Stefan Millius
China ist auf dem Weg zur Weltmacht Nummer eins. Indien ist längst ein globaler Faktor. Brasilien ist vom einstigen Schwellenland zu einer der grössten Wirtschaftsnationen der Welt aufgestiegen. Südafrika erfindet sich gerade mit wachsendem Erfolg neu.
Diese Nationen sind alles andere als geopolitische Leichtgewichte – und sie sind neben anderen Ländern Teil des Staatenverbunds Brics. Dessen wachsende Bedeutung wird nun augenfällig, denn: Auch die Türkei wäre gern dabei. Die Bewerbung des Landes liegt bereits vor. Es könnte schnell gehen mit der Mitgliedschaft.
Das versetzt den Westen in höchste Aufregung. Denn immerhin ist die Türkei auch Nato-Mitglied. Die Zeitung Bild ist ausser sich: «Wenn sich die Türkei einspannen liesse, wäre das ein Skandal!» In Bezug auf Brics spricht sie von «Putins Schurken-Allianz».
China, Indien, Brasilien, Südafrika, eine Reihe anderer Länder und bald vielleicht auch die Türkei: Alles Brics-Mitglieder – und allesamt «Schurken»? Ein bemerkenswert pauschales Urteil über Nationen, die zusammen einen grossen Teil der Weltbevölkerung stellen.
Offenbar gehen angesichts des Treffens in Kasan sämtliche Grössenordnungen verloren. Die Nato ist ein Militärbündnis. Brics ist eine lose Staaten-Allianz von Ländern, die zum gegenseitigen Wohl wirtschaftlich zusammenarbeiten wollen. Was soll sich da gegenseitig ausschliessen?
Und: Was ist so verwerflich daran, den westlichen Grossmächten eine andere Idee gegenüberzustellen? Es gilt wie immer in einem freien Markt: Das bessere Angebot gewinnt. Und derzeit scheinen einige Staaten der Ansicht, die Alternative namens Brics sei der richtige Weg.
Statt von «Schurken-Allianz» zu sprechen, täte der Westen gut daran, darüber nachzudenken, was eine zunehmende Zahl von Staaten in eine andere Richtung lockt.