In wenigen Monaten werde ich 40 und siehe da: Ich habe vergessen, Kinder zu bekommen. Wer mich kennt, weiß: Das ist kein Drama. Diese berühmte biologische Uhr fehlt offensichtlich bei meinem Model Mensch oder ich habe sie unabsichtlich auf lautlos gestellt. Trotzdem hat es mich nachhaltig berührt, also mir eine Kollegin unlängst mitteilte, dass es Gründe hat, warum ihr morgens immer schlecht und schwindlig ist und ihr Busen aus dem Körbchen ufert. Und nochmals: Siehe da: ich habe mich sehr gefreut. Erstens weil jemand, den ich von Herzen mag, schwanger ist – und zweitens: weil ich es nicht bin.
Die einzige von Anfang-bis-Ende-Schwangerschaft im nahen Freundeskreis habe ich leider verpasst, weil die werdende Mutter und ich uns zu dieser Zeit in den Haaren lagen. Sie hatte Probleme mit meinem damaligen Ex (der tatsächlich ein Volldillo war), ich hatte Probleme, dass sie sich von ihrem damaligen Ex so hurtig schwängern ließ (und der außerdem auch ein Volldillo war). Das Ergebnis allerdings ist äußerst liebenswert und neunmalklug. Nun eine neue Chance. Werde ich alles richtig machen? Immerhin wurde ich bereits leicht knatschig, als sie sich das (meiner bescheidenen Meinung nach) falsche Schwangerschaftsbuch besorgen wollte (Das „Mami-Buch“ hat auf Amazon einfach viel besser Bewertungen als dieser moderne yummy-mummy-Mist).
Wie werde ich reagieren, wenn ich merke, dass sich meine lustige, pragmatische, selbstständige Kollegin in eine Macchiato-Mutter verwandelt? Eine, die zur reißenden Bestie mutiert, wenn im Café nicht Baby Latte und Spucktücher auf der Karte stehen? Eine, die sich in einem 20 qm großen Lokal wundert, warum der dicke Luxus-Kinderwagen draußen bleiben muss? Eine, die plötzlich Superfood Smoothies aus dem Bobo 2000 schlürft statt sich wie sonst an der Kantine ein selbstgemachtes Apfel-Kompott zuzubereiten? Eine dauerbrunchende, sich durch Bioläden shoppende Edel-Mum, die ihre Kinder bereits im Kleinstkindalter für das künftige Leben im ständigen Konkurrenzkampf wappnen will. Mama Mia. Grusel.
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Nicht, dass ich wirklich glaube, dass meine Kollegin während ihrer Schwangerschaft eine neue Identität annimmt. Dazu ist sie viel zu erdig. Aber die frohe Kunde war Anlass genug, darüber nachzudenken. Denn auch wenn ich selbst keine haben werde, mag ich die meisten Kinder gerne. Da ist einfach Leben in der Bude, wenn sie lachen, toben, laufen, umfallen, kotzen und weinend einpennen. Weniger mag ich, was viele Eltern heute von ihren Kindern erwarten. Eltern-Kind-Cafes, Buggy-Läden, Baby-Yoga-Studios, ökologisch sanierte Spielplätze und Schritttempo-Straßen gaukeln Erwachsenen in der Erziehungsphase vor, die Welt sei tatsächlich ein einziges Familienparadies. Andere Lebensentwürfe? Gibt es keine. Wer nicht zeugt, ist gescheitert. Und wer gezeugt hat, soll bitte sehr brav mitmachen beim schönen, neuen Leben. Kinder werden zu Fetischen und aus Fetischen wird eine Zielgruppe.
Blöd nur, dass die handgeköppelte Himalayaschafswolle-Mütze nichts nützt, wenn das Kind lieber reinrotzt als sie stolz auf seinem Köpfchen zu tragen. Oder das Grüne Erde-Bettchen um flauschige 2.999 Euro, das zwar das Gewissen der Zeuger beruhigt, das Kindchen jedoch von grellem Micky Mouse-Dekor träumt. Schon klar: In dem der Nachwuchs mit dem Besten vom Guten versorgt wird, beglücken sich die Eltern selbst. Und erzeugen ein Gefühl von Sicherheit. Ich weiß: das alles könnte mir völlig wurscht sein. Ist es mir auch, denn ich und Macchiato-Eltern haben wenig Berührungspunkte. Nur manchmal, wenn ich dieses Gedöns von wegen „Jetzt bin ich endlich erfüllt/nur das ist wahres Glück“ auf Facebook lese oder mich zulange in Wien 7 aufhalte, muss ich auf Distanz gehen. Wegen der absoluten Ironiefreiheit, vor allem in Hinsicht auf einen selbst. Der werdenden Mutter wünsche ich von Herzen alles Glück der Welt. Sie ist stark genug, nicht zum Spielball von unausgelasteten Kampfmamas und der wunderbar weiten Welt der Marketing-Barbiturate zu werden.
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