A little less conversation, a little more action, please – Georg Lebiszczak ist tot

A little less conversation, a little more action, please

Dr. Georg Lebiszczak 1940 – 2015 auf Erden, ab 2015 überall.

Die Geschichte des Todes meines Vaters ist auch meine Geschichte und die des saudi-arabischen Bloggers Raif Badawi und seiner Familie, allen voran seiner Frau Ensaf. Warum? Nun, ich bin kein sonderlich spiritueller Mensch, ich chante nicht und umarme Bäume nur ganz selten. Aber ich glaube an das Klick. Nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo war ich fertig mit den Nerven. Warum auch immer, mir ist bewußt, daß auf dieser Welt ununterbrochen Gräueltaten passieren. Eine Ahnung aber habe ich. Am Tag nach der Solidaritätsbekundung vor der französischen Botschaft fuhr ich mit meinem Smart in die Arbeit und hörte im Radio zum ersten Mal vom Fall Badawi. 1000 Peitschenhiebe – öffentlich ausgetragen, jahrzehntelanger Kerker, weil er die Botschaft von Gleichheit und Toleranz verbreitet, ein junger Mann, Vater von drei Kindern. Da hat es Klick gemacht. Diese manische Energie, die ich ganz bestimmt von meinem Vater habe, ergriff mich, ich mobilisierte, überlegte, mich auspeitschen zu lassen – an Raifs Stelle, tobte, postete.

Mein Vater, der ausnahmslos jedes meiner Projekte (Abnehmen, Katzenbücher und ähnlichem Kram, natürlich auch mein Blog auf FischundFleisch – er war der stets kommentierende JANGO, was nichts anderes als JANina GO bedeutet) auch zu seinem machte, witterte wie ein kampferprobter Fuchs die Kunde. Ich mache es jetzt kurz, nach der Gründung der Bürgerinitative ARGE RAIF zog ich mich zurück. Die Gräueltaten, die Verletzungen der Menschenwürde gingen mir zu nahe, außerdem forderte mich mein neuer Job.

Mein Vater übernahm mit zwei meiner Freunden, die in den Genuss seiner unglaublichen Power, aber auch seines Platzhirschentums kamen. Mein Vater blühte auf. Weil er seine Energie für einen guten Zweck kanalisieren konnte, aber auch weil er gerne den Bösen, Faulen und Gierigen auf die Füße trat. Es machte ihm einen Heidenspaß. Mein Vater war und ist ein sehr lustiger Mensch mit einem Verstand, der dem der meisten Menschen weit übersteigt. In den letzten Woche wurde er sehr fiebrig in seinen Aktivitäten, ich spürte, er hätte gerne einen ganzen Tross Menschenrechtsspezialisten und Aktivisten hinter sich, um noch mehr zu erreichen – und naja: Chefsein war er gewohnt, als Boss zweier großer Werbeagenturen. Aber auch privat verbrachten wir viel Zeit, er kam zu Charitypartys oder Konzerten (am liebsten Blues), die ich besuchte. Fast jeden Sonntag fuhren ich und mein Freund zu meinen Eltern, es war immer lustig und anstrengend, weil wir beim Infoaustausch zum Schreien neigen, also alle bis auf meinen Freund.

Mehrmals in den letzten Monaten dachte ich an den von mir schon von klein an immer als „schlimmsten Moment meines Lebens“ titulierten Tag – das Ableben meines Vaters. Komischerweise war die Panik, die ich sonst dabei empfand, verschwunden. Ich wusste nur: Verbringe möglichst viel quality time mit ihm. Und das passierte, mehr sogar als davor. Unkitschig, pragmatisch, aber auch liebevoll. So wie wie wir eben sind. Ich wusste nicht, dass er am 14. April 2015 auf dem Human Rights Talk des Ludwig Boltzman Institutes am Jurdicum sprach. Er war ja dauernd unterwegs. Fitnesscenter, Schach, Ausflüge, er besuchte unter anderem eine alte Frau, um die sich keiner mehr scherte. Aber am allerliebsten war er mit jungen Menschen zusammen und ich war da – eh klar … oft das Bindeglied. Das habe ich gerne gemacht. Wirklich und wahrhaft, auch wenn es mir manchmal bisschen peinlich war (typische Tochter-Vater-Sache), aber dann sah ich, wie gut er bei meinen Freunden und Bekannten ankam.Er wurde fast kultisch verehrt. Er hatte einen Heidenspaß.

