Und man sie trotzdem nicht verbieten sollte
Sowas gehört doch verboten! Ein typisch deutscher Ausdruck, der durch seine Sprache schon verrät, wie Verbote in der deutschen Öffentlichkeit behandelt werden. Sie werden verwendet um etwas, was in der persönlichen Meinung des „Bürgers“ nicht so sein sollte, in diesen ordnungsgemäßen Zustand des Nicht - Vorhandensein zurückzuführen. Oftmals wenig effektiv. Wenn ein solches Eingreifen des Staates in das öffentliche Leben sogar von einem Großteil der Bürger gefordert wird, deutet das darauf hin, dass diese Verbotsforderer entweder
a) nicht direkt beteiligt sind
oder
b) vor etwas Angst haben, weswegen sie sich an eine höhere Autorität klammern, statt sich des Problems selbst anzunehmen oder es zu ignorieren
Beides muss nicht unbedingt schlecht sein, manchmal schon. Das trifft im Fall des inzwischen wahrscheinlichen Verbots der NPD zu.
Verbot als Zeichen der Ignoranz
Die Deutschen wollen sich nicht von der NPD regieren lassen, wollen keine Neonazis in ihrer Politik Einfluss nehmen lassen, am besten wollen sie mit denen gar nichts zu tun haben. Aber dass man mit ihnen nichts zu tun haben will, gilt in vielerlei Hinsicht. Man will sich auch nicht selber mit ihnen rumschlagen. Die ganzen Befürworter des NPD-Verbotes sind nicht gerade die, denen man auf Gegendemonstrationen gegen PEGIDA & Co begegnet. Sie wollen mit denen wirklich nichts zu tun haben, sehen sich aber auch nicht genötigt, offen Zivilcourage zu zeigen oder den Opfern der rechten Hetze öffentlich beizustehen. Denn alles Unbequeme, dafür ist in Deutschland ja der Staat da. Einfach verbieten, dann haben alle ihr Ruhe, dann hat das Ausland wieder ein besseres Bild von Ostdeutschland, dann kann man sich gut fühlen, weil man gegen die Bösen war. Und gewonnen hat. Dann kriegt man auch das mit den brennenden Flüchtlingsheimen wieder in den Griff. Hauptsache der Staat ist dafür verantwortlich, und nicht der aufgeklärte Bürger, der gemütlich zu Hause sitzt und den Betreffenden von rechten Gewalttaten Solidarität zuspricht, indem er immer wieder betont, wie sehr man die NPD verbieten muss. Aber macht das Neo-Nazis zu braven Jura-Studenten?
Idealismus oder Pragmatismus?
Eine Partei zu verbieten ist ein Verbot, das weniger der normenfestlegenden Art von Regeln entspricht, sondern vielmehr ein administratives, was eigentlich nur klärt, ob die festgelegten Normen in diesem Fall eingehalten werden oder nicht. Darum wird es auch nicht vom deutschen Bundestag (Legislative) ausgesprochen, sondern vom Verfassungsgericht (Judikative). Also geht es zunächst einmal nicht darum, Rechtsradikalismus zu verbieten oder um eine politische Entscheidung, wofür im politischen System Platz ist und wofür nicht, sondern um die Durchführung bestehender Gesetze. Da die Liste der Prädenzfälle gering ist und eine gerichtliche Entscheidung dieses Ausmaßes auch immer eine administrative ist, kann allerdings eine pragmatische Abwägung der Sinnhaftigkeit eines Verbotes sinnvoll sein.
Dass die NPD eine menschenverachtende, ekelhafte Partei ist, sei unbestritten. Die Überlagerung ihrer Wählerschaft mit rechten Gewalttätern ist belegt. Ihre Verbindung zur NSU ist ersichtlich, die eigentlichen Ziele, die sich hinter ihren Parolen verdecken offensichtlich. Die NPD bleibt nicht bei der unwissenschaftlichen Hetze gegen angebliche Wirtschaftsflüchtlinge, wie die AfD. Diese versucht ihre Fremdenfeindlichkeit stets mit irgendeinem rational wirkendem Gedankenkonstrukt zu verschleiern, während die NPD ganz klar auf der Prämisse völkischer Überlegenheit argumentiert. "Geld für die Oma, statt für Sinti und Roma", das ist nicht nur Verschiebung von Statistiken und Heraufbeschwörung von Vorurteilen, das ist chauvinistischer Antiziganismus. Deutsche Bürger sind mehr wert, wenn sie weder Roma noch Sinti sind. "Gas geben" ist keine verkürzte Kapitalismuskritik, wie es der Antisemitismus der neuen Rechten und der stalinistischen Linken ist, das ist ein positiver Bezug auf den Nationalsozialismus, der Punkt an dem sogar das Landgericht Wuppertal Antisemitismus erkennt. Und das sind offizielle Parteislogans, das kann nicht mit dem Argument abgetan werden, es wären ja nur Einzelfälle, wie bei den terroristischen Verbindungen.
