Letztens durfte ich ein spannendes Wochenende in Graz verbringen. Nicht nur, dass ich eine ehemalige Nachbarin und gute Freundin aus Kindheitstagen, nach über 30 Jahren, wieder getroffen habe (Facebook sei Dank!). Wir beschlossen auch spontan, bei einer 80er-Jahre-Party im PPC die Hacken zum glühen zu bringen.
Zur Erklärung: mein männliches Alter Ego ist absoluter Nicht-Tänzer. Nicht, weil ich es nicht wollen würde. Es ist nur einfach Unsicherheit, die ich gerne mit künstlicher, übertriebener Coolness zu überspielen versuche. Und wer cool ist, tanzt doch nicht. Oder? Seit ich als Jessi unterwegs bin, hat sich das ein wenig geändert. Da gelingt es mir besser, auch mal aus mir rauszugehen. Ausserdem ist es ist mir als Mann auch des öfteren passiert, dass ich schon an der Einlasskontrolle gescheitert bin. So manche Absolventen der Zutritts-Wissenschaften unterstellten mir einen alkoholisierten Zustand, und rechtfertigten damit die Zutrittsverweigerung zum Vergnügen des tanzbeinschwingenden Fitnesstrainings in alkohol- und zigarettengeschwängerter Atmosphäre. Deswegen verging mir in meiner Jugend recht bald die Lust auf derartiges. Jessi hingegen wurde noch nie an einer Disco-Türe abgewiesen.
Nachdem der Abend im stylischen Kaffee des Grazer Kunsthauses (sehr zu empfehlen) begonnen hat, wo die Gesellschaft von zwei auf sechs Personen angewachsen ist, machten wir uns auf den Weg. 5 Mädls und ein gar nicht mal unhübscher Mann als Hahn im Korb.
In der Location angekommen, wurde erstmal ein Bier bestellt. Denn während die anderen Mädls gleich mal die Tanzfläche stürmten, schlägt bei mir in dieser Hinsicht leider immer noch zu oft der Mann durch. Und zwar jener, der viel zu schüchtern und unsicher ist, um einen Schritt auf die Tanzfläche zu machen. Auch Jessi braucht deshalb ein wenig Starthilfe, aber dann geht’s. Und an diesem Abend war es nicht anders.
Die Musik war gut, ich liebe die 80ies. In diesem Jahrzehnt wurde, meiner Meinung nach, die beste Musik gemacht, und die größten Hits fabriziert. Egal, in welchem Genre man sich bewegt. Aber zunächst war eben noch nix mit Tanzen. Also hab ich es mir erstmal mit meinem Bier auf einer freien Sitzgelegenheit gemütlich gemacht und Location samt Publikum begutachtet. Allerdings blieb ich nicht lange alleine. Ein Mann nahm den freien Sitzplatz neben mir ein und begann, mich mit den typisch belanglosen Floskeln anzuquatschen. Von wegen er würde Menschen wie mich bewundern, nämlich unseren Mut, das öffentlich auszuleben (als ob ich eine andere Wahl hätte), und wie toll ich doch aussehen würde. Dabei rückte er mit seinem Sitz immer näher an mich heran. Schließlich wurde mir klar, dass über kurz oder lang seine Hand bei mir landen würde. Ich könnte nun weiter sitzen bleiben und warten, bis es soweit war. Dann hätte ich ihm jedoch die Finger brechen müssen. Als Alternative hätte ich auch auf die Tanzfläche gehen können, soweit war ich allerdings noch nicht. Dachte ich. Denn plötzlich betrat eine Dame das Lokal. Und sie raubte allen den Atem. Die anwesenden männlichen Besucher verloren kurzfristig die Kontrolle über ihren Speichelfluss. Nachdem sie an der Bar ein Getränk erworben hatte, scannte sie die Location und erblickte mich. Gezielt steuerte sie, sicheren Schrittes, auf mich zu und fragte: „Willst du Tanzen?“ Jetzt gab es zwei Möglichkeiten: 1. die coole Socke spielen, und, Desinteresse vortäuschend, ihr eine Abfuhr erteilen. Was, ehrlich gesagt, saublöd gewesen wäre. 2. Augen zu und durch. Alleine der neidische Ausdruck in den Gesichtern der Männer motivierte mich dazu, mir doch einen Ruck zu geben und mit ihr gemeinsam den Dancefloor zu betreten. Nach dem Motto „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt’s sich gänzlich ungeniert“, gab ich mich der Musik hin, und ließ mich treiben. Nach ungefähr einer Minute wagte ich, aufzublicken, und bemerkte, dass man sich kaum für mich interessierte, und wenn, gab es nur freundliche Gesichter. Ich wurde, wieder mal, voll akzeptiert.
Man erlebt aber auch recht interessante Abläufe auf der Tanzfläche. So fühlte ich mich irgendwie von den Mädls, mit denen ich unterwegs war, beschützt. Denn ab und zu landete eine fremde Hand auf meinem Po. Daraufhin bekam der Besitzer der Hand ein Kopfschütteln, und einen Blick von den Mädls zugeworfen, der sagte: „Greif da nochmal hin, und wir amputieren dir deine Hand bei vollem Bewusstsein!“ Süss, oder?
Andererseits übernahm Jessi auch eine Vermittlerfunktion. Denn natürlich kam auch den Mädls mal ein Typ ungut zu nahe. Wenn ein anderer Mann sich dann eingemischt hätte, wäre eine Konfrontation eventuell unausweichlich gewesen. Ist jedoch Jessi auf der Bildfläche erschienen, waren die Fronten sofort geklärt und die Männer zogen sich zurück. Das ist doch Praktisch. Ok, das klingt jetzt so, als wären dort alle Männer aufdringlich gewesen. Weit gefehlt, die meisten waren durchaus nett und charmant. So ließ auch ich mich auf den einen oder anderen, natürlich harmlosen, Flirt ein, und genoss einen billigen Abend, da ich mehrmals von Männern auf Getränke eingeladen wurde.
Nach ungefähr dreieinhalb Stunden durchshaken, beschlossen wir, doch schon ein wenig erschöpft, Richtung nach Hause aufzubrechen. Um vier Uhr morgens war ich endlich in meinem Hotelzimmer angekommen und fiel müde, aber glücklich über einen überaus befriedigenden Abend, ins Bett.