Vor ungefähr einem Jahr wurde ich mit dem Salsa-Virus infiziert. Und das als absolute Nicht-Tänzerin. Vor allem früher war Tanzen in meiner Welt sowas von uncool. Obwohl ich in Wirklichkeit bloß totale Unsicherheit und fehlendes Selbstvertrauen überspielen wollte. Lieber auf der Seite stehen und pseudo-cool an einem Bier nippen. Abgesehen davon, dass ich jetzt lieber Prosecco oder Gin Tonic trinke. Offenbar haben die weiblichen Hormone auch hier ihre Wirkung entfaltet.
Meine Freundin ist schon seit mehreren Jahren tanzend in der Salsa-Szene aktiv. Bevor wir uns kennengelernt haben jedoch ausschließlich als Follower. In der Regel ist das die Rolle der Frau. Da jedoch auch bei Salsa die Männer eklatant in der Minderheit sind, gibt es einige Frauen, die aus der Not eine Tugend gemacht und als Leader, klassisch die Männerrolle, Kurse belegt haben. Die werden auch “Leading Ladies“ genannt. So haben auch wir die günstige Gelegenheit beim Schopf gepackt und gemeinsam einen Anfängerkurs belegt, meine Freundin als Leader und ich als Follower.

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Die Salsa-Szene in Wien ist alles andere als klein. Und äußerst aktiv. Täglich findet irgendwo ein größeres Salsa-Event statt. Selbst an einem Montag kommen mehrere hundert Salsa-begeisterte Menschen zusammen, um sich dem karibischen Feeling hinzugeben. Und das sieht dann ungefähr so aus:
Bereits bei der Ankunft wird überblicksmäßig der Dancefloor gecheckt. Welche Freunde sind anwesend, welche guten Tänzer, wie sind die anderen Mädls angezogen. Nach dem Bezahlen des Eintritts wird das erste Getränk bei der Bar geholt und dann begibt man sich zu einem Platz, der einen guten Überblick über die Location bietet. Der zuvor erwähnte Männer-Mangel macht sich gleich bemerkbar. Denn rund um den Dancefloor stehen bzw. sitzen die Damen aufgereiht wie auf der Stange in einem Hühnerstall und warten auf einen Gockel, der sie zum Tanz auffordert. Und schnell wird klar, die oftmals strapazierten inneren Werte sind hier vollkommen wertlos. Denn während die jungen Dinger so gut wie durchgehend auf der Tanzfläche zugegen sind und von den Herren der Schöpfung umgarnt werden, kann es bei den Ü30-Damen schon zwei oder mehr Lieder dauern, bis sich jemand ihrer erbarmt. Die meisten nehmen die Situation mit viel Humor, was nach dem dritten Gin Tonic definitiv leichter fällt.
Meine Freundin wird öfters von anderen Männern aufgefordert, einerseits natürlich, weil sie supersüß ist, andererseits aber auch, weil sie tatsächlich gut tanzen kann. Ich reihe mich währenddessen ein an der Hühnerstall-Stange und beobachte. Und bleib meist unbehelligt. Was einerseits daran liegt, dass ich tanztechnisch völlig talentbefreit bin. Obwohl angenommen werden kann, dass ich dank meines Schlagzeugspielens ein durchaus ausgeprägtes Rhythmusgefühl habe. Aber wenn dieses Rhythmusgefühl auf körperliche Bewegungen übertragen werden soll, trennt sich ganz schnell die Spreu vom Weizen. Ich beherrsche zwar ein paar Basic Salsa-Moves, aber ohne jegliches Feuer im Po, sondern schlicht und mechanisch in einfacher Abfolge runtergetanzt. Und das ist ganz klar erkennbar. Andererseits muss ein Mann schon mit einer gehörigen Portion Selbstvertrauen ausgestattet und mit sich und der Welt im Reinen sein, um die Quoten-Transe öffentlich zum Tanz zu bitten. Denn wer mit seiner eigenen Sexualität im Argen liegt, hat meist Angst vor mir. So bei jeder dritten oder vierten Party traut sich trotzdem jemand, an mich heranzutreten. Anfangs habe ich vor lauter Schreck dankend abgelehnt, aber jetzt denk ich mir: ok, du hast mich tanzen gesehen und weißt somit, dass ich eine Niete bin. Trotzdem hast du den Mumm, mich aufzufordern. Schön, dann sollst du deinen Tanz haben.
Jedenfalls bin ich froh, mich aus meiner Komfortzone herausbewegt und auf das Abenteuer Salsa-tanzen eingelassen zu haben. Ich bin auf eine offene und liberale Szene gestoßen und durfte einige wirklich nette Menschen kennenlernen. Und mit dem Feuer im Po wird’s auch noch was.