Der Kunst ihre Freiheit? Nicht in Wien.

Es geht wiedermal um die Wurst. Der Eurovision Song Contest wankt in großen Schritten auf uns zu und Frau Wurst scheint in Wien omnipräsent. Die Frau mit Bart bzw. der Mann im Kleid erhitzt die Gemüter – noch immer oder schon wieder. Denn: Auf dem Plakat des diesjährigen Life Balls gibt sie Klimts berühmte Adele. Mit Kleid, in Gold, mit Bart. Hochgeschlossen. Warum ich das erwähne?

Wir erinnern uns: Letztes Jahr war auf dem Life Ball Plakat ein Zwitterwesen mit nacktem Schniedel im Garten der Lüste zu sehen. Daraufhin verklagten die sogenannten Wutmütter den Veranstalter, der AIDS Charity Ball verlor einen wichtigen Sponsor. Jetzt also Klimt und Adele und Conchita. Immerhin lautet das Motto des diesjährigen Happenings ja auch „Gold". Denn: Die Sezessionisten und das Beethovenfries von Klimt dienten als Inspiration für die lange Reise des Menschen, die im Idealfall in Harmonie mit sich und dem Planeten endet.

Harmonie spielt's aber in unserer schönen Hauptstadt zur Zeit gar nicht. Denn: Auch das Klimt/Conchita-Plakat stößt vielen sauer auf. Das liegt in der Natur der Sache an sich, denn der Wiener sudert einfach gerne und am liebsten über heimische Erfolgsgeschichten. Die Kritik allerdings kommt aus allen Lagern: Homosexuelle Hater unterstellen der Wurst den totalen Ausverkauf. Sie wollen nicht von ihr in der Öffentlichkeit repräsentiert werden. Conchita sei eine narzisstische Rampensau wie alle Dragqueens. Die Heterosexuellen gehen ein Schritt weiter. Und proben den Ausstand. Denn: was soll den das? Ist Schwul sein nicht schon längst normal? Muss man denn immer darauf herumreiten? Ständig provozieren und dann lauthals Toleranz schreien, wenn die Leute einfach nur genervt sind?

Dazu ein kleiner Newsflash. Nein, Akzeptanz und Toleranz sind nicht gang und gebe. Vielleicht in Bobohausen oder in einer von Klatschmagazinen geprägten Welt. Die Realität ist noch lange nicht regenbogenfarben. Ich könnte hierfür so viele Beispiele nenne, bis der letzte Leser eingeschlafen ist. Aber darum geht's ja nicht. Es geht darum, dass das Plakat nicht provokant ist. Es hält sich an jede Regel. Es ist am Punkt. Klimt: Werbung für Wien. Conchita: Werbung für Wien. Song Contest: Werbung für Wien. Positives Image. Politisch korrekt. Das Plakat spielt außerdem mit dem Ball-Motto und greift den Augenzwinger-Effekt der Causa Adele-Kenner auf. Das Bildnis der dereinst heiß begehrten Klimt-Muse wechselte nach langwierigen und aufsehenerregenden Prozessen und der schließlichen Restitution an die Bloch-Bauer-Erben das Land und fand in New York eine neue Heimat. Auf dem Flughafen Wien war daraufhin ein Plakat zu sehen, das für Flugreisen warb und mit „Tschüss, Adele" titelte.

Der Life Ball hat alles richtig gemacht. Aber kann es wie immer nicht Recht machen. Jedenfalls in Wien. Das ist bekanntlich anders. Nicht andersrum.

©  Life Ball / Ellen von Unwerth

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