Diese Frage habe ich mir vor ein paar Tagen in der Schlange vor der Sicherheitskontrolle auf dem Flughafen gestellt. Während ich Münzen, Handy und Geldbörse aus den Hosentaschen in den Plastikbehälter räumte, meinen Laptop auf Anweisung aus dem Rucksack holte, Mantel und Schal ablegte, den Gürtel aus der Hose zog und durch den Metalldetektor marschierte.

Ich habe regelrecht gesucht nach der Furcht, die diesen ganzen Irrsinn erklären könnte. Die betagte Dame, die noch einmal durch den Metalldetektor muss, weil sie ihre Hände in den Hosentaschen hat. Die Geschäftsfrau, die sich genervt aus ihren hochhackigen Schuhen schält. Die Sicherheitsbeamtin, die misstrauisch den kleinen Becher Joghurt im Handgepäck meines Vordermanns beäugt. Allein, finden konnte ich sie nicht.

Eigentlich ist das komisch. Ständig höre und lese ich von der Terrorgefahr, die mit Paris „mitten in Europa angekommen ist“. (Warum eigentlich nicht schon mit London oder Madrid?) Den Horden an europäischen IS-Kämpfern, die als Rückkehrer unsere Städte in Schutt und Asche legen werden. Und den Hasspredigern, die meine Nachbarskinder in islamistische Schläferzellen verwandeln – finanziert von irgendwelchen ausländischen Terrorpaten. Doch trotz dieser beinahe ununterbrochenen Berieselung lässt mich die doch augenscheinlich größte Gefahr unserer Zeit ziemlich kalt.

Das hat zuerst einmal nichts mit einer grundsätzlichen Unbeschwertheit oder gar Furchtlosigkeit meinerseits zu tun – ich kann gleich mehrere gut und weniger gut begründete Ängste vorweisen. Vielleicht bin ich einfach ignorant. Vielleicht liegt es an einer ideologischen Verblendung (allerdings sehe ich auch keine massive rechtsradikale Bedrohung unserer Gesellschaft). Oder aber, und das ist für mich die schlüssigste Variante, ich habe keine Angst, weil es dazu schlicht keinen Grund gibt.

Natürlich: Anschläge wie jener in Paris sind so schrecklich wie verurteilenswert. Was der selbst ernannte Islamische Staat (IS) im Irak aufführt ist eine Katastrophe. Und frauenfeindlichen, antisemitischen oder sonstwie rückwärtsgewandten Ideologien müssen wir uns, wo immer sie auftreten, mit aller Kraft entgegenstellen.

Doch Angst muss uns all das trotzdem nicht machen. Die überwältigende Mehrheit aller Terroranschläge findet weit weg von Europa statt. Es wird hierzulande weiterhin wesentlich wahrscheinlicher sein, bei einem Autounfall zu sterben, als einem IS-Rückkehrer zum Opfer zu fallen. Und gerade bei den schwierigen Fragen der Integrationspolitik sind Angst und Misstrauen ganz sicher keine guten Ratgeber. Sollte Sie also bei der nächsten Terrorschlagzeile die Angst packen, atmen Sie einmal tief durch. Und dann denken Sie noch einmal darüber nach, ob die jeweils neueste Maßnahme zur Terrorbekämpfung wirklich so eine gute Idee ist.

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Herbert Erregger

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Silvia Jelincic

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