Dagmar Jestrzemski*
Bei den angeblich klimaschonenden Riesenanlagen häufen sich schwere Havarien mit unabsehbaren Folgen für Mensch und Natur – Doch in der Öffentlichkeit wird darüber weitgehend geschwiegen
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In der Nacht vom 14. zum 15. Oktober stürzte ein 80 Meter langer Flügel von einem Windradrotor im Windpark Alfstedt-Ebersdorf im Kreis Rotenburg/Wümme (Niedersachsen) ab. Daraufhin ließ der Landkreis alle acht Windkraftanlagen (WKA) des in Bremen ansässigen Betreibers Energiekontor stilllegen. Die Anlagen von 250 Metern Gesamthöhe waren erst im Mai und Juni 2022 in Betrieb genommen worden.
Bereits im September vergangenen Jahres war in dem Windpark ein Rotorflügel eines anderen Windrads abgeknickt und kurz danach abgebrochen. Aus der Bruchstelle stürzten und rieselten monatelang scharfkantige Trümmerteile und feine Fasern aus 160 Metern Höhe auf die umliegenden Wiesen und Äcker, verteilt über einen Radius von mehr als 1800 Metern um den Windradmast. Erst Ende Februar kam das Unternehmen Energiekontor der Aufforderung des Landkreises nach, die Bruchstücke abzutransportieren und das Areal zu säubern. Bisher erhielten die 50 geschädigten Landwirte keine Ausgleichszahlungen dafür, dass sie ihre Äcker und Wiesen zurzeit nicht oder nur eingeschränkt bewirtschaften können.
Der Landkreis hatte es versäumt, ein Bodengutachten erstellen zu lassen, um die Kontaminierung der Böden durch feine, sogenannte fiese Fasern von Nanopartikelgröße infolge der Havarie festzustellen. Hersteller der Rotorblätter ist General Electric Wind Energy (GE Wind) im niedersächsischen Salzbergen, ein Tochterunternehmen des US-Konzerns General Electric. Erneut knickte am 26. Oktober ein Rotorflügel von dem Windrad ab, das Mitte Oktober bereits einen Flügel verloren hatte. Damit scheint es, dass die bisher strittige Verursacherfrage zeitnah geklärt werden kann.
Weder die Politik noch die Unternehmen der Windbranche haben offenbar Interesse daran, dass Daten und Informationen zu Havarien von Windrädern veröffentlicht werden. Die Schadensfälle sollen wohl nicht in die Schlagzeilen kommen. Nach einer privaten Zählung sind für das Jahr 2022 insgesamt 56 Havarien von WKA dokumentiert, nach 35 im Jahr zuvor, und damit so viele wie noch nie: abgestürzte Rotorblätter, stundenlang brennende Maschinenhäuser in unerreichbarer Höhe und als Novum auch eingestürzte Türme.
Mehr Totgeburten bei Rentieren
Die steil angestiegene Zahl geht vielfach auf Vorkommnisse bei den neuen Anlagentypen zurück, die nochmals um 50 Meter und damit auf eine Gesamthöhe von 250 Metern hochgeschossen sind: Die Nabenhöhe der Türme beträgt 160 bis 175 Meter, der Rotordurchmesser 160 bis 180 Meter. Zum Vergleich: 188 Meter beträgt der maximale Durchmesser des Kolosseums in Rom. Und die Landkreise machen mit. Warum nicht die Windräder noch höher bauen, um mehr „Windausbeute“ (beliebte Wortwahl der sogenannten Windmüller) und damit höhere Einnahmen zu erzielen?
In China, den USA und neuerdings auch in Europa sind in entlegenen Regionen wie Norwegisch und Schwedisch Lappland ausgedehnte Windparks angelegt worden, in denen immer mehr 300 Meter hohe Windanlagen hinzugebaut werden. Von den Wolkenkratzer-Windmühlen erwartet die Branche einen Sprung der Leistung, da sie den stärkeren und gleichmäßigeren Höhenwind abgreifen. Noch ein Vergleich: Der Eiffelturm ist 328 Meter hoch, der Kölner Dom 157 Meter. Dementsprechend intensiv sind die von den gigantischen Industrieanlagen erzeugten Bodenvibrationen, flackernden Schatten, getakteten Geräusche und der gesundheitsschädliche Infraschall.
