Lange Zeit war es eine der letzten männlichen Bastionen in meinem Leben: meine Band. Auch wenn ich mich bereits vor längerer Zeit vor meinen Bandkollegen als Transgender geoutet habe, und sofort auf Akzeptanz gestoßen bin. Die Frage, ob das innerhalb der Band toleriert wird oder nicht, stellte sich nie. Der Tenor war „wenn du dich so wohl fühlst, dann ist es ok“.
Ich bin auch bald zu manchen Proben als Frau gekommen, nämlich dann, wenn ich vorher als Jessi unterwegs war und es sich nicht mehr ausgegangen ist, zurück zum Mann zu wechseln. Auftritte wurden aber immer als Mann absolviert. En femme auf die Bühne zu gehen, dazu fehlte mir noch ein Stück Selbstsicherheit, und Selbstverständlichkeit. Und ausserdem wollte ich nicht, dass das ganze dann, fälschlicherweise, als Marketing-Gag verunglimpft wird. Wo doch so viel mehr dahinter steckt!
Doch der Wunsch, auch hier den Mann hinter mir zu lassen, wuchs kontinuierlich. In Gesprächen mit Freund/innen wurde ich eigentlich so gut wie immer bestärkt, doch diesen Schritt zu wagen.
Also startete ich die Mission: Zunächst mal war ein Besuch im EMP Store in der Kaiserstraße in Wien angesagt. Zur Erklärung für diejenigen, die damit nichts anfangen können: der EMP Store ist ein Bekleidungsgeschäft für Menschen, die sich in der Rock/Heavy Metal/Gothic-Szene zu Hause fühlen. Aber auch Fantasy-Fans werden hier bedient. Jedenfalls wollte ich mal abklären, ob dort für Jessi ein geeignetes Bühnenoutfit zu erwerben wäre. Klarerweise wurde ich fündig, und ich musste mich wieder mal zusammenreissen, um nicht Opfer meiner Shopping-Sucht zu werden und unkontrolliert zuzuschlagen. Aber die haben schon geile Klamotten…
Nachdem ich also outfit-technisch gerüstet war, offenbarte ich die Idee meinen Bandkollegen. Hier war ich mir ob der Reaktionen nicht ganz sicher. Akzeptanz und Probe im eigenen Proberaum ist eine Sache, ein öffentlicher Auftritt aber schon etwas ganz anderes. Und wieder mal stellte sich heraus, dass die meisten Zweifel lediglich im eigenen Kopf entstehen. Denn alle fünf meiner Kollegen waren sofort begeistert, und meinten, sie würden es cool finden, wenn ich den Gig als Jessi spiele… Somit gab es auch für mich keine Ausrede mehr, hinter der ich mich verstecken konnte. Aber der Motivationsschub durch meine Bandkollegen bestärkte mich, diesen Schritt nun auch tatsächlich zu wagen.
Das Konzert selber war einfach nur genial. Es fühlte sich authentisch an, als Jessi hinter dem Schlagzeug zu sitzen. Gewöhnungsbedürftig waren lediglich die langen Haare. Da ich ja zur Spezies der eigenhaarlosen Transen gehöre, und somit ansonsten dieser Problematik nicht ausgeliefert bin, musste ich erstmal Techniken entwickeln, wie ich, während des Spielens, die ständig ins Gesicht fallenden Haare wieder von dort wegbekomme. Hat zu Beginn sicher lustig ausgesehen…
Von den Gästen wussten natürlich nicht alle darüber Bescheid, dass Jochen eigentlich auch Jessi, bzw in diesem Fall J.J., ist. Es gab so manches überraschte Gesicht, aber keine einzige negative Reaktion. Ganz im Gegenteil. Viele kamen auf mich zu und meinten, dass sie es toll finden, wie ich zu mir stehe und mein Ding durchziehe.
Alles in allem ein gelungener Abend, und ein weiterer Meilenstein in meinem Leben. Danke an alle für die Akzeptanz und den Zuspruch, auch bei meiner Familie, für die es ebenso selbstverständlich war, mich als Jessi auf der Bühne zu sehen. Speziell möchte ich mich aber bei meinen Bandkollegen bedanken, da sie ja mit mir gemeinsam auf der Bühne stehen, und dem Motto „mitgefangen, mitgehangen“ ausgeliefert sind. Euer Back-up hat mir definitiv geholfen. You guys rock!
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