Vor einem Jahr wurden die Nord-Stream-Pipelines gesprengt. Die Bundesregierung ist an Aufklärung nicht interessiert, sondern zelebriert die Freundschaft mit den als Tätern in Frage kommenden Staaten. So haben sich in der Vergangenheit nur Kolonien gegenüber ihren Kolonialmächten verhalten.
von Anti-Spiegel
27. September 2023 05:00 Uhr
Die Nord-Stream-Sprengung war, darauf muss hingewiesen werden, der größte Terrorakt der Geschichte, wenn man nach der Schadenssumme geht, denn sie übertrifft selbst 9/11 bei weitem.
Der Grund dafür ist, dass der Schaden nicht nur die zerstörten Pipelines sind, sondern auch die Folgeschäden, wie die explodierte Energiepreise, die Gaskrise und die daraus folgende Deindustrialisierung Deutschlands, die mittlerweile auch die Mainstream-Medien nicht mehr bestreiten. Der Gesamtschaden des Terroranschlages ist immer noch nicht absehbar, aber wenn man nur den Wert der Pipelines (ca. 20 Milliarden Euro) und die Hilfspakete der Bundesregierung zur Abfederung der explodierten Energiekosten (weit über 200 Milliarden Euro) nimmt, wird klar, über welche Summen wir reden. Fakt ist, dass dieser Terrorakt Deutschland so schweren Schaden zugefügt hat, wie kein anderes Ereignis seit 1945.
Die Bundesregierung zeigt aber kein Interesse an der Aufklärung des für Deutschland so ruinösen Terroranschlages. Mehr noch: Die Bundesregierung hält sich mit Forderungen, die Schuldigen nicht nur zu ermitteln, sondern auch zu bestrafen und Schadenersatz von den verantwortlichen Staaten zu fordern, zurück. Dass die Täter Staaten waren, ist unbestritten, es gäbe also die Möglichkeit, Schadenersatz zu fordern.
In einem Artikel zum Jahrestag der Sprengung hat sogar die Tagesschau geschrieben:
„Bundeskanzler Scholz sagt seit einem Jahr immer wieder, das Aufklärungsinteresse sei „sehr groß“. Aber stimmt das? Die Nord-Stream-Anschläge sind politisch so brisant – wäre es nicht denkbar, dass die Bundesregierung lieber nicht wissen will, wer dahintersteckt?“
Ein kriegerischer Akt gegen Deutschland
Heute gibt es zwei Versionen über die Täterschaft. Die eine ist die Recherche von Seymour Hersh, der zufolge die US-Regierung die Nord-Streams unter Mittäterschaft Norwegens gesprengt hat. Die andere ist die Abenteuergeschichte der westlichen Medien, der zufolge die Nord-Streams von sechs pro-ukrainischen Aktivisten von einem Segelboot aus gesprengt wurden. Welche der Versionen ich für die wahrscheinlichste halte, ist bekannt, aber darum soll es hier gar nicht gehen.
Beiden Versionen zufolge haben angebliche Verbündete Deutschlands die Nord Streams gesprengt, entweder die USA oder die Ukraine. Niemand bestreitet mehr, dass ein Staat hinter dem Terroranschlag steckt, die Frage, die die Medien, die mit dem Finger auf die Ukraine zeigen, diskutieren, ist nur noch, ob Selensky davon wusste, oder ob seine Streitkräfte oder Geheimdienste das hinter seinem Rücken getan haben.
Da ein Staat hinter dem Anschlag steckt, wird aus dem Terroranschlag ein kriegerischer Akt. Entweder die USA oder die Ukraine haben die wichtigste Energieinfrastruktur Deutschlands angegriffen und der deutschen Wirtschaft unwiederbringlichen Schaden zugefügt, dessen Folgen auch jeden einzelnen Menschen in Deutschland getroffen haben, zum Beispiel durch die explodierten Energiepreise.
Wir erinnern uns an 9/11, als angeblich Afghanistan hinter den Anschlägen auf das World Trade Center stand, was für die USA ein Grund für den Krieg gegen Afghanistan und andere islamische Länder war. Sogar der NATO-Verteidigungsfall nach Artikel 5 des NATO-Vertrages wurde deswegen ausgerufen.