Von der Verwüstung großer Regionen in der skandinavischen Tundra ist „nur“ das indigene Volk der Sami mit seinen Rentierherden betroffen. Doch die Sami in Norwegen fordern mit ihren Unterstützern den Rückbau aller 151 WKA des Windparks, weil die gigantischen Windräder ihre Tiere verängstigten. Die Zahl der Fehl- und Totgeburten bei den Rentieren soll stark gestiegen sein. Mit ihrer Forderung könnten die Sami Erfolg haben – dann träte der Fall ein, dass dem indigenen Volk Skandinaviens mehr Rechte zugestanden werden als den übrigen Bürgern der EU.
Die zuletzt sprunghafte Größenentwicklung der Windkraftanlagen erinnert an die Parabel vom Turmbau zu Babel. Nur handelt es sich in der Gegenwart nicht um ein einzelnes Bauwerk, sondern um ein ganzes Heer von rohstoffverschlingenden Industrie-Ungetümen in unseren Landschaften und immer häufiger auch in schützenswerten Wäldern – aufgestellt vorgeblich zur Erreichung einer fiktionalen Klimaneutralität, in Wirklichkeit aber, weil das finanzmarktrelevante, grün-kapitalistische Geschäft mit den tatsächlich nicht-regenerativen Naturenergien auch politisch relevant ist und daher kritiklos im internationalen Wettbewerb gestützt wird.
Rotoren länger als eine Boeing 747
Seit 2019 baut GE Rotorblätter von 107 Metern Länge, länger als ein Fußballfeld und 1,4-mal so lang wie eine Boing 747. LM Windpower mit Sitz in Kolding (Dänemark) produziert seit 2019 100 Meter lange Rotorflügel im französischen Cherbourg. Entwickler in Sachsen wollen demnächst zwei 380 Meter hohe Windkraftwerke bauen. Um das Gewicht der Flügel zu minimieren, verwenden die Hersteller fast nur noch die teureren, carbonfaserverstärkten Kunststoffe (CFK). Außer dem tropischen Balsaholz von 50 Bäumen ist in den Konstruktionen unter anderem die PFAS-Chemikalie Bisphenol A verarbeitet. CFK-Materialien erreichen im Brandfall Temperaturen von mehr als 650 Grad und zerfallen zur kritischen Größe von Nanopartikeln, die in die Lunge eindringen können, wie Sebastian Eibl vom Wehrwissenschaftlichen Institut in Erding ausführte.
Brände kann man nicht löschen
In der Allgäuer Gemeinde Fuchstal wurden von September bis Anfang Oktober für drei WKA im Gemeindewald Leeder alle neun Rotorflügel des Herstellers LM Windpower bereits beschädigt angeliefert. Die Nabenhöhe der Windräder beträgt 166 Meter, die Länge der Flügel 80 Meter. Für die Lagerung und den Transport zu den Türmen waren breite Schneisen in den Wald geschlagen worden. LM Windpower wurde 2016 von GE übernommen, blieb aber operativ eigenständig.
Für die Regulierung der Kostenübernahme muss festgestellt werden, ob die Risse in den stark gebogenen Rotorblättern auf dem langen Transportweg von Dänemark über Swinemünde nach Fuchstal entstanden sind oder aufgrund eines Konstruktionsfehlers. Wie es heißt, soll sich die Inbetriebnahme der Windräder durch den Schaden nur um drei Monate verzögern. Die Investitionskosten für den Gemeinde- und Bürgerwindpark belaufen sich auf 22 Millionen Euro.
Im Dezember 2022 brannte bei Losheim im Saarland ein XXL-Windrad des Herstellers Vestas mit Flügeln aus CFK-Kunststoff komplett ab. Die Repower-Anlage war erst 2021 errichtet werden. In der Höhe konnte die Feuerwehr den Brand nicht löschen und ließ daher das Feuer kontrolliert abbrennen. Löschmaßnahmen an Windrädern sind nicht möglich. Die Feuerwehr musste sich auf die weiträumige Absperrung des Standorts und die Bekämpfung von Folgebränden durch herabstürzende Trümmer beschränken, die im Umkreis von mehreren hundert Metern herumflogen.
