Es gibt Themen, die das Leben nachhaltig beeinflussen. Die für den Fortbestand der Menschheit von substanzieller Bedeutung sind. Mit denen sich einfach auseinandergesetzt werden muss, weil wir ansonsten für unsere Ignoranz bitter bestraft werden.
Wer sich jetzt eine Abhandlung über ein solches weltveränderndes Thema erwartet, den muss ich leider enttäuschen. Nichtsdestotrotz ist folgendes, zumindest für Transmädels, sehr wohl von existenzieller Bedeutung. So, jetzt ist das T-Wort auch wieder gefallen. Bei wem schon alleine durch die Erwähnung selbiges die Gänsehaut aufsteigt, der hat jetzt noch die Möglichkeit, auszusteigen um sich wieder der geistreichen Lektüre von „unzensuriert.at" oder des „Wochenblicks“ zu widmen. Last Exit brainfuck sozusagen…
All jene, die gerne mal einen Blick hinter die Kulissen des Transen-Alltages werfen wollen: Herzlich willkommen! Es geht, wie die Überschrift bereits vermuten lässt, um das „Tucking“. Damit ist das „Nach-Hinten-Binden“ des männlichen Genitals gemeint. Denn der verräterische Hügel im Schoss der motivierten Transfrau im Badeanzug kann nur allzu schnell zu Spott und Häme führen. Dabei muss es gar nicht immer die Badekleidung sein. Ein Bleistiftrock oder engeres Kleid, selbst die Lieblings-Stretchjeans bedürfen eines Klebestreifens, um die körperlich vorhandene und verräterische Männlichkeit nicht allzu sehr in den Vordergrund rücken zu lassen. (welch nettes Wortspiel)
Wobei, so klar ist das gar nicht. Denn, wie sollte es anders sein, selbst innerhalb der Community gibt es diesbezüglich unterschiedliche Ansichten. Die einen meinen, auch eine Frau mit Penis ist eine Frau. Und lassen ihrem Gehänge jenen Freiraum, den es benötigt. Andere lehnen jegliche auch nur ansatzweise Andeutung desselben kategorisch ab. Ich zähle mich ganz klar zu letzterer Gruppe.
Ob und wann getucked werden muss, hängt natürlich auch ein wenig von der Größe des guten Stücks ab. Manche müssen tatsächlich nur im Badeanzug oder Bikini zum Tape greifen, bei anderen ist Tucking schon fast tägliche, wenngleich lästige, Routine. Wie unfair, werden sich manche Nicht-Transgender denken, die von ihren Frauen regelmäßig den Satz „Aber nein, Schatz, auf die Größe kommt es überhaupt nicht an!“ ums Maul geschmiert bekommen. Die, die ihn nicht wollen, haben ihn, und die anderen hätten ihn gerne, aber kommen nicht ran. Das Leben kann manchmal richtig böse und unfair sein…
Aber wie funktioniert das Tucking eigentlich? Ist das nicht unangenehm? Hell yes, wer nicht gerade masochistisch veranlagt ist, und wen Schmerzen bei der Manipulation des Piepmatz samt Glocken nicht in orgiastische Höhen katapultieren, kann getrost darauf verzichten. Es zieht, drückt, zwickt, also nichts, was auch nur annähernd stimulierend ist, zumindest nicht im positiven Sinne.
Grundsätzlich wird für das Tucking ein Tape verwendet. Früher war es normales Leukoplast. Nicht gerade hautfreundlich. Heute gibt es eine Firma aus Großbritannien, die nennt sich Carmen Liu Lingerie. Gegründet wurde sie von Carmen Liu, einer Transgender Business-Frau, die festgestellt hat, dass es keine Lingerie gibt, die den unterschiedlichen Ansprüchen von Transgender-Kundinnen gerecht wird. Denn das Spektrum von Transgender ist vielfältig. Die einen, die ganz am Anfang stehen und noch keine Hormone nehmen beziehungsweise das auch gar nicht vorhaben. Die benötigen klarerweise andere BHs als jene, die bereits ein Brustwachstum aufgrund von Östrogen-Behandlungen aufweisen. Auch spezielle Höschen, die einerseits so geschnitten sind, dass sie die Männlichkeit bereits ohne Tape leicht nach hinten drücken, aber trotzdem nach femininer Unterwäsche aussehen, hat Carmen Liu entwickelt.
