In meinem letzten Beitrag habe ich die medizinische Betreuung von Schwangeren und Kindern in Österreich gelobt, aber auch auf mögliches Verbesserungspotential hingewiesen.

Ich denke, dass der Mutter-Kind-Pass ein geeigneter Ansatz ist, um alle werdenden Müttern und Kinder optimal zu betreuen. Die neu eingeführte und zur Gänze von der Krankenkasse bezahlte Hebammenberatung zwischen der 18. und 22. Schwangerschaftswoche erlebe ich als große Bereicherung. Denn zum ersten Mal erreiche ich alle sozialen Schichten, eben auch die die es am dringendsten brauchen. Gut situiert und gebildete Menschen wissen meist bereits über Ernährung und gesundheitsförderndes Verhalten Bescheid.

Nun habe ich eben auch Kontakt zu jenen, die sich noch nicht überlegt haben wo zum Beispiel überall Koffein enthalten ist und welche Folgen Rauchen für das Ungeborene haben kann. Immer wieder kommen im Beratungsgespräch auch Fragen zu Themen auf, für die beim Arzt keine Zeit blieb. Beispielsweise: Warum habe ich diese und jene Medikamente verschrieben bekommen? Mein Gynäkologe sagt mein Muttermund ist XY cm lang, was heißt das?

Aber es sind nicht nur medizinische Themen die im Beratungsgespräch Platz finden. Es sind oft ganz intime Fragen oder auch Fragen die nicht so einfach von den Lippen kommen, aus Sorge ausgelacht zu werden. Doch tatsächlich freue ich mich über jede einzelne, weil ich damit das Selbstvertrauen stärken und mögliche Unsicherheiten ausschließen kann.

Manche mögen es bekritteln, dass die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen an das Kinderbetreuungsgeld geknüpft sind, ich bekrittle, dass die Frauen nicht die Wahlmöglichkeit haben, sich alternativ von einer Hebamme betreuen zu lassen. Denn wenn die Schwangere keinen Ultraschall haben möchte, hat sie es bei einem Gynäkologen schwer. Oder beispielsweise beinhalten die ersten Untersuchungen nach der Geburt keine Beratung zu Themen wie Stillen, Wochenbett oder warum Babys weinen. Ein Kind verändert wirklich alles und Eltern brauchen in unserer Ein-, maximal Zweikindgesellschaft wirklich mehr als nur medizinische Sicherheit. Es geht auch um das soziale, intuitive... dass was wir durch die großen Wohnungen und kleinen Familien verlernt haben.

Das erste Lebensjahr ist mir wirklich ein großes Anliegen. Es ist die Zeit in der die Eltern Eltern werden und Partner bleiben wollen. Eine scheinbar unlösbare Aufgabe, wenn man Nachts bei dem Versuch, das schreiende Kind vom Schlafen zu überzeugen, über Windel- und Wäscheberge stolpert. Streits aus Übermüdung und Überforderung sind in dieser Zeit keine Seltenheit. Und nicht alle können oder wollen Unterstützung, egal ob gratis oder zu bezahlen, in Anspruch nehmen. Das ist in meinen Augen legitim.

Dennoch bin ich froh wenn zumindest ein Kinderarzt immer wieder Kontakt zu den Eltern hat um vielleicht Tragödien um geschüttelte oder misshandelte Kinder zu vermeiden oder aufzudecken. Und dann bin ich wieder froh um den finanziellen Anreiz, den die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen bieten.

Die Herausforderungen haben sich seit 1974, als der Mutter-Kind-Pass unter Bundesministerin Ingrid Leodolter eingeführt wurde, sicherlich geändert, die Reduktion der Kindersterblichkeit rückt immer mehr in den Hintergrund, während soziale Themen immer presenter werden.

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Herbert Erregger

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