Im Fernsehen des Saarländischen Rundfunks äußerte sich dazu am 16. Januar Petra Weißhaupt, Mitarbeiterin des Umweltbundesamtes (UBA): Sie sehe keine Gefahr durch gefährliche Fasern. Man wisse nicht, in welchen Umfang „fiese Fasern“ bei derartigen Bränden freigesetzt würden. Da stellt sich die Frage: Warum hat das UBA noch keine einschlägigen Gutachten in Auftrag gegeben? Die Bürger sind ahnungslos hinsichtlich der Gefahrenlage bei brennenden WKA mit der Auswirkung einer großräumigen Verunreinigung von Wäldern und Böden durch Fasern und Nanopartikel. Sie verlassen sich auf das Handeln der Regierung.
Ferner sind Informationen über die erhebliche Kontaminierung der Umwelt mit Schadstoffen infolge der Sprengung von WKA dringend vonnöten. In der Hohen Mark bei Lippramsdorf (Haltern, Ostwestfalen) brach am 29. September 2021 der Turm eines Windrads von 249 Meter Gesamthöhe am Tag vor der Inbetriebnahme zusammen. Das Maschinenhaus stürzte mitsamt den technischen Anlagen und Rotorblättern ab. Das Windrad des Herstellers Nordex konnte nicht zurückgebaut werden und wurde daher im April 2022 gesprengt.
Dafür musste ein 3000 Quadratmeter großes Waldstück gerodet werden. Bundesweit ließ Nordex alle 21 WKA desselben Typs abbauen oder sprengen. Mit der großräumigen Umweltverschmutzung durch Brände, Abbrüche von Rotorflügeln und Sprengungen von WKA weiß hierzulande niemand umzugehen. Stattdessen wird versucht, das Problem noch eine Zeit lang auszusitzen. Die zahlreichen jüngsten Misserfolge und hohen finanziellen Verluste der Erbauer von Windkraftanlagen nicht zuletzt durch schiere Gigantomanie eröffnen keinen Spielraum, um zu weniger gefährlichen und weniger umweltschädlichen Materialien zurückzukehren.
Die Gier der Geschäftemacher mit den Naturenergien mündet in einen selbstzerstörerischen Prozess, wenn die Spielräume des Machbaren mit den physikalisch-technischen Grenzen kollidieren. „Ruiniert der Technologiewettlauf die Windrad-Branche?“ lautete die Überschrift eines Artikels im „Handelsblatt“ vom 25. Juli. Die technische Entwicklung der Windkraft sei rasant, aber sie habe ihren Preis. Die Industrie sei gut beraten zu prüfen, ob das „Immer höher, Immer schneller, Immer weiter“ sinnvoll sei. Fachkräftemangel und steigende Rohstoffpreise setzten die Unternehmen zusätzlich unter Druck.
„Branche macht horrende Verluste“
Nach dem Milliarden-Debakel bei Siemens Gamesa würden viele Beteiligte eine „Pause des Wettrennens“ befürworten. In einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ erklärte Siemens-Energy-Aufsichtsratschef Jo Kaeser: „Bei Wind ist die Situation sehr ernst. Die ganze Branche macht horrende Verluste.“
Bemerkenswert: Der Schlamassel ist trotz jahrzehntelanger Staatshilfen und Milliarden an Fördermitteln aus dem Steuerhaushalt eingetreten. Ferner hat die Bundesregierung das Lieferkettengesetz „bei Wind“ faktisch ausgesetzt. Wendete man es an, stünde endlich auch der totgeschwiegene Öko-Kolonialismus zugunsten der Energiewende-Profiteure am Pranger: die rücksichtslose Ausbeutung von Menschen und Ökosystemen unter Zuhilfenahme von korrupten Strukturen in Drittweltländern. Die Schlagwörter „Klimaschutz“ und „Nachhaltigkeit“ der tatsächlich nicht-regenerativen Windenergie wären im Nu Makulatur.
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)* Anmerkung der EIKE-Redaktion :
Dieser Aufsatz ist zuerst erschienen in der Preußischen Allgemeinen Zeitung; 10. November 2023, S.12; EIKE dankt der PAZ-Redaktion sowie der Autorin Dagmar Jestrzemski für die Gestattung der ungekürzten Übernahme, wie schon bei früheren Artikeln : https://www.preussische-allgemeine.de/ ; Hervorhebungen im Text: EIKE-Redaktion.
Quelle:https://eike-klima-energie.eu/2023/11/14/windkraft-ein-oekologisches-und-wirtschaftliches-desaster/