In der Nacht von 14. April auf 15. holten mich vier Polizisten aus meiner Wohnung und brachten mich zu meiner Mutter in den 19ten Bezirk: „Ihr Vater ist verstorben“. Ich finde keine Worte für das, was ich gefühlt habe. Heute kann ich schon die Dimension des Geschehenen verstehen – und ich bin von ihr überwältigt. Mein Vater - das weiß ich dank der lieben Mails der Anwesenden – hielt eine flammende Rede für Raif Badawi, auch darüber, dass Theorie nur lahmes Larifari ist und wir Aktionen setzen müssen, um für Menschenrechte zu kämpfen. Er hatte das Buch 1000 Peitschenhiebe – Raif Badawi (Ullstein Verlag) in der Hand, aus dem am 5. Mai in der Buchhandlung Leporello gelesen wird – ein Event, den ich und mein Vater organisierten. (Anmeldungen auf leporello.at).

Ich kenne seine flammenden Reden, er war ein fantastischer Redner und auch die Zuhörer bestätigen mir das nun im Nachhinein. Nach seinem Vortrag brach er zusammen und starb, starb schnell – vor den zukünftigen Menschenrechtsanwälten und Aktivisten. What a coup. Eine junge Frau (er liebte Mädchen, weil er sein „Töchterlein“ so liebte) hielt seine Hand. Sie wird mich bald besuchen. Mein Vater starb nicht vor mir oder meiner Mutter, er schlief nicht ein, er war ein Checker, er deponierte vor diesen Menschen seinen größten Wunsch: Kämpft weiter, seid schnell, seid klug, bleibt dran. Mein Vater starb auf der Bühne. Er hat bis zum letzten Atemzug gemacht, was er wollte, dieser große, geniale Sturkopf. Er hat sich überanstrengt, weil er sich überanstrengen wollte. Er brannte. Ein Rockstar. Ja. Ein Rockstar. Kein Heiliger, ein Mensch, mit teuflisch schlauen Augen. Mit einem riesigen Herzen. Er hat mir die Welt gezeigt, mich immer unterstützt, aber mir auch ins Gewissen geredet. Er war auch mein Freund. Er ist mein Freund. Er wusste genau wie ich bin und umgekehrt ist es genau so.

Wie eingangs erwähnt: Ich bin kein großer Esoteriker. Dass die Energie, die unseren Körper antreibt, allerdings ein Fakt ist und dass diese wie jegliche Energie nicht verschwindet, ist mir klar. Mein Vater ist überall. Aber nicht nur im Regen, in den Sonnenstrahlen, im Wind, in den Bäumen. Er ist in mir (ich habe zu gleichen Teilen seine guten und negativen Eigenschaften, zb können wir beide keine Mahlzeit zu uns nehmen, ohne uns und alles um uns herum anzupatzen), aber er ist auch und vor allem in seinem Kampf für das Gute. Für Freiheit, für Vernunft, für Herzensbildung.

Mein Vater starb im Reinen mit sich und seiner Familie. Und deswegen gehören jetzt auch Raif Badawi und seine Familie samt der entzückenden Ensaf zu unserer Familie. Wir wurden vereint durch das Klick im Auto, durch den Abgang meines Vaters von der Bühne der Lebenden. Raif Badawi und alle anderen gegen das Menschenrecht, gegen die Würde gefangenen Menschen muss dasselbe erleben können wie mein Vater. Er muss mit seiner Familie vereint sein dürfen, er muß frei sprechen dürfen – so wie wir es konnten und können!

Liebe Freunde und Fans des großen Georg Lebiszczak aka Schorschi aka Daddy Cool aka PapaufZack, des Powermannes der ARGE RAIF: Besucht die Lesung, kommt zum Begräbnis, dessen Datum ich bald bekannt geben werde. Der Körper meines Vaters wird verbrannt, weil er ja auch brannte – für seine Familie, für seine Ideen. Die Feier wird würdevoll, aber lebensbejahend sein. Ich und die ARGE RAIF und jene jungen Menschen, die die gute Welt von Morgen gestalten werden , jene die ihm die Hand hielten am Weg nach drüben, werden eine Foundation im Namen von Georg Lebiszczak gründen, in deren Namen weiterhin Aktionen gesetzt werden. Ganz nach Papas Motto: A little less conversation , a little more action, please. Die Kontonummer folgt ebenso demnächst hier und auf der Parte. Tune in:https://www.facebook.com/events/652599704844295/https://www.facebook.com/groups/freedom4raif/?fref=tsLang lebe Georg Lebiszczak, lang lebe JANGO. Janina

1000 PEITSCHENHIEBE, RAIF BADAWI: BUCH PRÄSENTATION & LESUNG @ LEPORELLO

Anmerkung der Redaktion: Auf Wunsch von Janina wird das Profil ihres Vaters auch auf fischundfleisch nicht gelöscht.

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