Die Kolonie Deutschland
Und heute? Die deutsche Regierung hat nichts dergleichen getan, sie hat de facto gar nicht auf die Explosionen reagiert, hat danach alle Ermittlungsergebnisse geheim gehalten und tut das bis heute. Als Russland Anfang 2023 im UN-Sicherheitsrat eine unabhängige Untersuchung der Sprengung gefordert hat, war die Bundesregierung dagegen und auch die anderen westlichen Länder haben das abgelehnt. Allen voran natürlich die USA.
Die deutsche Bundesregierung hat die Sprengung schulterzuckend zugelassen und auch danach nicht reagiert. Im Gegenteil.
Den Täter bezahlen?
Laut den Medienberichten über das Thema führen alle Spuren nach Kiew, was demnach auch deutsche Ermittler und Quellen in der Regierung hinter vorgehaltener Hand bestätigen. Das würde bedeuten, dass die Ukraine einen kriegerischen Akt gegen Deutschland verübt hat. Aber die deutsche Regierung fordert nicht etwa die Bestrafung der Schuldigen, sondern schickt Kiew stattdessen weiterhin Milliarden von Euros und Waffen im Wert von weiteren Milliarden.
Das wäre so, als hätten die USA auf 9/11 reagiert, indem sie die Taliban in Afghanistan mit Geld und Waffen beliefern. Das zeigt, wie absurd sich die Bundesregierung verhält.
Auch all die infantilen Erklärungen der deutschen Politiker und Medien, man müsse auf russisches Gas verzichten, solange Russland seine Militäroperation in der Ukraine durchführt, oder solange Putin Präsident ist, sind Unsinn, denn Deutschland kauft weiterhin russisches Gas, nun aber teurer. Die EU ist nun zum größten Abnehmer von russischem Flüssiggas geworden.
Das russische Gas nimmt Deutschland also weiterhin, nur bezahlt es dafür viel mehr als früher, als es noch kostengünstig durch die Pipeline gekommen ist. Die Bundesregierung und auch die EU schaden also der eigenen Wirtschaft und den Menschen in Deutschland und Europa, anstatt Aufklärung über den kriegerischen Akt zu fordern, der gegen sie begangen wurde.
So haben sich im 19. Jahrhundert die britischen Kolonien verhalten, als London ihnen vorgeschrieben hat, was sie zu tun und zu lassen haben. Damals hat Großbritannien diese Länder ausgeplündert und ihre Regierungen, die nichts anderes als Marionetten Londons waren, haben sich das gefallen lassen. Die Parallelen zum Verhalten der heutigen Bundesregierung sind nicht zu übersehen.
Wusste Scholz vorher von den Plänen der USA?
Seymour Hersh hat am Jahrestag des Kriegsaktes gegen Deutschland einen weiteren Artikel mit neuen Informationen veröffentlicht, den ich übersetzt habe. Darin behauptet Hersh, dass Scholz schon früh über die Pläne der US-Regierung, die Nord Streams zu sprengen, informiert war. Abgesehen davon, dass Hersh dafür eigene Quellen zitiert, ist das aber nicht wirklich überraschend, wie ein Blick auf die Chronologie zeigt.
Am 21. Juli 2021 haben Deutschland und die USA die „Gemeinsame Erklärung der USA und Deutschlands zur Unterstützung der Ukraine, der europäischen Energiesicherheit und unserer Klimaziele“ veröffentlicht, über die ich damals berichtet habe. In meinem Artikel bin ich vor allem darauf eingegangen, dass Deutschland wegen Nord Stream 2 eine Menge Geld an die Ukraine zahlen sollte.