Wehrhafte Demokratie
Die Demokratie muss wehrhaft sein, so lautet eine Lehre aus dem Scheitern der Weimarer Verfassung. Dabei ging es den Verfassungsvätern vor allem um den Schutz der "freiheitlich-demokratischen" Grundordnung. Es ging nicht darum, bestimmte Inhalte zu verbieten, sondern die Demokratie zu erhalten. Die Demokratie darf sich nicht selber abschaffen, auch wenn das ein innerer Widerspruch in manchen Augen darstellt, er ist durchaus gut begründet in der Geschichte Deutschlands. Und darin, dass Demokratie nicht nur die Herrschaft der Mehrheit ist, sondern z.B. auch die Absetzbarkeit der Regierung oder der Schutz von Minderheiten. Zweites garantiert die NPD keinesfalls. Doch strebt sie "aggressiv" nach der Abschaffung der Verfassung, was als Rechtfertigung eines Verbots angesehen wird? Ihren Mitteln gemäß nicht, ihren Inhalt gemäß könnte dies schon eher möglich sein. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass die Gesellschaftsform, die die NPD anstrebt durch ihre völkische Prägung mit unserer Gesellschaftsordnung unvereinbar wäre. Ob dieses Urteil juristisch haltbar ist, prüft im Moment das Bundesverfassungsgericht.
Wenn allerdings das Verbot von Parteien, als Schutz der Demokratie, auch eine administrative Aufgabe ist, stellt sich, unabhängig von der Gesetztes Lage die Frage, inwiefern das Verbot effektiv ist, um unser Land zu einem besseren Ort zu machen.
Nutzt das NPD-Verbot irgendjemandem?
Die Grundeinstellung vieler Bürger ist, dass sie, weil sie gegen Nazis sind, auch gegen die NPD sind, und alles, was dieser nicht gefällt, gut sein muss. Doch vielleicht ist das Parteienverbot zwar schlecht für die Rechten, aber genauso schlecht für die Zivilgesellschaft. Zunächst würden viele PEGIDA-Sympathisanten und andere geistige Schattengestalten am rechten Rand eine Verschwörung, die Lügenpresse und "Judenrepublik" am Werk sehen, was diese noch weiter in die rechte Szene abdriften ließe. Zwar würde man die NPD nicht mehr durch Parteienfinanzierung unterstützen, dafür hätte man auch kein Druckmittel mehr gegen sie in der Hand. Kein NPD Funktionär müsste sich mehr in seiner Hetze zurückhalten, aus Angst vor dem drohenden Verbot. Beobachten und kontrollieren ließe die Szene sich außerdem nach einem Verbot der NPD um einiges weniger.
Außerdem, und das ist entscheidend, würden alle NPD-Kreuzchen auf den Wahlzetteln zur AfD rüber rücken, es ist ja nicht so als würde man die NPD-Wähler gleich mitverbieten. Die AfD würde noch weiter nach rechts ihre Netze auswerfen, und die NPD Stimmen, die bisher aufgrund der 5%-Hürde nie die Ergebnisse der Bundestagswahl beeinflusst haben, hätten dann tatsächlich Einfluss auf die Sitzverteilung im Bundestag.
Man muss sich nichts vormachen – rechtsradikales Gedankengut kann durch Verbote nur schwer vermieden werden, viel eher provoziert man damit einen Opfermythos, eine Verschiebung oder sogar Bündelung der rechten Kräfte. Die Parteienfinanzierung ist lächerlich gering, gegenüber dem Druck, den man dadurch auf die NPD ausüben kann. Und NSU-Terrorismus und ähnliches funktioniert im Untergrund sowieso besser. Außerdem schwächt und delegitimiert jedes Parteienverbot, das eigentlich nur zum Schutz der demokratischen Grundordnung in Ausnahmesituationen gedacht ist, das demokratische System eher, als es zu stärken.
Wer der deutschen Gesellschaft also einen Gefallen tun will, sollte die rechten Kräfte nicht konzentrieren, sondern lieber noch ein paar rechte Parteien gründen. Oder gegen die Neofaschisten auf die Straße gehen, statt vom Staat alles einzufordern, was eigentlich Aufgabe der Bürger sein sollte - die Errungenschaften der Demokratie gegen deren Feinde verteidigen.
shutterstock/Shanti Hesse