Regeln für den Umgang mit queeren Menschen - mal andersrum

It's Pride Time! Queere Menschen und diverse Lebensweisen sind in aller Munde. Im Grunde genommen eine gute Sache. Leider gibt es aber auch Auswüchse, die ein wenig, nun nennen wir es fragwürdig, sind. Immer öfter finden sich im Internet sogenannte "Verhaltensregeln", gemeint ist wie sich Heteros bzw. nicht queere Menschen gegenüber Mitgliedern der LGBT-Community zu verhalten haben. Und somit brave "Allies" werden können. Bei uns in der Arbeit wurde sogar ein zweitägiges Seminar ins Leben gerufen, bei dem der richtige Umgang mit queeren Personen erlernt werden kann. Wenn man sonst nix zu tun hat....

Selbst auf die Gefahr hin,von manchen dafür gegrillt zu werden, (was aber ohnehin egal ist, weil das Wort "queer" in der Überschrift polarisiert schon für sich alleine, manche werden den Text gar nicht mehr lesen und gleich ihre Scharfschützengewehre gegen mich in Stellung bringen... :)) dachte ich mir, ich dreh die Sache mal um und geb der queeren Community (oder allen, die sich dazugehörig fühlen) den einen oder anderen Verhaltenstipp.

1. Wir sind nicht der Mittelpunkt der Welt! Auch wenn während des Pride-Monats durchaus der Eindruck erweckt wird. Aber die Welt würde sich auch ohne uns weiterdrehen.

2. 90 % der Menschheit ist es völlig egal, wen oder was wir lieben oder als was wir uns identifizieren. Auch wenn Listen mit 60 Auswahlmöglichkeiten für das Geschlecht, verständlicherweise, für Stirnrunzeln sorgen, nimmt uns der Großteil der Bevölkerung derartige Schrulligkeiten nicht wirklich übel. Daher wäre ein bißchen weniger Selbstmitleid angesagt. Wer in der Früh mit dem festen Vorsatz aufsteht, Diskriminierung zu erfahren, dem wird das mit ziemlicher Sicherheit auch passieren.

3. Nicht jedes Wort auf die Waagschale legen. Weil nicht alles, was im ersten Moment als Affront erscheinen mag, ist auch tatsächlich so gemeint. Unser Verhalten führt lediglich dazu, dass manche Menschen sich gar nicht mehr trauen, mit queeren Personen in Kontakt zu treten. Aus Angst, diese könnte wegen eines falsch verstandenen Wortes oder einer Geste in Ohnmacht fallen und sich als schwerst misshandeltes Opfer darstellen. Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass wir queeren Menschen die Neymars der Gesellschaft sind.

4. Wer jedoch tatsächlich diskriminiert wird, sollte die Person gleich zur Rede stellen und ihr klar machen, dass ihr Verhalten inakzeptabel ist. Das schafft Respekt und fördert auch das eigene Selbstwertgefühl.

5. Speziell für Transpersonen: viele Mythen und Gerüchte kursieren um uns. Z.b. haben einige meiner Arbeitskollegen schlaflose Nächte, weil sie sich den Kopf darüber zerbrechen, wie es sein kann, dass ich mit einer Frau zusammen bin, wo ich doch jetzt "eine Frau sein will" und mich eigentlich mit Männern vergnügen müsste. Naja, wie schon gesagt, wenn man sonst nix zu tun hat und das eigene Leben zu fad ist... 😜 Jedenfalls wäre es angebracht, auftauchende Fragen zu Transgender zu beantworten. Und nicht die beleidigte Leberwurst spielen und auch nicht von oben herab und belehrend auftreten. Die Tendenz zur Präpotenz haben viele von uns queeren Personen leider im Genmaterial gelagert. Information schafft Wissen. Wissen beseitigt Mythen, Gerüchte, und in weiterer Folge auch Angst. Damit werden auch Berührungsängste abgebaut und ein normaler Umgang mit uns gefördert.

6. Ghettoisierung ist kontraproduktiv. In der queeren Whatsapp-Gruppe in meiner Arbeit wurde darüber diskutiert, ob gemeinsam ein Salsa-Kurs in einer deklariert queeren Tanzschule besucht werden soll. Mein Einwurf, dass ich mit meiner Freundin in einer "nicht-queeren" Salsa-Tanzschule mehrere Kurse besucht habe und unbehelligt blieb, ja nicht mal irgendwie schief angesehen oder über mich/uns getuschelt wurde, ist gleich mal weggewischt worden. "Schön für dich, aber wir wollen lieber unter uns bleiben" wurde ich gemaßregelt. Für mich stellt sich jedoch die Frage, wieso wir uns selber ausgrenzen. Wer Gleichberechtigung will und den "nicht queeren" Menschen beizubringen versucht, wie sie sich uns gegenüber zu verhalten haben, sollte ihnen auch die Chance geben, mit uns zu tun zu haben. In Wien geht das tatsächlich. Da passiert in keiner Tanzschule was böses. Integration funktioniert - zumindest diesbezüglich.

Ein bissl was zum nachdenken für die queere Community.

10
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Claudia56

Claudia56 bewertete diesen Eintrag 09.06.2024 17:43:22

Aron Sperber

Aron Sperber bewertete diesen Eintrag 09.06.2024 13:39:23

Tourix

Tourix bewertete diesen Eintrag 09.06.2024 12:43:34

SusiK

SusiK bewertete diesen Eintrag 09.06.2024 11:13:11

Zaungast_01

Zaungast_01 bewertete diesen Eintrag 09.06.2024 10:48:53

Kai-Uwe Lensky

Kai-Uwe Lensky bewertete diesen Eintrag 09.06.2024 08:55:45

trognon de pomme

trognon de pomme bewertete diesen Eintrag 08.06.2024 18:04:20

CK13

CK13 bewertete diesen Eintrag 08.06.2024 17:02:59

Michlmayr

Michlmayr bewertete diesen Eintrag 08.06.2024 17:01:35

Miki

Miki bewertete diesen Eintrag 08.06.2024 16:21:05

15 Kommentare

Mehr von Jessi