Kurz vor dem 40er ist es Zeit für eine erste Zäsur. Kolumnistin Janina Lebiszczak versucht herauszufinden, ob das Feuer immer noch brennt wenn man sich vor Stichflammen aller Art lieber fern hält.
In den Tagen vor meinem 40. Geburtstag macht sich ein gewisser Zug zur Nostalgie bemerkbar. Keine Sorge, ich hadere nicht mit hurtig schwindender Schönheit (ein paar Falten um die Augen mehr, das ist es im Großen und Ganzen) oder instabilem Wohlbefinden (ein Kater dauert halt länger). Aber irgendwie weiß man: Halbzeit ist. Ding-Ding-Ding. Das war’s mit der ersten Hälfte des Lebens.
Und was war das für eine Hälfte! Immer brennen, immer rennen, tanzen, tratschen, vögeln, in die entferntesten Länder reisen um dort zu tanzen, tratschen, vögeln, diese unglaubliche Energie, teils völlig sinnentleert verludert. Obwohl. Verludert? Nein, zu dieser Zeit – in den so sagt man „besten Jahren einer Frau“, sprich zwischen 30 und 40 – wollte ich es ja genau so und ebenso der Großteil meiner Freundinnen. Alles war so wahnsinnig bedeutend. Im Nachhinein betrachtet kommt mir mein Dating-Leben wie einziger großer hysterischer Anfall vor. Große Gefühle, sag ich nur. Drama in einer Tour. Extreme Situationen. Aber: Auch jede Menge Gaudi. Auch arbeiten ist man nicht einfach gegangen, das war ein täglicher Kampf. Weil: identitätsstiftend. Wer ist besser, wer ist cooler, wer verdient mehr – und vor allem: wer mit wem und überhaupt. Alles schrecklich aufregend.
Ich habe mal gelesen, dass man mit 20 entdecken will, mit 30 erobern und mit 40... Mit 40 ist man froh, wenn man seine Ruhe hat. Und ganz ehrlich: Das kommt so circa hin. Mit 40 – haben mir jedenfalls andere 40-Jährige verraten, lautet das Daseins-Mantra: Jetzt lebt mich das Leben nicht mehr, sondern ich lebe mein Leben. Sprich: Ich gehe nicht mehr sehendes Auges die Rue de La Gac hinein, sondern vermeide diese eben so gut es geht. Den Umständen entsprechend. Aber brennt man deswegen weniger? Nein, man bespritzt bloß nicht sich selbst und alle Anwesenden noch extra mit Brandbeschleuniger.
Diese Kolumne könnte jetzt an dieser Stelle vorbei sein, saturiert und einen guten Rum schwenkend lehnen wir uns zurück und lassen milde lächelnd unsere Schandtaten Revue passieren. Aber dazu ist es zu früh. Für anderes ist es aber noch nicht zu spät. Langsam verstehe ich warum manche punktgenau zum 40er austicken und sich eine Harley kaufen oder einen falschen Busen. Vielleicht ist es ja gar nicht die berühmte Midlifecrisis, sondern ein langgehegter Wunsch. Ich hingegen habe eigentlich nicht mehr so viele Wünsche, und das ist ein wenig gruselig. Ich habe das komplette Programm der sexuellen Spielarten durch und was ich nicht durch hab, war mir einfach zu ekelig. Ich habe geheiratet und mich scheiden lassen. Ich habe die halbe Welt bereist. Ich habe Champagner aus Schuhen getrunken und bin um halb drei Uhr nachts aufgestanden um zu sehen wie Riesenschildkröten ihre Eier in den Sand legen. Ich hab alles was ich dachte zu besitzen, verloren und bin trotzdem nicht kaputt gegangen. Und was jetzt?
Weise ist man 40 noch lange nicht. Und auf keinen Fall auf der sicheren Seite. Die nächste Katastrophe könnte sich schon ausgehfertig machen, während ich diese Zeilen schreibe. Die Arbeit ist immer noch durchaus aufregend und oftmals eine Herausforderung. Aber: Ich liebe meine Arbeit. Die Dates? Nun date jetzt schon seit fast zwei Jahren relativ dramafrei den selben Kerl. Und ja, ich denke ich werde ihn ewig lieben – aber halt nicht ununterbrochen. Reisen? Nicht mehr so ganz oft – sehr wahrscheinlich weil ich einfach gerne zuhause bin. Trotzdem bin ich nicht still. Ein hungriges Herz ist niemals satt. Vielleicht weiß es jetzt nur, was ihm gut schmeckt. Das Beste ist noch nicht vorbei. Ich freu mich drauf.
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