Aus heutiger Sicht, also nach der Sprengung der Nord Streams, ist aber ein anderer Abschnitt der Erklärung interessanter. Er lautet:
„Sollte Russland versuchen, Energie als Waffe zu benutzen, oder weitere aggressive Handlungen gegen die Ukraine begehen, wird Deutschland auf nationaler Ebene handeln und in der Europäischen Union auf effektive Maßnahmen einschließlich Sanktionen drängen, um die russischen Kapazitäten für Exporte nach Europa im Energiesektor, auch in Bezug auf Gas, zu beschränken, bzw. auf effektive Maßnahmen auf anderen wirtschaftlich relevanten Gebieten. Diese Zusage zielt darauf ab sicherzustellen, dass Russland keine Pipeline, einschließlich Nord Stream 2, zur Erreichung aggressiver politischer Ziele einsetzt, indem es Energie als Waffe nutzt.“
Aus heutiger Sicht kann man das so interpretieren, als könnte Deutschland schon damals auf Druck der USA einer Sabotage der Nord Streams zugestimmt haben. Das ist natürlich Spekulation, aber was ist besser geeignet, „sicherzustellen, dass Russland keine Pipeline, einschließlich Nord Stream 2, zur Erreichung aggressiver politischer Ziele einsetzt“ als die Sprengung der Pipelines?
Was jedoch keine Spekulation ist, ist die Tatsache, dass US-Präsident Joe Biden zusammen mit Bundeskanzler Scholz am 7. Februar 2022 auf einer gemeinsamen Pressekonferenz erklärt hat:
„Wenn Russland einmarschiert – und das bedeutet, dass Panzer und Truppen wieder die Grenze zur Ukraine überqueren -, wird es Nord Stream 2 nicht mehr geben. Wir werden ihr ein Ende setzen.“
Und auf Nachfrage der Journalistin, wie er dies tun könne, da die Pipeline unter deutscher Kontrolle stehe, antwortete er:
„Wir werden es tun, das verspreche ich Ihnen, wir werden dazu in der Lage sein.“
Da die Frage an beide gerichtet war, antwortete auch Scholz:
„Wir handeln gemeinsam. Wir sind uns absolut einig, und wir werden keine unterschiedlichen Schritte unternehmen. Wir werden die gleichen Schritte tun, und sie werden für Russland sehr, sehr hart sein, und das sollten sie verstehen.“
Scholz hat Biden, ohne Widerworte einzulegen, erlaubt zu sagen, dass die USA der für Deutschland so wichtigen Infrastruktur „ein Ende zu setzen“. Und Scholz war, wie die Bilder der Pressekonferenz zeigen, von Bidens Aussage keineswegs überrascht. Das legt den Verdacht nahe, dass Scholz von den US-Plänen wusste.
Laut Hersh ist das sicher, denn er schreibt darüber:
„Der deutsche Regierungschef galt damals – und gilt auch heute noch – bei einigen Mitgliedern des CIA-Teams als voll im Bilde über die geheimen Pläne zur Zerstörung der Pipelines.“
Auch ohne die Behauptung von Hersh liegt der Verdacht nahe, dass Scholz im Vorwege informiert war, wie diese Aussagen und auch seine Nicht-Reaktion auf die Sprengung der Pipelines im September 2022 zeigt.
Und noch etwas deutet darauf hin, denn nachdem Hersh am 8. Februar 2023 seinen ersten Artikel über die Nord-Stream-Sprengung durch die US-Regierung veröffentlicht hat, hat es keinen Monat gedauert, bis Scholz ganz alleine, also ohne Berater und Presse, am 3. März nach Washington geflogen ist, um Joe Biden unter vier Augen zu treffen. Und nur vier Tage später haben US-amerikanische und deutsche Medien am gleichen Tag die Geschichte von den pro-ukrainischen Hobbytauchern veröffentlicht, die die Nord Streams von einem kleinen Segelboot aus gesprengt haben sollen.
Man muss keine große Fantasie haben, um zu verstehen, warum Biden Scholz am 3. März zu sich zitiert hat. Scholz wurde über das geplante mediale Ablenkungsmanöver informiert und instruiert. Das zumindest hat Seymour Hersh danach berichtet.
Für diese Behauptung mag man Seymour Hersh oder auch mich einen „Verschwörungsideologen“ nennen, aber wer glaubt, dass all das nur Zufälle waren, den nenne ich einen „Zufallsideologen“.
Quelle: Antispiegel