Ich gebe es zu: Ich bin immo-sexuell. Nichts beflügelt meine Fantasie mehr als der Anblick einer neuen Wohnung – oder gar eines kleinen Häuschens. An einen Bungalow oder eine Designer-Villa mag ich gar nicht denken, das ist fast zu viel des Guten für meinen Synapsen-Salat. Unschuldig, unmöbliert, sonnendurchflutet, verheißungsvoll, die leeren Räume voller Hoffnung, sie versprechen eine neue Chance, eine neue Zukunft. Hach.
Gut, ich habe meine Neigung heute schon besser im Griff als einst, ertappe mich immer noch oft dabei, wie ich als Alternative zu youporn und redtube die gängigen Immo-Portale durchsuche und mir vorstelle, wie ich den weißen Wänden da draußen im Internetz Farbe verleihe. In meinem Kopf plane ich die großzügige Wohnküche, das reduzierte Wellnessbadezimmer samt Dampfdusche und natürlich das perfekte Schlafgemach, in dem dann perfekter Sex praktiziert wird. Früher ging ich noch um einiges weiter: ich habe über die Jahre doch immerhin drei Luxus- Immobilienmakler gedatet. Schmäh ohne. Mit denen ging ich dann auf Besichtigungstour durch Dachbodenausbauten und Stadtrand-Juwele – es ist sogar ziemlich wahrscheinlich, dass ich bereits in Ihrer Wohnung heftig kopulierte – so Sie einigermaßen gehoben residieren.
Mit dem blanken Po am blanken Parkett oder gleich die Whirlwanne entjungfern, ja, das waren wilde Zeiten. Manchmal spielte ich sogar die interessierte wie betuchte Kundin und musste – hartgesotten wie ich nun bin – nicht mal bei Sätzen wie „Ist das Südtiroler Marmor? Oder Adneter? Sonst können sie das Teil gleich warm abtragen!“ oder „Bang & Olufsen für die Home Cinema Anlage? Ist das nicht ein wenig retro?“ kichern. Und jetzt? Jetzt habe ich meine eigene Traumwohnung im Grünen. Eine für Erwachsene. Mit Küchenzeile (hatte ich bis dato noch nie), Bar (hatte ich bereits), diagonal verlegtem Parkettboden und einer freistehenden Badewanne – im Schlafzimmer. Das ist Sex pur, jedenfalls für mich und vielleicht auch für Sie, da meine Vorgeschichte nun bekannt ist.
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Jeden Tag wache ich gegen 5 Uhr morgens auf und kann nicht mehr einschlafen, weil mich der Anblick meiner neuen Bleibe so berauscht. Ja, ich bin frisch verliebt! Habe Schmetterlinge im Bauch! Manchmal drehe das Radio laut auf (mein Fernseher liegt noch quer über der Küchenzeile) und tanze durchs Wohnzimmer – klar sichtbar für die Nachbarn – denn ich habe mehr Fenster als Wände. Manchmal knipse ich alle Lampen an, stelle mich VOR meine neue Residenz (zum besseren Verständnis: ebenerdig!) und schaue hinein. Das ist sehr wahrscheinlich eine Spielart der Immo- Sexualität: der Immo-Voyeurismus.
Ein besonderer Kick: Ich beobachte meine Katzen dabei, wie sie durch die frisch verputzen Räume streichen und alles beschnüffeln. Herrlich! Und nachts? Habe ich heiße Träume. Aber ordentlich. Ungelogen: Die vierte Nacht im neuem Heim und jedes Mal war ordentlich was los. Gott sei Dank! Denn an die tatsächliche und körperliche Durchführung des heiligen Aktes der Liebe ist nicht – oder eben nur im Traum – zu denken. Denn eine neue Bleibe bedeutet auch immer den größten Abturn seit Menschengedenken: Einen Umzug. Ich meld’ mich dann wieder, wenn der Ischias einen neuen Meldezettel ausgefüllt hat.