil. Hofer macht sein politisches Geschäft bedenkenlos mit der Verunsicherung – und vor diesem Hintergrund ist sein Plakat nichts als taktische Chuzpe. Österreich braucht Zusammenhalt, nicht gegen, sondern für. Für ein mutiges, weltoffenes Land mit einer vitalen, solidarischen Zivilgesellschaft. Das schafft Sicherheit. Dafür und für nichts Anderes sollte ein österreichischer Bundespräsident stehen.

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