Mit ihrer Firma ist sie Marktführerin in diesem Bereich. Ausserdem hat sie ein spezielles Tuck-Tape entwickelt. Dieses ist breiter als Leukoplast und hat bessere Klebe-Eigenschaften. D.h. es kann auch, nachdem es vor einem Toilett-Gang entfernt werden musste, nochmal angebracht werden. Funktioniert sogar bis zu drei mal, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Das Tape kann in drei Farben (Skin, Violett, Schwarz) erstanden werden.
Aber zurück zur Technik: zunächst sollte die Haut um die Intimzone trocken und, nach Möglichkeit, glatt rasiert sein. Spätestens beim entfernen des Tapes weiß man, warum… Nun werden die Hoden in die Bauchhöhle gedrückt. Äh, moment mal, was bitte?? Ja, richtig gehört. Kann jeder mal probieren. Es gibt einen Platz, da können die Hoden richtiggehend reingeschoben werden. Männliche Neugeborene kommen so zur Welt. Mit ein wenig Übung gelingt das recht gut. Bei mir funktionierte es anfangs nur im Liegen, mit angezogenen Beinen (sorry, für das Kopfkino seid ihr jetzt aber selbst verantwortlich), inzwischen geht’s auf der Toilette sogar im Stehen. Sind die Hoden in ihrer Unterkunft verstaut, werden sie, mit jeweils einem Streifen Tape, dort festgehalten. Erst die eine, dann die andere, jeweils reingedrückt und getaped.
Als nächstes kommt der Penis dran. Dafür wird ein Ende des Tapes am Penis-Schaft angesetzt und mittels selbigem einfach nach hinten geklebt. Jetzt kann eigentlich nichts mehr schief gehen, aber wer trotzdem ganz auf Nummer sicher gehen will, kann noch zusätzlich eine spezielle Unterhose (wie jene von Carmen Liu’s G.I. Collection) anziehen.
Die Frau von Welt hat natürlich, neben der obligatorischen Ersatz-Strumpfhose, auch ein zweites Tape in der Handtasche. Wer den ganzen Tag (oder die ganze Nacht) unterwegs ist und öfter als zwei mal auf die Toilette muss, sollte eines dabei haben. Denn nichts ist unangenehmer, als wenn das ursprüngliche Tape langsam den Geist aufgibt, der Bleistift-Rock aber keinen Millimeter Auswölbung verzeiht.
Eine Herausforderung kann das vollständige Entfernen des Tapes sein, vor allem, wenn es noch einigermaßen frisch ist. Grundsätzlich heißt es ja, Pflaster sollen mit einem schnellen Ruck entfernt werden. N-e-v-e-r !! Ich hab es einmal so probiert. Vermutlich kennt jeder den Moment, wenn einem etwas zustößt, man schlägt sich wo an oder es fällt einem etwas auf den Fuß, oder ähnliches. Der Schmerz kommt nicht sofort, im ersten Moment und Schock spürt man vermutlich gar nichts. Aber man weiß, in den nächsten Sekundenbruchteilen wird es höllisch. So war es auch bei mir. Ich nahm das Tape und zog es mit einem Ruck ab. Und wußte im selben Augenblick „Keine gute Idee!!“ Die erwarteten Schmerzen kamen nicht mal annähernd an die realen heran. Bekanntermaßen ist ja die Haut am Penis dünner als an den meisten anderen Körperstellen. Und da ich das Tape erst kurz davor gewechselt hatte, war es noch frisch, mit einer starken Klebewirkung. Der Anblick meines teilweise gehäuteten Penis ließ mich kurz in Schockstarre verfallen. Zum Glück erwachte ich recht bald wieder, denn die grundsätzlich starke Durchblutung hatte zur Folge, dass die Umgebung innerhalb weniger Augenblicke aussah, als hätte man damit begonnen, eine Sau für die Wursttheke im Supermarkt zu präparieren. Es dauerte ewig, bis die Blutung stoppte, zwischendurch überkam mich tatsächlich Panik, ich würde verbluten. Jedenfalls waren die Spuren dieses an mir selber verübten Verbrechens noch viele Wochen später sichtbar. Inzwischen nehme ich mir gerne die Zeit, die es benötigt, um das Tape schön langsam und gemächlich abzuziehen. Möge es noch so zwicken, ich weiß, dass die Strapazen nichts gegen die Schmerzen des eben beschriebenen Erlebnisses sind.
Grundsätzlich ist Tucking aber eine geeignete Methode, auch für jene Transgender, die keine GA-OP (geschlechgsangleichende OP) absolviert haben, Bade- oder sonstige enge Kleidung zu tragen. Es bedarf nur einiger Übung, und Erfahrung, um damit richtig umgehen zu können. Dann kann sich das Ergebnis auch sehen lassen.